Need for Speed:
SHIFT

Slightly Mad Studios

(17.09.2009)

auch veröffentlicht auf
PlayStation 3 und Xbox 360


"Need for Speed: SHIFT" ist mehr als nur ein schlechtes Spiel. Es ist die Demontage eines der zehn größten Trademarks, die es über alle Plattformen hinweg im Videospielebereich überhaupt gibt. Es ist die Bankrotterklärung des Publishers Electronic Arts, der es geschafft hat, eines der besten und erfahrenen Studios im Bereich der Fahrzeugsimulation, Schöpfer der modernen Klassiker "GT Legends" (2005) und "GTR 2" (2006), anstatt eines Spiels im Stil von Need for Speed: Porsche (2000) praktisch eine 1:1 Kopie des Emporkömmling "Race Driver: GRID" (2008) mit einer Schippe Serienaltlasten produzieren zu lassen - ohne im Schnitt dessen bereits äußerst mäßige Qualität zu erreichen.

"SHIFT" ist ein Spiel, wie es nur die werbefinanzierte Presse gut finden kann, die gerne in Previews über künftige Hits berichtet. Denn wenn man erst über Spiele schreiben würde, wenn sie fertig sind, fallen ja mind. drei Artikel weg. Wenn man also so richtig dick aufgetragen hat, dann ist es schwer - Erinnerungen an "Gothic 3" werden wach - volle Kanne zurück zu rudern, wenn sich die vermeintliche Perle als ratz, fatz hingeklatschte und nicht einmal featurekomplette Katastrophe entpuppt.

Ich geh mal kurz was laden

"SHIFT" ist ein Spiel, dass mit seinen Ladezeiten von mal eben bis zu 45 Sekungen pro Rennen unter Windows XP durch keine Qualitätssicherung hätte kommen dürfte. Das bereits nachladen muss, wenn die gleichen zwei Autos, auf der gleichen Strecke beim zweiten Durchgang die Startplätze tauschen. Das mehrere Sekunden braucht, um mir ein neues Auto in der Fahrzeugauswahl überhaupt anzuzeigen... oder auffordert, zu bestätigen, dass der Ladevorgang beendet ist, nur um dann nach der Bestätigung erst zu laden und dann sollte man besser jedes Mal panisch auf [Esc] hämmern, sonst muss man langwierig bestätigen, dass man gar nichts von dem Arschservice mit Namen EA Nation will.

Ein Spiel, dessen einziger Inhalt im Fahren von Autos besteht, aber bei der Konfiguration des Eingabegerätes nicht mal die Empfindlichkeit bzw. Verzögerung von Lenkung, Gas und Bremse berücksichtigt, die aber für Gamepad oder Tastatur unerlässlich ist, wenn man nicht wirklich ausnahmslos alle Fahrhilfen aktivieren will. Wer jetzt glaubt, er wäre mit Lenkrad fein raus, wird sein blaues Wunder erleben. Selbst die teuersten und vollverspoilerten GT Schlitten werfen sich in "SHIFT" mit einer Wonne bei jeder Kurve in den Slide und driften, wann immer es irgendwie möglich ist, dass man nichts anderes mehr tut als gegenzulenken.

Elende Driftkacke!

Bei den Driftrennen - ja, auch diese Neuauflage bleibt einem nicht erspart - die sich z. B. in "Need for Speed: Underground" (2003) hervorragend steuern ließen, wird es dann so arg, dass man nur noch in die Tischkante beißen will. Egal wie feinfülig und mit welcher Engelsgeduld ich versuchte, mir das Fahren von Butter in einer heißen Teflonpfanne zu erschließen, es wollte mir nicht gelingen. Kaum hat man das Auto auf Geschwindigkeit gebracht, knallt es auch schon volle Kanne in irgendeine Begrenzung.

