DRAGON AGE:
Origins
Ultimate Editon

BioWare

(16.12.2010)

auch veröffentlicht auf
PlayStation 3 und Xbox 360


BioWare und ich - das sind zwei, die sich erst nach vielen Jahren gefunden haben. "Baldur's Gate" (1998) oder auch "Star Wars: Knights of the Old Republic" (2003) habe ich alle gespielt - und nach wenigen Stunden bereits wieder deinstalliert, weil ich diese höchstgelobten und sehr erfolgreichen Spiele in erster Linie nur als kreuzlangweilige Lizenzkacke empfunden habe.

So richtig stark fand ich erst das im November 2007 auf Xbox 360 veröffentlichte "Mass Effect" (ME). "ME" nahm den Spieler trotz einiger Nicklichkeiten in der gebotenen Science Fiction Welt auf Grundlage der Unreal 3 Engine von Epic völlig gefangen. Lustig nur, dass CD Projekt RED mit "The Witcher" noch einen Monat vor "ME" mit der von BioWare lizenzierten Aurora Engine alles eine Ecke besser machte. - Das muss BioWare dann doch etwas geärgert haben...

BioWare in Höchstform

Aber egal, ob ich damit nun richtig liege oder nicht: Wichtig ist nur, dass BioWare mit "Dragon Age: Origins" (DA:O) in der vorliegenden "Ultimate Edition" ihr opus magnus im Bereich des klassischen Gruppenrollenspiels veröffentlichten, weil sie endlich richtig durchgezogen haben und keine Kompromisse eingegangen sind.

Dies fängt bei der brutalen, nicht jugendfreien aber durchaus realistischen Darstellung der Kämpfe an und gipfelt mit Sahnecharakteren in einer Überstory, die über die gesamte Spielzeit von mind. 60 Stunden allein für das Hauptspiel zu keiner Sekunde an Fahrt verliert. Zwar kann sich das Spiel ähnlich wie schon "World of Warcraft" (2004) keine großen Innovationen auf die Fahnen schreiben, aber es wurden endlich die üblichen Fehler ausgemerzt und bestehende Konzepte entsprechend perfektioniert.

Woher kommst Du?

Dies zeigt sich besonders in den namensgebenden "Origins Stories": Anstatt mit einem Charakter ohne großartige Fähigkeiten immer wieder das gleiche Tutoriallevel zu durchlaufen, bietet "DA:O" gleich sechs verschiedene Anfänge mit bis zu zwei Stunden Spieldauer für Magier, adlige Menschen, adlige und kastenlose Zwerge, sowie Stadt- und nomadische Elfen. Hierdurch erhält man ein sehr gutes Gefühl dafür, welche Rolle der eigene Charakter im Land Ferelden spielt.

Wie in "ME" gesellen sich schnell weitere Mitstreiter zu meinem Hauptcharakter, die mit ganz eigenen Ansichten ihre eigenen Ziele verfolgen - und sich durchaus auch wieder verabschieden, wenn sie meine Handlungen nicht billigen. Anders als in "ME" erfolgt die Steuerung der bis zu drei Mitstreiter in den Kämpfen jedoch vollumfänglich, sprich ich kann jeden Begleiter genau so steuern, wie ich dies auch mit meiner Hauptfigur kann.

Singleplayer Instanz

Dadurch spielen sich die Kämpfe, die je nach Schwierigkeitsgrad 30 bis 50 % der Spieldauer ausmachen und in denen jederzeit pausiert werden kann, nicht unähnlich einer "World of WarCraft" Instanz. Die verwendeten Kampfmechanismen sind ebenfalls die gleichen. So besteht eine ausgewogene Mannschaft auch hier aus einem Tank, einem Heiler und Austeilern - und entsprechend finden sich Aggroerzeuger, Buffs, Crowdcontrolfähigkeiten, Fallen, Flächenzauber, Gestaltwandlung und Gifte im Repoirtoire der Helden.

