MASS EFFECT

BioWare

(23.11.2007 - Xbox 360)

(05.06.2008 - PC)

(07.12.2012 - PS3)


Nachdem "Mass Effect" bei Xboxern bereits 2007 wie eine Bombe eingeschlagen hat, wird es nun mit einigen unerfreulichen Bugs auch auf dem PC veröffentlicht. Bis endlich der erste Patch das Licht der Welt erblickte, musste ich mich mit sporadischen Abstürzen zum Desktop und Abstürzen bei jedem Taskwechsel irgendwie arrangieren. Außerdem kam es vor, dass man durch die Spielwelt fiel, Fahrstühle nicht losfuhren, sich aber auch nicht mehr öffneten, man selbst hinter einer Wand feststeckte oder die eigenen Kameraden in einem U-förmigen Levelaufbau hängenblieben, was besonders schön ist, wenn man plötzlich allein einer Übermacht gegenübersteht...

Wenn auch etwas spät beseitigt der Patch 1.02 viele dieser Probleme oder reduziert zumind. massiv deren Häufigkeit, wenn man von Taskwechseln und Fahrstühlen mal absieht. Da man aber nach wie vor in einen überraschend schweren Kampf oder für sein Fahrzeug tödliches Gelände geraten kann, sollte man sich angewöhnen oft [F6] für Quicksave zu drücken.



Aber genug des Abwatschens, denn "Mass Effect" ist alles andere als ein schlechtes Spiel. Zwar wird es wie gefühlt 50 % aller neueren Spiele von der Unreal 3 Engine angetrieben, ist aber das erste mir bekannte, in dem man seine Spielfigur und andere auch andauernd detailliert von vorne (während der Dialogsequenzen) sieht, so dass man endlich mal abseits einer Technikdemo zu sehen bekommt, welch wunderbar echte Gesichter die Engine zaubern kann, wobei nicht verschwiegen werden sollte, dass für die Gesichtsanimationen vor allen die Dingen die von OC3 Entertainment lizensierte FaceFX Software verantwortlich ist, die in der Gameengine Dinger abziehen kann, die man sonst nur in gerendertem Zwischensequenzen sieht.

In diesem Zusammenhang war ich entsprechend dankbar, dass ich bei Spielstart nicht nur die inneren Werte meiner Spielfigur (sechs Klassen, neun Lebensläufe) bestimmen dürfte, sondern mir auch eine optisch attraktive weibliche Spielfigur erstellen konnte, anstatt mit dem auf mich zunächst zu amerikanisch wirkenden und mit imaginären Bücherstapel unter den Achseln versehenden männlichen Soldaten spielen zu müssen.



Doch nun endlich zum eigentlichen Spiel: Durch die Entdeckung außerirdischer Technologie zur Reise durch Sprungtore findet sich die Menschheit auf einmal in einem Weltall voller anderer intelligenter Lebensformen wieder. Diejenigen mit stabilen politischen Verhältnissen haben sich zu etwas ähnlichem wie den Vereinten Nationen zusammengeschlossen. Im obersten Gremium (Citadel Council) sind lediglich die drei einflussreichsten Rassen vertreten: Die Asari, die Salarianer und die Turianer. Wie wir Menschen, die Emporkömmlinge der Spielwelt, nun mal sind, wollen wir auch einen Platz dort haben.

So kommt es, wie es kommen soll: Als Quasibewerbung für das Council hat die eigene Spielfigur als erster Mensch im Rang eines Doppelnullagenten, eines sog. Spectre, der nur dem Council unterstellt ist, zu zeigen, wozu wir Menschen fähig sind. Wie üblich läuft es dann alles anders: Noch bevor man sich mit der Bergung eines Artefakts auf einem von Menschen besiedelten Planeten am Rand der sicheren Zone unter den Augen des Spectre Nihlus beweisen kann, wird dieser von einem anderen Spectre namens Saren getötet. Der eigene Trupp steht wenig glaubwürdig mit seiner Geschichte vor dem Council da, also heißt es abkotzen und Beweise sammeln, um sich zu rehabilitieren.



Faktisch läuft dies so ab, dass man multiple Choicegespräche führt und dann, wenn reden einen nicht weiterbringt, mit der Unterstützung zweier Squadmitglieder die Gegner in einer über die Schulter Perspektive umlegt.
Da mich "Star Wars: Knights of the Old Republic" (2003) nicht in seinen Bann gezogen hat und ich damals auch nicht über einen genügend schnellen Rechner verfügte, möge man mir im Folgenden verziehen, dass ich keine Vergleiche in diese Richtung anstelle.