Als Motivation während der Karriere soll die Vergabe von Sternen (schalten neue Wettbewerbe frei, Geld allein hätte es auch getan), Fahrerlevel (schalten neben Verbesserungen auch Aufkleber u.ä. wichtige Sachen frei) und Abzeichen (die haben schon gleich gar keine Funktion, aber Erfolge muss heute wohl jeder einbauen) dienen, da die Handlung mit völliger Abwesenheit glänzt. Es ist mir unbegreiflich, wie die Welt der Autorennspiele die Errungenschaften bei der Handlung von "Race Driver" (2003) und "Race Driver 2" (2004) einfach komplett ignoriert. Toll, also Sternchen wie damals in der ersten Klasse, ich spritz hier gleich Fontänen. Es ist ja sowas von ergreifend, die Farbe des Autos zu ändern oder einen Aufkleber aufzubringen. Da sehe ich doch gleich über die praktisch ebenfalls abwesende Präsentation hinweg. Es gibt nur den tiefschwarzen Auswahlbildschirm, Videos von Replays und grenzwertiges Gelaber.

Ist das schon Satire?

Die Stimme aus dem Off sagt gern mal: "Ooo-kay ähm... noch ein paar Sekunden bis zum grünen Licht. Wir [wer zur Hölle ist wir???] wollen aufs Podium, also viel Spaß - und sei vorsichtig!" Also mal sehen, wo ich hier gerade aus meinem Delirium erwacht bin. Ah, ein Autorennen, na bei so 'nem Shit gehen Spaß und Podium ja Hand in Hand, höhö...
Oder auch: "Okay, also Du wirst heute eine Menge von der Strecke sehen [hoffentlich auch die Kantine]. Viele Events stehen auf dem Plan. - Viel Spaß da draußen und sei vorsichtig. - Noch ein paar Sekunden bis zum Start. Achte aufs grüne Licht!" Mal abgesehen, dass ich das mit dem grünen Licht gleich beim ersten Mal echt gepeilt habe, kommt der Spruch richtig gut, weil er genau einmal im Spiel zutrifft, nämlich wenn man drei Abschnitte auf der Nordschleife hintereinander fährt. Alle anderen Male ist er einfach nur schrecklich falsch.

Wo "GRID" mit seinem halbwegs programmierten, jubelndem Publikum immerhin noch einen Hauch von Atmosphäre erzeugt, bleibt "SHIFT" stumm, kann aber wenigstens die besseren Motorensounds für sich verbuchen. Ganz übel sind aber die sich wie die Karnickel vermehrenden Witzfiguren, die direkt vor dem Start um mein Auto herum postiert sind, immer die gleichen sinnentleerten Animationen abspulen, wie z. B. der Mechaniker, der mit mir durch die geschlossene Scheibe auf der falschen Seite redet, wenn ich in einem englischen Wagen sitze, während ich nur sturr nach vorne starre - oder bin ich nur lediglich vor Langeweile schon gestorben?!?

Unfähigkeit auf höchstem Niveau

Und dann - wenn man glaubt, dass das alles an Lieblosigkeit nicht mehr zu übertreffen ist - kommt das ganz große Kino: Die am Ende der Karriere auf drei Mechaniker, zwei Luder und einen Fotographen angewachsenen Hirnamputierten setzen sich exakt zur gleichen Zeit in Bewegung und entfernen sich exakt gleich schnell und exakt parallel zueinander gehend (man ist versucht Haltungsnoten zu vergeben) nach hinten von meinem Auto weg - während die von dem Auto hinter mir, die gleiche Nummer bringen, nur das sie sich nach vorne bewegen (könnten high five machen). Und weit und breit gibt es für die ganzen, hirntoten Schaben keinen Ausgang aus dem Startbereich, also was soll der Rotz?!?

