GRID 2

Codemasters

(31.03.2013)

auch veröffentlicht auf
PlayStation 3 und Xbox 360


Hätte die "Baldur's Gate: Enhanced Edition" nur ein Bisschen mehr Spaß gemacht oder ein anderes Rennspiel wäre gerade aktuell gewesen, ich hätte "GRID 2" erstmal nicht gekauft. Wäre "The Last of Us" eine Woche früher erschienen, ich hätte "GRID 2" erstmal nicht gekauft. Hätte ich für "GRID 2" mehr als 20 € (hähähä!) bezahlen müssen, ich hätte "GRID 2" erstmal nicht gekauft...

Dies liegt nicht daran, dass mich sowohl das verfügbare Videomaterial wie auch die Berichterstattung im Vorfeld zu wenig mitgerissen hat, sondern zum größten Teil, weil ich den spieltechnisch oberseichten Vorgänger "Race Driver: GRID" (2008) in eher schlechter Erinnerung habe, ja, speziell die Xbox 360 Version mit ihrer bockigen Steuerung und Bewegungsunschärfe direkt aus der Hölle sogar in katastrophal schlechter Erinnerung.

Ein Vogel? Ein Flugzeug? - Nein, es ist Superford!

Und zu Anfang tut Codemasters dann auch alles, um an diese schlechte Erinnerung anzuknüpfen, indem sich bereits alle Autos der Einstiegsklasse des Spiels auf langen Geraden auf über 245 km/h beschleunigen lassen (der Ford Mustang aus den 70ern landet bei über 260 km/h im Begrenzer) oder etwa der frontgetriebene Ford Focus ST gerade einmal drei Sekunden braucht, um aus dem Stand die 100 km/h zu erreichen. Worin liegt der tiefere Sinn, nur so zu tun, als wenn man über ein Dutzend verschiedener Autos simuliert und stattdessen alle Autos mit fast identischer Leistung an den Start zu bringen?

Ich bin kein Realismusfanatiker aus Prinzip und mir ist klar, dass Codemasters nicht in erster Linie die Fans von "Forza Motorsport" oder "Gran Turismo" ansprechen will, aber mir war eben auch sofort klar, wenn es schon so losgeht, dass dann die im späteren Spielverlauf zu erwartenden Supersportwagen sich nicht nur real schnell, sondern raketenschnell anfühlen würden. Und ich sollte sowas von Recht behalten...

Kommt hier noch etwas Menü hin?

Doch zurück zum Anfang: Ich könnte jetzt behaupten, dass ich wider besseren Wissens darauf gehofft habe, dass knapp zehn Jahre nach "TOCA Race Driver 2" (2004) jemand bei Codemasters endlich mal wieder eine wirklich gescheit präsentierte Karriere in einem Autorennspiel an den Start bringt, aber das habe ich nicht. Aber ich habe eben auch nicht erwartet, dass ich ein umständlich verschachteltes Menü zur Auswahl der Rennen präsentiert bekomme, dass ich mir in der Spielumgebung auf dem Computer angucke.

Und ich hätte erst recht nicht erwartet, dass trotz meinem gigantischen Erfolg mit Millionen von Fans weltweit und der immer größeren werdenden Garage voller Autos dieses Menü praktisch wie im Vorgänger oder dem Klassenclown "Need for Speed: SHIFT" (2009) das einzige Spielelement neben den Rennen bleibt. Der Lacher ist ohne Zweifel, dass das Menü nach ein paar Stunden mit einem Beamer auf eine Wand der Garage geklatscht wird. Das ist wirklich irre praktisch und lässt nur einen Schluss zu: Bei Codemasters muss noch niemand ein Smartphone haben!

Ist soviel weniger wirklich noch mehr?

Bereits der Vorgänger war kein Umfangmoster und "GRID 2" schlägt mit 14 Strecken, deren Variationen leider am jeweiligen Charakter der Strecken nichts ändern, und doch sehr mageren 51 "verschiedenen" Karriereautos (große Namen wie Ferrari, Porsche und Lamborghini glänzen mit Abwesenheit) in die gleiche Kerbe. Es gibt erneut kein Leistungstuning und es sind weiterhin keine Einstellungen am Fahrwerk etc. vorzunehmen. Klar, der Autokauf und die Auswahl des Teammates im Vorgänger war jetzt auch nicht der Wahnsinn, aber musste man das auch noch ersatzlos streichen?

Auch die Cockpitperspektive, wobei ich persönlich der aus "Race Driver: GRID" nicht wirklich hinterher weine, gleich drei Varianten der Driftwettbewerbe, Midnight Touge (Duell mit Gegenverkehr), Rennen mit Tag und Nachtwechsel und das Demoliton Derby fielen dem Rotstift zum Opfer. Auf der anderen Seite ist lediglich der Neuzugang Overtake, bei dem man sich möglichst ohne Berühung an amerikanischen Pickups vorbeiquetschen muss, ein Gewinn, denn - mit Verlaub - die Spielmodi Checkpoint und Eliminator stauben ja schon und LiveRoutes, bei dem sich völlig unrealistisch auf Stadtrundkursen die Absperrungen hinter mir verschieben, fährt sich nun auch nicht wirklich anders, als ein x-beliebiges Rennen ohne Minimap.

Die richtige Entscheidung

Es gibt jedoch eine Sache, die Codemasters absolut richtig gemacht hat, und zwar, dass sie sich diesmal auf genau ein Fahrmodell konzentriert haben, das mit einem Gamepad auch tatsächlich Spaß macht. Der Vorgänger mag mit seinen optionalen Fahrhilfen den wenigen Spielern mit einem sündhaft teuren Lenkrad deutlich mehr entgegen gekommen sein, aber die meisten Spieler wie auch ich haben sich mit vielen Autos eher gequält.

