GEARS 5

The Coalition

(10.09.2019)

auch veröffentlicht für
Windows PCs


Nachdem meine "Gears of War 4" (2016) Kritik im Wesentlichen an einem Festplattencrash scheiterte, schafft es nun drei Jahre später endlich eine der größten Serien auf der Xbox in Form von "Gears 5" erstmals auf meine Website. Und das es am Ende so gelaufen ist, ist letztlich ganz gut, denn während der eigentlich fünfte Teil mit der Vier im Namen sich nur in Details von den vier Titeln auf der Xbox 360 unterschied und deshalb auch nicht gerade zum Schreiben einlud, zeigt "Gears 5" - nunmehr ohne "of War" im Namen - mehr Mut zu Veränderungen.

So gut die "Gears"-Reihe als reiner Third Person Shooter (oder Deckungsshooter wie man im deutschsprachigen Raum eher sagt) beim Gunplay bisher auch war, für mich sind die Auseinandersetzungen auf Dauer immer etwas langweilig und erreichen nicht den Spaß von etwa "Mass Effect 2" (2010). Man schießt auf das Kleinvieh, irgendwann brüllt ein Begleiter dann: "Scion!" oder ähnliches und dann konzentriert man sich eben auf den/die dicken Brocken. Nach zwei bis vier Wellen wandert man entweder zum nächsten Kampfareal und die Sache geht wieder von vorne los oder ein Bossmonster raubt einen den sicher geglaubten Sieg in letzter Sekunde, indem es die halbe Stadt in Schutt und Asche legt.

Yin und Yang

Auch "Gears 5" bietet hiervon vor allen Dingen im ersten und im letzten vierten Akt reichlich, nimmt aber heuer (der musste einfach sein) auch einmal für längere Zeit im längsten zweiten Akt das Tempo ganz raus. Anstatt Horden von Gegner direkt aus dem Hubschrauber auf den Kopf zu fallen, überbrücke ich mit einem Windsurf-Fahrzeug - dem Skif - größere Distanzen zwischen den Einsatzorten und kann mir aussuchen, ob ich alle Nebenmissionen erfüllen möchte und in welcher Reihenfolge. Wer jedoch jetzt sofort an Open World gedacht hat, den muss ich enttäuschen, denn mehr als - teilweise wunderschön anzusehende - Leere hat The Coalition nicht zwischen die Nebenmissionen auf die Karte gepackt.

Und an Ort und Stelle der Nebenmissionen selbst... nun ja, entweder sind die Gegner bereits hübsch eingepfercht und müssen beseitigt werden, bevor ich den Questgegenstand aufnehme, oder sie erscheinen und versperren mir den Ausgang, sobald ich den Questgegenstand aufnehme. Egal welche der beiden Varianten: Irgendwann brüllt ein Begleiter dann: "Scion!" oder ähnliches - naja, Du weißt schon...
Wenigstens hat The Coalition selbst gemerkt, dass es etwas zusätzliche Motivation in Form von Progression braucht, wenn ich ansonsten nur hin- und herreise, um das zu tun, was ich auch ohne reisen schon immer getan habe, und so kommt Jack ins Spiel.

Dein Freund der Roboter

Jack ist ein schwebender Roboter, der für mich schlecht zu erreichende Schalter drückt, Computersysteme aller Art hackt und Gegner wahlweise unter Strom setzt oder sogar kurz übernimmt. Und anders als die klassischen Gears sogar innere Werte hat (kicher!), also Fähigkeiten, die sich im Lauf des Spiels verbessern können. Dafür muss ich nicht viel mehr tun als nach Komponenten die Augen offenhalten, die vorzugsweise in Tresoren lagern oder aus Maschinen ausgebaut werden können. Außerdem sind die bereits erwähnten Nebenmissionen zu erfüllen, um an die ultimativen Upgrades zu kommen, die dann auch sofort automatisch eingebaut werden, mich ansonsten aber keine Komponenten kosten.

Um einen mit Jacks diversen Fähigkeiten vertraut zu machen, werden immer wieder Situationen in die Haupthandlung eingebaut, die ausschließlich mit Jacks Hilfe überlebt werden können, etwa mit dem Rüstungsstim durch einen eiskalten Raum zu gelangen oder mittels Tarnung zwingend unentdeckt zu bleiben. Neben der vorübergehenden Übernahme eines Gegners - was für ein Spaß - ist insbesondere die maximal ausgebaute Tarnung eine deutliche Modifikation des bisherigen Kampfgeschehens, denn bei smarten Vorgehen sind so mehrere Stealthkills hintereinander möglich, etwas was es in dieser Art zuvor bei "Gears" nicht gegeben hat.

Handlung, die den Namen verdient

Anders als die gähnend langweilige Loot Shooter Fraktion von "Destiny" (2014) bis neulich "The Division 2" (2019) gelingt es The Coalition geradezu spielend eine Geschichte in allen Facetten vom absoluten Bombast bis zu stillen intimen Momenten zu erzählen. Alle handelnden Charaktere sind bombenfest im sog. Lore der Spielwelt verschnürt und die Gespräche zwischen ihnen wirken - auch in der guten deutschen Fassung - jederzeit echt und authentisch. Was nicht zum unerheblichen Teil daran liegt, dass auch die Figur, die ich gerade steuer, vernünftig sprechen kann, verdammte Scheiße!

Am liebsten würde ich so einige andere Entwickler hier zum Nachsitzen verdonnern. Natürlich ist die Menge an Text bei "Gears 5" im Vergleich zu einigen anderen Genres überschaubar, aber bei der Grafik sagt ja auch keiner: "Hey, weil wir so viel Grafik haben, lassen wir die Texturen für Himmel und Wolken usw. einfach ganz weg und die Hunde haben bei uns nur drei Beine." Wer jetzt ungläubig lacht, sollte sich mal schnell auf YouTube eine Prise "Code Vein" (2019) geben, da ist die eigene Figur mal wieder unerträglich stumm und die Grafik so eintönig wie in einem schlechten PS3 Spiel, aber die Frauen kennen keine Kälte, die Titten sind dick und die Beine lang.