Freude bereitet auch die Möglichkeit sein Auto zu verbessern. Da gibt's ganz tolle Pakete wie etwa den Rennauspuff und die Rennreifen. Das braucht echt viel Hirn, weil man sowieso alles kauft, so man die Kohle zusammen hat. Wenigstens bedient sich das Sammelsurium von Ersatzteilen genau so zementflüssig wie der ganze Rest, weil da Daten ohne Ende aus vermutlich überkomprimierten Archiven bereit gestellt werden müssen und ich jeden verschissenen Kauf nochmal bestätigen muss. Ich kam mir vor, als wenn ich gerade dabei wäre, Systemdateien zu löschen, so oft habe ich "ja, wirklich, mach's mir" absegnen müssen.

Mir wäre es ultra peinlich

Da wird es dann letztlich zur Nebensache, dass man trotz Handbuchs mit Briefmarken großen Abbildungen, auf denen man absolut nichts mehr erkennen kann, mäßiger Steuerung, schwer nachvollziehbarer Fahrphysik und Einbrüchen bei der Framerate in den unkontrollierbaren Bereich auf einigen Strecken, die Zwergkarriere in zehn Stunden runterreißt. Die gegnerischen Fahrer haben auf der mittleren Stufe nichts im Ei, was einem ernsthaft gefährlich werden könnte, und die Spielmechanik bzw. die Pulklastigkeit der Gegner beim Fahren verlangen geradezu danach, dass man wie die Axt im Walde fährt.

Auf der schwersten Stufe wiederum ist die Balance völlig zum Teufel und ein Sieg besonders dank des ewigen Rammens der Gegner mehr Glückssache als alles andere. Es passt nur zu gut ins Gesamtbild, dass ich so gut wie nie das Setup des jeweiligen Wagen angepasst habe, denn der Menüpunkt ist nicht dort, wo ich ihn erwartet hätte. Innerhalb von Rennserien und immer dann, wenn mein Auto vom Veranstalter gestellt bekomme, habe ich sogar überhaupt keinen Zugriff auf das Carsetup. Wenn alle Stricke rissen, habe ich einfach einen neuen Wagen gekauft, der mir mehr zusagte...

Fazit:

Das ist also das Spiel, dass z. B. bei GameStar 85 % und bei Metacritic 83 % erhalten hat. "Need for Speed: ProStreet" (2007) und "Need for Speed: Undercover" (2008) waren schon ziemlich schreckliche Spiele. Aber für "SHIFT" fehlen mir fast die Worte. Und doch überwiegt am Ende nicht die Wut über den Kauf, denn eine so gigantische Arschbombe von einem Spiel hat ihre ganz eigene Komik. Vernünftige FPS oder die Steuerung nicht hinzubekommen, das ist in einem ansonsten gutem Spiel ärgerlich. Aber hier funktioniert ja praktisch gar nichts. Das Spiel zerfällt zu Schrott beim Spielen.

Ich frage mich nur, welche anderen Autorennspiele haben denn die Tester vorher gespielt? "SHIFT" hat den höchsten Metacritic Score aller NfS-Spiele bis jetzt und genauso viele Punkte wie z. B. "GTR Evolution" (2008), das zwar kein Hochglanzprodukt ist und sicherlich nicht gerade einsteigerfreundlich aber ganz normal funktioniert. Wenn jemand sagen würde: "Also "SHIFT" seh ich aber bei vier Punkten", dann habe ich da kein Problem mit, aber acht oder neun? Ist das jetzt der verbliebene letzte Rest Anspruch, den ich noch an ein Produkt zum Vollpreis eines großen Publishers haben darf?



  POSITIV:
  - 3D Cockpits
  - Motorengeräusche



  NEGATIV:
  - endlose Ladezeiten
  - sinnfreier Ladebedarf
  - lahmarschige Menüs
  - derbe FPS Einbrüche
  - Gamepad-/Tastatursteurung
  - elende Dauerdriftkacke
  - Sternchen u. Aufkleber
  - total hirntotes Gelaber
  - beknackte Präsentation
  - Tuning für selten Blöde
  - Umfang = zehn Stunden
  - ewig rammende KI
  - Setup gut versteckt