Anders als üblich sind in den Dialogen die Wahlmöglichkeiten nicht Wort für Wort vorgegeben, sondern lediglich an einem Auswahlrädchen die Worte aufgelistet, die einem als erstes durch den Kopf schießen könnten, wenn man seinem Gegenüber zuhört. Wenn einem z.B. jemand gerade erzählt, dass Orange das neue Pink wäre, dann ist dort gelistet: "Sehe ich genauso", "Woher hast Du diese Information" und "Du laberst nur Scheiße". Wie sich schnell herausstellt, ist dies eine schlichtweg geniale Idee!



Eine Antwort links wird die Kommunikation eher vorantreiben, rechts eher beenden. Die Antworten oben sind freundlich, die in der Mitte sachlich und die unten schon hart an der Grenze dessen, was man von sich geben kann, wenn man nicht fett was aufs Maul will. Auch wenn das Spiel die einzelnen Gesprächspartner sehr schön simuliert, kann man sich relativ sicher sein, dass man in den Gesprächen das erreicht, was man erreichen will. Anders als bei "The Witcher" (2007) oder "Deus Ex" (2000) kann man die Handlung selten im ganz großen Rahmen beeinflussen und wird auch nicht (positiv) überrascht, dass sich die eigenen Aktionen erst Stunden später auswirken.

Dass der Kampf und damit die Ausrüstung und die Talente der Spielfiguren einen so großen Stellenwert einnehmen, hätte ich zu Anfang nicht vermutet, aber man verbringt tatsächlich viel Zeit damit, andere Wesen ins Jenseits zu befördern. Oftmals entscheidet der richtige Einsatz der Talente den Kampf gegen die regelmäßige Übermacht an Gegnern, um z.B. die besonders gut gepanzerte Widersacher solange aus dem Verkehr zu ziehen, bis man ihnen die volle Kraft der drei Wummen widmen kann ohne von dem Kleinkram flankiert zu werden. Falls es mal zu hektisch wird, kann das Spiel hierzu auch jederzeit mit der Leertaste pausiert werden. Mir persönlich machen die Kämpfe deutlich mehr Spaß als etwa die Feuergefechte in der "Call of Duty"-Reihe.



Während meine zwei Begleiter ihre Talente in der Regel sehr gut selbständig einsetzten, schadet es nicht, wenn man ihnen ab und an Plätze hinter zwei Containern anstatt davor per Hand zuweist, wenn sie einem zunächst etwas forsch gefolgt sind. Zwar gibt es im späteren Spiel die Möglichkeit auch während eines Kampfes seine Mitstreiter periodisch wiederzubeleben, aber trotzdem macht man sich das Leben als Einzelkämpfer nur unnötig schwer.

Als nette Abwechslung von diesen zwei Grundpfeilern des Spiels, habe ich sowohl die Reise auf der galaktischen Karte mit dem Raumschiff als auch die Reise auf den Planetenoberflächen mit dem schwerbewaffneten und doch sprungfähigen Mako empfunden, der das gute alte hau drauf und Schluss Gefühl fantastisch rüberbringt. Über die galaktische Karte steuert man ebenso elegant wie nebenbei, in welcher Reihenfolge man die Hauptmissionen angehen und wieviele der jeder für sich guten aber insgesamt gesehen zu eintönigen Nebenmissionen man für mehr Geld, Ausrüstung und einen höheren Charakterlevel in die Handlung einschieben möchte.



Auch wenn die Steuerung für die PC Version überarbeitet wurde, kann sie zu keiner Zeit ihre Konsolenherkunft verbergen. Im Konsolenlager wird anscheinend auch heute noch davon ausgegangen, dass ein Spiel mittels riesiger Anzeigen auch auf einem handflächen großen Fernseher spielbar sein muss. Dies allein wäre nicht weiter schlimm gewesen, wenn es nicht so umständlich und häufig nötig wäre z.B. zwischen Talenten und Ausrüstung zu wechseln, indem bereits im Ausrüstungsbildschirm erkennbar wäre, mit welchen Waffen meine Figur und ihre Begleiter umgehen können und mit welchen nicht.

Es ist schlimm genug, dass ich dies nicht weiß, aber dass meine computergesteuerten Begleiter es auch nicht wissen, geht eindeutig zu weit. Erst nach der Hälfte des Spiels fiel mir auf, dass die Deppen immer wieder Waffen ziehen, mit denen sie nicht mal eine Scheune aus zwei Meter Entfernung treffen würden. Eine Möglichkeit dies von vornherein zu umgehen, gibt es nicht. Jede der sechs Charakterklassen trägt immer alle vier Waffengattungen mit sich herum, obwohl im Schnitt nicht mal zwei beherscht werden.



