TALES OF XILLIA 2

Bandai Namco Studios

(01.11.2012 / Japan)

(22.08.2014 / Europa)


Da die current gen ab dem großen Weihnachtsrush (hoffentlich) permanent ins Rollen kommt, gibt es endlich wieder Kritiken zu aktuelleren Spielen. "Tales of Xilia 2" ist zwar last gen, hat es entgegen meiner Befürchtungen aber tatsächlich nach knapp 22 Monaten Lokalisierungsarbeiten doch noch nach Europa geschafft.

Meine Erwartungen waren nach "Tales of Xillia" (2013) mit seinem furiosen Kampfstil hoch und ein paar Stunden lang war ich besonders aufgrund der kafkaesken Stimmung der Überzeugung, dass ich hier die absolute Bombe spiele. Es gibt nämlich nicht gerade viele Spiele, die halbwegs überzeugend sind, in denen mein Bruder ein Terrorist sein soll und ich auf einmal einen Haufen Schulden habe, weil der beste Arzt der Welt mich, ein Mädchen und meine Katze wieder zusammengeflickt hat.

Doch dann betreibt der nunmehr unter dem Namen Bandai Namco Games firmierende Entwickler ein Levelrecycling inkl. Musik und allem, dass das dafür vielfach verspottete "Dragon Age II" (2011) wie einen Waisenknaben aussehen lässt, und wirft mir gleich zu Anfang eine Schnellreisefunktion vor die Füße, die jegliches Gefühl, ich würde mich wie im ersten Teil in einer zusammenhängenden Welt bewegen, zernichtet. Und zack hatte ich wieder vor Augen, dass ich vor einem halben Jahr ja auch Bekanntschaft mit dem gräßlichen "Tales of the Abyss" (2011) gemacht hatte...

Vieles ist so seltsam anders

Ich kämpfte etwa von Stunde fünf bis 20 schwer mit meiner Erwartungshaltung, dass der zweite Teil, wenn er schon genauso aussah und klang, sich doch bitte auch genauso spielen sollte wie der erste, und wurde immer unzufriedener, weil der Hauptcharakter entgegen dem Duo (manche würden sagen dem alten Ehepaar) Jude und Milla so schrecklich stumm ist, nur weil er andauernd aus zwei Antworten wählen kann. Erst dann konnte ich mich davon freimachen und den sehr starken Fokus auf die Geschichten der einzelnen Charaktere meiner Gruppe beginnen zu genießen.

Und wenn man erst einmal soweit ist, dann kann man gar nicht anders, als den Schreibern, Sprechern und Charakterdesignern zu bestätigen, dass sie gute Arbeit geleistet haben. So irre die Geschichte mit ihren alternativen Welten und Zeitsprüngen manchmal auch ist, so nachvollziehbar bleiben doch die Gefühle der handelnden Personen. Auch die im ersten Teil etwas blässlichen Elize, Rowen und Leia kommen eine Ecke besser weg.

Vielleicht wäre es besser gewesen, im Schnitt und serientraditionell etwas fröhlichere Geschichten zu erzählen. Und nicht etwa solche Dampfhämmer zu bringen, dass mein Opfer mich ganz freundlich und ruhig mit den Worten: "Ich hatte gehofft, ich könnte noch einmal Pasta Margherita essen", begrüßt und mir anschließend erzählt, wie wichtig die kleinen Dinge im Leben sind und wie sehr es die Zeit mit mir genossen hat, bevor es sich ohne Gegenwehr töten lässt, aber die Japaner sind wohl so drauf.

Ein Schritt vor, zwei zurück

Der Lilium Orb des Vorgängers wurde komplett gestrichen und dadurch der Fokus von den allgemeinen Stats weg noch weiter zu den aktiven Kampffähigkeiten (Artes) und passiven Boni (Skills) verschoben. Ich kann nur vermuten, dass das alte System, wenn man es einmal durchschaut hatte, zu einfach starke Charaktere hervorbrachte und daher hier eine Abkehr erfolgen musste, um nicht bei den letzten Bossen wieder vor dem Balancingproblem zu stehen, dass viele Spieler mit verskillten (wie meiner einer) und viele mit fast perfekten Charakteren auftauchen.