Damit die Kämpfe jedoch zumind. auf den ersten beiden Schwierigkeitsgraden nicht auch in die vierfache Arbeit ausarten und sich einigermaßen flüssig spielen, hat BioWare eine einfach zu bedienende und doch mächtige Wenn..., dann... Automatik für die Helden, die man gerade nicht steuert, eingebaut. Das Bild unten zeigt die Einstellungen, die ich nach ein paar Stunden für einen Tank für richtig hielt (*schäm*).

Das Ende der Welt, wie wir sie kennen

Viel wichtiger als der Kampf selbst ist jedoch weshalb man kämpft. "DA:O" verschont einen sowohl mit billigen Sammelquests als auch mit der Suche nach dem Megatötschwert, sondern bettet fast jeden Schritt in die große Aufgabe ein, die da lautet die Darkspawninvasion aufzuhalten - und zwar koste es, was es wolle.

Konkret bedeutet dies, dass man die Armeen von Elfen, Magiern, Menschen und Zwergen hinter sich scharen muss, indem man die Probleme, die die jeweilige Fraktion gerade beutelt, zum eigenen Vorteil löst. Den Zwergen etwa ist gerade ihr König gestorben und um die Nachfolge herrscht zwischen zwei Kandidaten eine Pattsituation, während der sich die Zwerge praktisch vollkommen von der Außenwelt abschotten und sich einen Scheißdreck für mein Hilfegesuch interessieren.

Was willst Du denn?

Gerade als Mensch oder Elf, der weder mit dem Kastensystem noch mit den sonstigen Geflogenheiten der Zwerge besonders vertraut ist, kann man nur schwer beurteilen, welcher der beiden Kandidaten der Bessere ist, ja was überhaupt für die Zwerge unter den gegebenen Umständen das Beste ist, denn offensichtliche Schwarzweißmalerei ist dem Spiel fremd.

Wie gewohnt trifft man die wesentlichen Entscheidungen in brillanten Multiplechoicedialogen, in denen leider anders als in "The Witcher" und "ME" die eigene Spielfigur nicht vertont ist. Der Aufwand wäre mit sechs Sprechern für je zwei Geschlechter und drei Rassen aber wahrscheinlich zu viel des Guten gewesen, den wir reden hier bei der Textmenge nicht von einem Hollywood Actionfilm sondern von knapp 70.000 Dialogzeilen. Je ein weiblicher und ein männlichen Sprecher hätten aber drin sein dürfen (seufz!).

Leider keine Unreal Engine

Wie üblich weniger verständlich ist die unterirdische Qualität der deutschen Fassung, die man dringend meiden sollte, so man nur irgendwie des Englischen ausreichend mächtig ist. Ein ganz kleiner Wermutstropfen ist leider die Grafik. Während mir persönlich einige zweitklassige Texturen und teils polygonarme Landschaften nicht die Petersilie verhageln, empfinde ich das Design von der Kleidung, über die Landschaft bis hin zur Architektur im Hauptspiel (die Erweiterung "Awakening" ist deutlich besser) als ungeheuer generisch oder noch direkter ausgedrückt als peinliche Kopie der Filme, in denen ein gewisser Frodo vorkommt.

Zum Glück wird dies durch gute Zaubereffekte, geschmeidige Kämpfe und sehr gut animierte Gesichter fast wieder ausgeglichen, wobei nicht ganz die Brillanz der Gesichter der Unreal 3 Engine aus "ME" erreicht wird.

Keine perfekte Balance

Der zweite kleine Patzer betrifft die Balance: Zum einen habe ich es trotz mittlerweile einiger Erfahrung mit ähnlichen Spielen beim ersten Durchlauf geschafft, mich etwa nach einem Viertel des Spiels so derbe zu verskillen, dass ich Zwischenbosse auf dem als normal bezeichneten Schwierigkeitsgrad nur noch mit Biegen und Brechen und vielen Heiltränken in den Sand bekommen habe.

