DRAGON'S DOGMA

Capcom

(25.05.2012)

auch veröffentlicht auf PS4,
Switch, Xbox 360 u. Xbox One


"Dead Island" war zu Recht der Geheimtipp des Jahres 2011 (in Deutschland wegen Indizierung wirklich verdammt geheim) und so hoffte ich, da 2012 "Dragon's Dogma" oft dieses Label erhielt, wieder ein starkes Spiel ohne Nummer im Namen in den Händen halten zu können. Die erste Demo war jedoch so erschreckend schlecht, dass ich mich monatelang zu keinem Kauf durchringen konnte. Letztlich war Evil Jens so nett ein gebrauchtes Exemplar mitzubringen und sich mit mir auch noch durch die ersten Spielstunden zu kämpfen.

Den Großteil von "Dragon's Dogma" muss man sich wie eine Mischung aus einem Teil "Dragon Age: Origins" (2010) und drei Teilen "The Elder Scrolls V: Skyrim" (2011) vorstellen - leider ohne auch nur in einem Bereich ganz an die Qualität der Vorbilder ranzureichen. Scheint den Verkaufszahlen aber keinen großen Abbruch getan zu haben, denn Capcom hat bereits zwei Monate nach der Veröffentlichung die Arbeiten zu einem Nachfolger angeschoben.

Vasallen aus einer anderen Dimension

"Dragon's Dogma" kann sich aber auch eine echte Innovation - wenn man das denn so nennen will - auf die Fahnen schreiben, das sog. Vasallensystem. Anders als etwa in "Dragon Age: Origins" trifft man nicht auf NPCs, die sich einem und der Sache anschließen, sondern man zwangsrekrutiert einfach Vasallen aus einer anderen Dimension, die man nicht einmal bezahlen muss und gegen den optionalen Einsatz von Riftkristallen (Beschwörungspunkten) auch weit über den eigenen Charakterlevel sein können. Zwar sehen diese Vasallen wie Menschen aus, absolvieren aber willen- und in meinen Augen lustlos stundenlang auch die längsten Laufwege neben mir ohne einmal zu murren.

Auf diese Art und Weise schafft es "Dragon's Dogma" im ersten Moment wie ein partybasierendes Rollenspiel zu wirken und kommt doch ohne Dialoge und mit zunächst wenig Handlung aus. Wer hingegen wie ich Handlung und Dialoge sehr schätz, der fragt sich spätestens nach zehn Stunden eher grindiger Aktion: "Was mache ich hier eigentlich?" Da hilft es logischerweise auch nicht gerade, dass die paar Brocken tatsächlich vorhandener Handlung in den ersten zwei Dritteln des Spiels mit sehr wechselhafter Qualität dargeboten werden, die von internationaler Klasse bis zu einer Schublade reicht, für die sich jedes Onlinerollenspiel schämen würde.

Besonders im Gedächtnis hängengeblieben ist mir eine Quest, in der ich die Schuld oder Unschuld eines reichen Kaufmannes beweisen soll. Der Schuld- oder Freispruch wird am Ende der Quest öffentlich auf dem Markplatz der Hauptstadt verkündet - ich war also gespannt, ob hier ein ähnlicher Spaß wie im ersten Akt von "The Witcher 2" (2011) auf mich warten würde. Stattdessen seiert ein Ausrufer in der Animationsqualität von übervorgestern einen Monolog vor folgende Menschemenge runter: Dem Kaufmann, einer Wache und etwa drei bis vier sterbensgelangweilten Bürgern. SAGENHAFT!!! Man braucht kein Experte zu sein, um zu sehen, dass diese Szene einfach nur hingeschissen wurde.

Autark wie sinnfrei

Ich will gar nicht so tun, als wenn "Dragon's Dogma" nicht auch seine wirklich guten Seiten hätte. Gerade in den ersten Stunden machen die Kämpfe gegen Gruppen von Gegnern und besonders gegen haushohe oder fliegende Monster eine Menge Laune und nachts im Wald bekommt man so richtig Schiss, nur leider ist der Lack irgendwann ein Bisschen ab, wenn man merkt, dass etwa die Hauptstadt furchtbar leer in der Gegend herumsteht oder das Kampfsystem zwar durchaus seine theoretische Tiefe besitzt, wenn es einem nur leichter gelingen würde, einen Überblick über die neun Charakterklassen zu erhalten und gezielte Aktionen bezüglich des Zusammenspiels der Figuren auszulösen.

Mein Hauptvasall und bis zu zwei weitere Vasallen, mit denen man herumzieht, verhalten sich in Kämpfen nämlich äußerst autark und gern auch völlig sinnfrei. So nehmen etwa Fernkämpfer dank suizidaler Tendenzen den Kampf gegen eine Übermacht auf, indem sie sich in deren Mitte stellen. Oder ein Golem, der nur an bestimmten leuchtenen Punkten an seinem Oberkörper überhaupt verletzt werden kann, wird stundenlang in Kniehöhe angegangen, und wenn ich dann, um die Sache zu Ende zu bringen, mühsam auf den Rücken des Golems geklettert bin, wischt mich einer meiner Mitstreiter mit einem Flächenangriff Marke Wirbelwind wieder herunter.