Neben der Tatsache, dass die Autos im richtigen bzw. zumindest nachvollziehbaren Moment anfangen zu driften und hierfür nicht zur Handbremse gegriffen werden muss, hat am gelungenen Fahrmodell das sog. "TrueFeel" System den größten Anteil. Codemasters mystifiziert gerne mit einem Haufen Parametern, was "TrueFeel" sein soll, aber wer den Vorgänger auf der Xbox 360 gespielt hat, merkt sofort, dass das Auto einfach viel analoger und verzögerungsfreier sowohl auf die eigenen Eingaben als auch auf die Strecke reagiert, also z. B. nicht mehr in der einen Sekunde geradeaus fährt und in der nächsten sich bereits mit einer solchen Wucht in die Kurve geworfen hat, das es nur noch auf zwei Rädern fährt.

Ein Spiel schlägt sich selbst

Trotz der drögen Menüs, in denen es mir z. B. schwer fällt auf Anhieb die Daten der Wagen allein aufgrund von vier Strichen zu vergleichen, der weiterhin selten dümmlichen Kommentare aus dem Off (Drift endet in der Wand, er: "Nice Drift!") und den paar matschigen, grenzdebilen ESPN Videos - Realsatire pur, Gott schütze mich vor dem amerikanischem Spartenfernsehen - macht "GRID 2" etwa 15 Stunden eine Menge Spaß.

Weil sich der Sound gegenüber dem Vorgänger deutlich verbessert hat (es fehlt nur das letzte Bisschen Bass, besonders in den V8 Motoren). Weil mir als Spieler sehr gut das Gewicht der Autos vermittelt wird und die Karren verschieden lange Bremswege haben. Weil die Autos über Kuppen die Bodenhaftung verlieren und weil die Gegner KI meist einen guten Job macht, um mich zusätzlich zur Strecke zu beschäftigen. Allerdings möchte ich nicht verschweigen, dass Codemasters wie bereits in "F1 2010" (2010) lediglich grafische Platzhalter auf die Strecke geschickt hat, was besonders bei den Overtake Wettbewerben auffällt, bei denen der Computergegner auch nachdem er dreimal so vielen Unfällen wie man selbst verursacht hat, immer noch wesentlich mehr Punkte einfährt.

Doch dann kommen ab der vierten von fünf Saisons die ersten superschnellen Autos und fast nur noch Nachtrennen, weil die Rennen ja in der Prime Time auf ESPN HD übertragen werden und - BÄMM! - sind insbesondere die Rennen auf den vier etwa 10 km langen Punkt-zu-Punkt-Strecken mit gerade einmal Landstraßen breiter Fahrbahn und super vielen Kurven für mich nicht mehr zu gewinnen. Ich habe auf dem dritten von fünf Schwierigkeitsgraden bestimmt 20 Versuche unternommen, aber ich war auf diesen Strecken nicht mehr in der Lage, um den Sieg mitzufahren, während ich auf den fünf realen Rennstrecken Algarve, Brands Hatch, Indianapolis, Yas Marina und dem Red Bull Ring weiterhin im ersten Versuch gewinnen konnte.

Da ich immer häufiger zurückspulen musste, wurde ich auch immer öfter Opfer des Soundbugs, der einen den kaputten Motor hören lässt, obwohl ich ja gerade den Crash durch das Zurückspulen vermieden hatte. Einige Nachtrennen in der fünften Saison konnte ich sogar nur noch auf dem allerleichtesten Schwierigkeitsgrad gewinnen, da die Minimap zu weit von der Bildmitte entfernt ist, um diese bei Tempo 300 rechtzeitig studieren zu können. Außerdem sieht man Nachts von der sehr guten Umgebungsgrafik viel weniger aber umso mehr von dem potthässlichen Publikum.

Fazit:

Hätte Codemasters die Eier gehabt, wenigstens gegen Ende so ein Bisschen ihren casual gaming Ansatz zu verlassen, und müsste ich deshalb nicht immer und immer wieder innerhalb von drei Runden bzw. wenigen Minuten versuchen, vom letzten auf den ersten Platz vorzufahren, hätten sicherlich auch die letzten beiden Saisons ihren Reiz gehabt. So habe ich einfach nur durchgehalten, weil ich sehen wollte, ob die Karriere wie beim Vorgänger ohne Schnörkel im Abspann endet (ja) und welche Spieldauer die Karriere von "GRID 2" bestenfalls abwirft (knapp 30 Stunden).

Der Multiplayerteil ist ausgereifter als beim Vorgänger und könnte Spaß machen, wenn die anderen Fahrer nicht einfach Dauervollgas geben und die Banden immer mal wieder wie eine Billardkugel nutzen würden. Wer sein Auto dabei völlig zerstört, gibt einfach auf, aber in der Regel kommt gut die Hälfte der Fahrer damit durch, so dass ich als Letzter mit zehn bis 20 Sekunden Rückstand ins Ziel rolle. Ich bin nicht erfolgsverwöhnt, aber das ist mir eindeutig zu blöd.



  POSITIV:
  - verbessertes Handling
  - urkomisch (unfreiwillig)
  - gute Gegner KI


  NEGATIV:
  - lachhafte Präsentation
  - ESPN HD Videos (autsch!)
  - irre Streichliste
  - raketenschnelle Autos
  - Punkt-zu-Punkt-Strecken