Und auf der anderen Seite hätten einige Areale trotz ihres schlauchartigen Aufbaus ruhig etwas kleiner ausfallen können, um zum einen die Anzahl der Standardkämpfe zu drücken und zum anderen die Gegenden auch wesentlich glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Besonders in der Erweiterung "Awakening" wurden zwar die Areale von ihrer Übergröße und zu vielen Standardkämpfen befreit und wirken nun glaubwürdiger, was mich einen Punkt bei der Wertung draufsatteln ließe, aber dafür darf ich gleich zwei wieder abziehen, da ich selbst auf der zweitschwersten Stufe lediglich bei der finalen Konfrontation gestorben bin.

Dies liegt daran, dass die Kriegerklasse, selbst wenn sie kein Schild benutzt, nicht ernsthaft gefährdet wird. Ein Krieger mit zwei Waffen tötet mit der Fähigkeit "Unending Flurry" praktisch jeden Gegner innerhalb weniger Sekunden und selbst Bossgegner können sich von der Hälfte ihrer Lebenspunkte verabschieden.

Fazit:

"DA:O" ist eines der besten Computerspiele (für alte Hasen). Kein Spiel verstand es zuvor, einem so viele lebendig wirkende, witzige und interessante computergesteuerte Charaktere zur Seite zu stellen. Nur wenige Spiele wie etwa "Diablo II - Lord of Destruction" (2001) haben ein so ausgezeichnetes Kampfsystem wie dieses BioWare Werk. Und kaum ein Spiel geht so kompromislos und scheuklappenfrei zu Werke und wischt dabei mit den typischen "Der Herr der Ringe" Blümchenwelten den Boden auf.

Wer Angst hat, dass er sich mit "DA:O" vielleicht ein zu komplexes Spiel aufbürdet, den kann ich beruhigen. Die Dokumentation sowohl innerhalb des Spiels im sog. Codex wie als auch außerhalb ist vorbildlich. Auch wenn EA die ursprüngliche Anleitung von 50 klein bedruckten für die "Ultimate Edition" auf 34 normale Seiten verkürzt hat, bekommt man immer noch eine verständliche, gut geschriebene Anleitung, die alle wichtigen Punkte anspricht und einen sofort heiß auf das Spiel macht.

Die angesprochenen Kritikpunkte sind genaugenommen alles Peanuts, denn es gibt derzeit mit "The Witcher" nur ein anderes längeres Spiel, dass über die gesamte Spielzeit - was hier etwa 80 Stunden auf normaler Spielstufe inkl. aller Erweiterungen beim ersten Durchlauf entspricht - auf solch konstant hohem Niveau zu unterhalten weiß - und einen danach sofort wieder anfangen lässt, um herauszufinden, welche Änderungen die Geschichte aufgrund einer anderen Wahl bei Klasse, Rasse, Geschlecht und Dialogen erfährt.

Selbst Konsoleros kann ich die jeweiligen Versionen für Playstation 3 und Xbox 360 guten Gewissens empfehlen, da diese durch recht gelungene konsolenspezifische Anpassungen mit nur geringen Einbußen bei Steuerung und etwas größeren aber irgendwie unvermeidlichen bei der Grafik umgesetzt wurden. Wer die Entstehungsgeschichte von "DA:O" kennt, weiß, dass eine Konsolenversion lediglich eine Option für später war und erst nach der Übernahme durch EA die Arbeiten mit Hilfe des Studios Edge of Reality daran Fahrt aufnahmen. Am Ende wurde die PC Version über ein halbes Jahr verschoben wurde, damit die Konsolenversionen gleichzeitig mit dieser erscheinen konnten.



  POSITIV:
  - Dark Fantasy Meisterwerk
  - super KI Begleiter
  - fühlt sich echt an
  - excellentes Kampfsystem


  NEGATIV:
  - unorginelles Design
  - Balanceprobleme