Technik schlägt erneut Design

Wo immer man etwas über "Gears 5" liest oder hört, wird regelmäßig die Grafik gepriesen. Und natürlich sieht "Gears 5" um Meilen besser aus als etwa "Crackdown 3" (2019), aber in meinen Augen wird nur zu gerne Technik mit der gesamten Grafik gleichgesetzt. Technisch können nur die Produktionen der ganz großen Studios mit der butterweichen Framerate, der gelungenen Ausleuchtung, Rauch und Partikeln und auch den stimmigen Animationen mithalten. Gerade wenn im Spiel das Tempo anzieht, musste ich mich vor lauter "Oh!" und "Ah!" richtig dazu zwingen, wieder darauf zu achten, dass der Gegner weiterhin die Kugeln zwischen die Augen braucht.

Mit etwas Ruhe und bei der Betrachtung von durchschnittlichen Standbildern hingegen, verblasst der Ruhm von "Gears 5" etwas, denn es gibt auf den Bildern abseits der detaillierten Charaktermodelle häufig wenig interessantes zu sehen. Das Design des "Gears"-Universums ist dafür einfach zu grobschlächtig. Es gibt zwar nicht eine einzige Stelle im Spiel, wo ich sagen würde, da hat jemand jetzt keinen Bock mehr gehabt und hat einfach nur einen völlig sinnfreien Platz oder einen nahezu leeren Raum hingeschissen, aber wenn ich die Aufgabe hätte, zehn Poster entweder von "Gears 5" oder "Anthem" (2019) herzustellen, würde ich mich eher für "Anthem" entscheiden.

Gemeinsam stirbt es sich schöner

Wie in der Vergangenheit bietet auch "Gears 5" wieder zahlreiche Möglichkeiten gemeinsam zu spielen. So ist die Kampagne komplett zu dritt spielbar, wobei der dritte Spieler den Roboter Jack steuert und es etwas leichter hat. Das mag einigen geübten Spielern sauer aufstoßen, ist aber für jemanden, der nicht schon seit Jahren des Nachts im Traum Waffen reinigt, vielleicht ein ganz dankbarer Einstieg. Außerdem ist natürlich der Horde-Modus wieder dabei, in dem ein 5er Team versucht 50 Wellen an Gegnern in einem extrem unübersichtlichen Areal zu überstehen, während es sich etwa mit Hilfe des "3D Druckers", dem sog. Replikator, Barrieren und Geschütztürme erstellt.

Ohne jetzt den Machern des Spiels oder den Liebhabern dieses Modus zu nahetreten zu wollen, aber die Gegner tauchen aus Ecke auf, in denen nicht einmal drei Spinnen Platz gehabt hätten, und die 50 Wellen dauern nicht nur gefühlt drei Stunden und spätestens nach 15 Minuten setzt bei mir das große Gähnen ein. Diesmal ganz neu dabei ist der Escape-Modus, in dem ein 3er Team einem Schwarm Hive entfliehen muss, nachdem sie sich absichtlich haben fangen lassen, um diesen mit einer Chemikalie verseuchen. Man ist mehr in Bewegung als bei Horde, hat aber gerade zu Anfang noch weniger Munition und sticht auf alles mit dem Messer ein. Derzeit spawnen gerne mal unüberwindbare Zusammenstellungen von Gegnern, so dass etwas Frustresistenz gefragt ist, aber der Modus kann vielleicht noch was werden.

Fazit:

Über den Versus Teil möchte ich wie üblich nichts sagen. Ich habe vor "Gears 4" die Versus Beta gespielt und festgestellt, dass ich so mies darin bin, dass ich regelmäßig das Spiel für alle Mitspieler auf meiner Seite ruiniere. Niemand starb so oft wie ich an aufgesetzten Schüssen mit der Schrotflinte, weil ich den Gegner nicht von der Seite kommen sah. Also zum Singleplayer: Für mich ist "Gears 5" in diesem Bereich das beste "Gears" aller Zeiten. Bei keinem der Xbox 360 "Gears" hatte ich die Motivation bis zum Ende zu spielen, bin aber nun mit mir am Ringen, es doch noch einmal zu probieren. Bei "Gears 4" gab es einige grausame Stellen, an denen ich dachte: "Boah, ich werf den Controller an die Wand und das Spiel aus dem Fenster."

"Gears 5" machte jedoch überwiegend richtig Laune und verschenkt nur im etwas unmotivierten dritten Akt die uneingeschränkte Empfehlung. Ich war jedenfalls diesmal so sehr dabei, dass ich total geplättet war, als die Kampagne nach weniger als 15 Stunden urplötzlich und für mich völlig unerwartet endete. Ich dachte, wir gehen jetzt noch los und polieren "dem Boss" ordentlich die Kauleiste als schon der Abspann kam. Einerseits ist es ein gutes Zeichen, dass ich weiterspielen wollte, andererseits müssen solch extreme Cliffhanger gerade bei Videospielen nicht sein, denn entweder dauert es gefühlt ewig, bis der nächste Teil erscheint, oder irgendwer bringt einen DLC für 20 € oder noch mehr in Position. Da im nächsten Jahr die neue Xbox ansteht, wäre auch so etwas wie eine "Complete Edition" zu befürchten.



  POSITIV:
  - starke Technik
  - gute Geschichte
  - viel Koop


  NEGATIV:
  - etwas kurz
  - Feinschliff fehlt