Ich hoffe, niemand hat dieses Spiel auf Deutsch gespielt. Du meine Fresse: Die Sprecher im englischen Original sind so genial und im deutschen so mittelmäßig, dass es einem die Schuhe auszieht. Besonders weit von der Qualität des Originals ist ausgerechnet der weiblichen Hauptcharakter entfernt. Noch schlimmer ist allerdings, dass sich vor den Aufnahmen zur deutschen Version wohl niemand angehört hat, wie man die Originalnamen ausspricht: Aus Sä-ren wurde Sa-ren, aus Tar-zo-ni wurde Tso-ni, aus Geff wurde Geet usw. *schüttel*

An der Originalversion kann ich lediglich bemängeln, dass dass bei den Sprachsamples einige durchgerutscht sind, die so leise daherkommen, dass sie in der Musik etwas untergehen. Die Synchronisation zum Bild und die Betonung ist ansonsten so fantastisch, dass man wirklich das Gefühl hat, dass nicht einfach Figuren aus Bits und Bytes mit einem reden sondern lebende Organismen, was ungemein zur persönlichen Bindung beiträgt. Bereits nach wenigen Spielstunden träumt man praktisch idiotensicher von dem Spiel.



Grafisch ist "Mass Effect" eine sehr zwiespältige Angelegenheit. Einerseits bewundere ich das realistische und fast immer stimmige Design, das berücksichtigt, dass bei der Kolonisierung fremder Planeten zweckmäßige Bauten in geringer Zeit, günstig und mit wenig Aufwand errichtet werden müssen und keine Resourcen darauf verschwendet werden können, Industrieanlagen ihr unmenschliches Aussehen zu nehmen. Andererseits gibt es aus genau diesem Grund wenig zu sehen, was einem in Erinnerung bleibt - es sei denn, man hat es mit Bodentexturen. Da die Figuren während der Dialoge so wunderbar lebensecht wirken, erscheinen einem manche Animation im Kampf irgendwo knapp über "Quake Arena"-Niveau von 1999 gleich doppelt schwach.

Anstatt bei einem Besuch auf der Erde und den Heimatwelten der Asari, Salarianer und Turianer als Kontrast auch einmal aufwendig gestaltete Städte zu zeigen, treibt man sich bestenfalls auf der Raumstation Citadel herum. Angeblich ist das Ding 44,7 km lang, 12,8 km breit und soll 13,2 Millionen Lebewesen beherbergen. Gesehen habe ich aber nur etwa das Areal eines großen Hallenbades, dass in seiner Konzeptlosigkeit von einem Menschen errichtet worden sein muss, der mit dem Strom aus zwei Zitronen wiederbelebt wurde, lange nachdem Tiere bereits angefangen haben, an ihm zu nagen.



Spiele mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden machen mich immer äußerst skeptisch, wie es mit der Balance bestellt ist. Umso mehr wenn weder im Spiel selbst noch in der Anleitung erklärt wird, was ich mir denn darunter vorzustellen habe, wenn die Kämpfe "leicht" bis "Wahnsinn" sind. BioWare ist hier den Weg der größtmöglichen spielerischen Freiheit gegangen und hat den Gegnerlevel abhängig von der Spielfigur festgelegt, so dass jede Mission zu jeder Zeit relativ gleich schwer ist. So hat ein Standardgegner auf leicht 10 % der eigenen Stufe, auf Veteran dann 50 % und auf Wahnsinn schließlich 100 %. Zum Glück kann der Schwierigkeitsgrad auch nach dem Spielstart noch geändert werden, wenn das eigene Unvermögen oder die falsche Squadzusammenstellung dies notwendig werden lassen.

Was bei "Mass Effect" einfach stimmt, ist der sogenannte Flow. Egal was man gerade tut, immer wenn das Spielgeschehen droht eintönig zu werden, wechselt z.B. eine Kampfphase mit einer Dialogphase ab, die die Handlung weiter vorantreibt. Auch wenn man denkt, man hat die Crew endlich unter einen Hut bekommen, gibt es schon wieder andere Probleme.



Unter echter Zugänglichkeit stelle ich mir allerdings etwas anderes vor. Die erste Mission ist auch als Tutorial gedacht, aber man wird mit Informationen geradezu erschlagen. Benutz folgende Waffe so, lass ein Squadmitglied dies machen, lies im Codex (Lexikon) die weiteren Informationen nach etc. pp. Spätestens, wenn man mit unnötig vielen Clicks versuchen soll eine Erweiterung in seine Waffe einzubauen, ist man einfach nicht mehr aufnahmefähig, klickt sich nur noch durch die verschiedenen Screens und weiß danach nicht mehr, was man eigentlich gerade gemacht hat. Dabei ist die Nummer völlig unnötig, denn es hat sich mir mit der Zeit auch so alles erschlossen. Das Handbuch kratzt wie so oft nur an der Oberfläche.