Und tot bist Du!

Auf lange Sicht setzt dem Spiel aber nichts so sehr zu wie die Momente, in denen die Balance geradezu aus der Spielspaßhölle zu kommen scheint. Zum einen stehen pro Spielfigur nur sechs Fähigkeiten gleichzeitig zur Verfügung, deren Zusammenstellung ich, bis ich einen Portalsteinsplitter finde, lediglich nach langem Fußmarsch in Gasthäusern ändern kann, was einen in etwa so flexibel agieren lässt wie eine Bowlingkugel. Zum anderen gibt es aber pro Berufung um die 40 Fähigkeiten, nur hat es kaum eine davon für einen Standardkampf im Ei. Als Strider ausgerüstet mit Kurzbogen und Dolchen konnte ich auf meiner Maximalstufe genau vier entdecken, die tatsächlich größeren Schaden beim Gegner anrichteten oder sonstwie sinvoll waren.

Weil das an Unwegsamkeiten noch nicht reicht, zieht die Gegnerstärke gern mal sprungartig an, nur um dann ebenso ansatzlos wieder abzufallen, ohne dass ich nachvollziehen konnte, womit ich dies verdient hätte. Während ich die Hauptquest verfolgte, wechselten die Gegnergruppen innerhalb von 200 Spielweltmetern von Kinderspiel zu auch im dritten Versuch mit der dritten Taktik absolut tödlich - auf dem einfachsten Schwierigkeitsgrad wohlgemerkt. Nachdem ich ausschließen konnte, dass es alternative Wege zum Zielort gab, war ich eigentlich schon versucht für immer hinzuschmeißen.

Ein Kommen und Gehen

Doch dann kam mir Kollege Zufall zur Hilfe: Während ich etwa 20 Stunden nicht spielte, war mein Hauptvasall von zwei anderen Spielern rekrutiert wurden. Als mein Hauptcharakter sich das nächste Mal in einem Gasthaus ausruhte, wurde mir erzählt, dass mein Vasall unglaubliche Abenteuer bestanden haben muss, für die er mit 32.000 Beschwörungspunkten belohnt wurde, was etwa der dreifachen Menge entsprach, die ich im bisherigen Spiel insgesamt erhalten hatte. Mit diesen Punkten konnte ich mir dann zwei Vasallen um die 15 Level über mir rekrutieren und tatsächlich die Hauptquest doch noch erfolgreich fortsetzen.

Da die Nummer an sich aber noch nicht schräg genug war, verließ mich einer der sauteuren Vasallen ein paar Stunden später ohne Vorwarnung wieder, weil es sich dabei wiederum um den realen Hauptvasall eines anderen Spielers handelte. Ich nehme an, dass eine Veränderung am Vasall wie etwa der Wechsel der Charakterklasse zu diesem Eingriff in mein Spiel geführt hat, erklärt wurde es mir nicht und es ist mir mittlerweile echt zu dumm, dass (gerade japanische) Wirrköpfe erwarten, dass ich mich permanent im Internet über Designschnitzer oder auch Storylücken aufschlaue.

Das große Finale

Wer gut aufgepasst hat, wird sich erinnern, dass ich mich weiter oben auf die ersten zwei Dritteln des Spiels bezogen habe. Das liegt daran, dass das letzte Drittel (gemessen an der Dauer der Hauptquestreihe) qualitativ stark anzieht und besonders der Kampf gegen den namensgebenden Drachen zu einem der besten Bosskämpfe gehört, die es im Videospielbereich gibt: Grafik, Sound, Handlung, Abwechslung, bei dieser epischen Auseinandersetzung stimmt einfach alles. Wäre das Spiel immer auf diesem Niveau, eine 8er Wertung wäre ihm sicher.

Obwohl nach dem Kampf mit dem Drachen so etwas wie ein Abspann über den Bildschirm flackert, ist das Spiel aber überraschenderweise noch eine ganze Weile nicht vorbei, aber weitere Informationen zur Handlung kann ich an dieser Stelle nicht geben, ohne in die große Spoilerfalle zu tappen.

Fazit:

"Dragon's Dogma" wirft jede Menge Konzepte in die Runde und bringt dann kaum eines zur Marktreife. Würde das Skillsystem oder wenigstens die KI der eigenen Mitstreiter zuverlässig funktionieren, hätte ich sicherlich einiges mehr an Spaß gehabt. So ging mir die Wegwerfhandlung in der Spielmitte und die unterdurchschnittliche Technik, die gern mal polygonarme Gebilde mit langweiligen Texturen versieht, zu sehr auf den Zeiger, als dass ich stundenlang die Nebenquests absolvieren möchte.



  POSITIV:
  - viele starke Kämpfe
  - besseres letztes 1/3


  NEGATIV:
  - plötzlich bockschwer
  - technisch wechselhaft
  - seltsame KI Mitstreiter
  - Klassen schlecht erklärt
  - Handlung setzt oft aus
  - dröge Nebenquests