Allerdings bin ich von den vielen neuen Spezialfähigkeiten von Ludger enttäuscht. Nicht so sehr, weil sie keinen Pepp haben, sondern gerade weil sie in fast allen Bosskämpfen überlebenswichtig sind und es dadurch praktisch unsinnig bis unmöglich wird, einen anderen Charakter im Kampf direkt zu steuern. Zumindest das hatten die Entwickler im ersten Teil und bereits 2009 in "Tales of Vesperia" viel, viel besser gelöst.

Kein Spiel für Neueinsteiger

Während man z. B. "Mass Effect 2" (2010) mit so einigen Abstrichen bei der Story auch durchaus spielen kann, wenn man den ersten Teil nicht gespielt hat (was ich aber trotzdem niemanden empfehlen möchte), geht dies bei "Tales of Xilia 2" kaum. Das Spiel hat nicht einmal ein ausreichendes Tutorial zum Kampfsystem und zum wirklich umfangreichen Menü, geschweige denn ein Handbuch, das die Bezeichnung verdient hätte.

Zwar gibt es wie immer die spielinterne Hilfe, doch diese ohne Vorkenntnisse praktisch von vorne bis hinten durchzulesen, ist alles andere als eine Freude, auch weil ich nicht glaube, dass dabei so irre viel kleben bleibt, wenn schon nach dem Tutorial im ersten Teil bei mir zu wenig kleben blieb. Aller spätestens wäre ich komplett aufgeschmissen gewesen, wenn ich die Charaktere aus dem ersten Teil nicht gekannt hätte, denn die kurzen Beschreibungen in der Hilfe können natürlich nicht ersetzen, was man innerhalb von vielen Stunden erlebt hat.

Japanische Altlasten zum x-ten Mal

Hier könnte ich eigentlich die Absätze vom letzten Mal übernehmen, denn der Entwickler hat ja auch einfach alle alten Zöpfe übernommen. Egal ob es die statischen Kulissen mit den drei Läden und den äußerst beschränkten Interaktiongsmöglichkeiten sind oder die identischen Monster in unbeschreiblichen Mengen, alles ist wieder dabei. Nur ganz selten gibt es mal optisch beim Leveldome einen Ausreißer nach oben, dann bricht die Framerate aber auch gleich ein, hahaha.

Es ist verdammt schade, dass die Ausrüstung erneut wenig zum Spielspaß und der Individualizierung der Charaktere beiträgt, obwohl dieser Teil des Teams doch reichlich Zeit für seine Arbeit gehabt haben muss. Das man hier nichts reißt, liegt aber auch ein Stück weit daran, dass selbst ich die Standardkämpfen mit verbundenen Augen locker gewinne, wenn meine Waffe anstatt etwas mehr Schaden eine Betäubungschance hat - oder eben umgekehrt.

Fazit:

Auch wenn in der zweiten Hälfte (vielleicht auch etwas subjektiv) die Qualität deutlich anzieht, kommt der zweite Teil nicht ganz an den ersten heran, ist aber immer noch über weite Strecken ein gutes Spiel. Wie schon der erste Teil und "Tales of Graces f" (2012) lässt "Tales of Xilia 2" zu viele Punkte bei der Grafik liegen. Somit wäre es recht logisch, dass ich mir für ein hoffentlich baldiges Tales auf der PS4 zeitgemäße Grafik wünschen würde. Aber wenn ich nur einen Wunsch frei hätte, dann würde ich stattdessen weniger, aber dafür deutlich schwerere Standardkämpfe wählen.

Nach etwa 45 Stunden flimmerte der Abspann über den Bildschirm. Meine 70er Charaktere hatten den letzten Boss platt gemacht, was mich irre befriedigte, weil ich ihn so gar nicht mochte. Da ich aufgrund von Zeitmangel so einige Nebenmissionen ausgelassen habe, die diesmal wesentlich besser auffindbar waren, wären also wie bei den Tales Spielen üblich locker mehr als 50 Stunden drin gewesen.



  POSITIV:
  - direkte Forsetzung
  - kranker als sonst


  NEGATIV:
  - Teil 1 war besser
  - kein Tutorial
  - keine gute Einleitung