Für die Handlung von "Mass Effect" habe ich nichts als das allergrößte Lob übrig. Obwohl als Triologie geplant, wird hier eine abgeschlossene und wendungsreiche Geschichte mit durchweg starken Charakteren erzählt, die es mit absolut jedem Science Fiction Film oder Buch aufnehmen kann. Da das Spiel in meinen Augen aber praktisch ganz von seiner Geschichte lebt und Wiederspielwert zum großen Teil vom Verhalten des eigenen Charakters abhängt, könnte ich leider nicht viel mehr erzählen, als was ich weiter oben schon geschrieben habe, ohne zuviel zu verraten. Nur soviel noch: Es ist alles immer noch sehr viel gemeiner als man denkt.



So stark wie die Story ist, so relativ seicht ist eigentlich das restliche Regelwerk, das aber unheimlich kompliziert dargestellt wird. Verglichen etwa mit "Drakensang", sieht es für "Mass Effect" nicht besonders gut aus. Das Spiel erinnert mich mit seiner teils aufgesetzten Komplexität mit hunderten von Waffen, Verbesserungen und Rüstungen fatal an "Spellforce 2 - Shadow Wars" (2006), insbesondere da wie vorher schon beschrieben der Schwierigkeitsgrad an den Level der eigenen Figur gebunden ist.

Man mag sich streiten, ob die gefühlte Freiheit für den Spieler diesen Trick rechtfertigt. Ich habe insgesamt sicherlich eine Stunde pro Durchlauf unnütz mit dem Jonglieren der Ausrüstung verbracht, obwohl keine der Waffen irgendwelche besonderen Fähigkeiten bot oder Taktiken eröffnete und somit absolut jeder Vollidiot die nächstbessere Waffe hätte auswählen können. Der Inventarbildschirm mit Tendenz zum Sichtschlitz eines Panzerfahrers wäre mir häufiger erspart geblieben und stattdessen hätte man wirklich etwas aus den Talenten der Figur machen können, die einen Furz gegen Talente aus dem steinalten "Diablo II - Lord of Destruction" (2001) sind.



Die Spieldauer hängt stark davon ab, ob man sich mit irgendwelchen Nebenschauplätzen beschäftigen will oder nicht. Wer ausschließlich der Haupthandlung folgt, wird auf normaler Spielstufe nach etwa 15 Stunden den Abspann sehen. Ich habe inkl. aller Nebenmissionen beim ersten Besuch der Raumstation Citadel, einiger Nebenmissionen im späteren Spielverlauf und gefühlt tausend Toden bei drei Kämpfen gut 30 Stunden gebraucht. Vermutlich gibt das Spiel sogar über 40 Stunden her, wenn man alles mitnimmt, erfüllend ist dies aber nicht, da die Nebenmissionen zwar keine Katastrophe sind aber außer der nachgereichten "Bring Down The Sky"-Mission auch nicht den letzten Pepp haben.

Fazit:
Letztlich habe ich das Spiel innerhalb eines Jahres insgesamt dreimal durchgespielt. Der Anfang war beim zweiten und dritten Mal etwas dröge solange man nur Handlanger ist, danach aber zieht es wie beim ersten Mal in den Bann. Die Kämpfe machen einfach wesentlich mehr Spaß als jeder mir bekannte Egoshooter und spielen sich je nach Charakterklasse auch entsprechend verschieden.



Es täte mich extrem überraschen, wenn Teil 2 und 3 irgendwelche konzeptionellen Änderungen mit sich bringen würden. Sofern mir keine Gerüchte zu Ohren kommen, dass die Geschichte plötzlich nichts mehr taugt, schlage ich am Erstverkaufstag wieder zu, denn Chiori kann als Charakter übernommen werden und brennt darauf, wieder die Galaxie zu retten - und dumpfbackige Zeitgenossen sterben zu lassen.


Steuerung (15%):
Grafik (15%):
Balance (15%):
Handlung (15%):
Sound (10%):
Zugänglichkeit (10%):
Komplexität (10%):
Spieldauer (10%):


Minimale Konfiguration
des Herstellers:

640 x 480 x 32 und
minimale Details

Pentium 4 2,4 GHz
GeForce 6800 GT
1 GB RAM
Windows XP
Internet (Aktivierung)

Empfohlene Konfiguration
des Herstellers:

1280 x 1024 x 32 und
maximale Details

Pentium 4 2,6 GHz
GeForce 7900 GTX
2 GB RAM
Windows Vista
Internet (Aktivierung)

Meine empfohlene
Konfiguration:

1680 x 1050 x 32 und
max. Details, 4x AA, 8x AF

Core 2 Duo E4600
GeForce 8800 GT
1,5 GB RAM
Windows XP
Internet (Aktivierung)