DIVINITY II:
Ego Draconis

Larian Studios

(24.07.2009)

auch veröffentlicht auf
Xbox 360


Ich gebe zu, ich will mich hier nicht ewig lange aufhalten, denn "Divinity II: Ego Draconis" wird die unrühmliche Ehre zu Teil, dass es seit "Hellgate: London" (2007), was immerhin knapp zwei Jahre her ist, das erste Spiel ist, das man in relativ geringer Zeit durchspielen kann, ich aber nicht durchgespielt habe.

Ähnlich wie damals "Hellgate: London" handelt es sich bei "Divinity II" um kein durchweg schlechtes Spiel, nur irgendwann erwürgt die Summe der Patzer mir den Spielspaß zu sehr. Zunächst ist erst einmal alles im grünen Bereich: In einem Minitutorial wird man erfolgreich und geschickt in der Spielwelt als angehender Drachentöter verankert und ist gern bereit die drittklassigen Animationen der eigenen Spielfigur und der Gegner zu übersehen.

Wo ist der Drache?

Die Ausbildung - zunächst wahlweise als Magier, Fern- oder Nahkämpfer - ist noch nicht ganz durchlaufen, da mahnt meine Vorgesetzte Kommandantin Rhoda zur Eile, denn im Trümmertal wurde ein Drache gesichtet. Da die Dinger mittlerweile so selten sind und der Drachentöterclub deshalb eigentlich schon Auflösungserscheinungen zeigen müsste, sind alle ganz aus dem Häuschen.

Da jedoch den einfachen Leuten der Welt Rivellon aufgrund äußerster Beschränktheit nicht getraut werden kann, soll ich erstmal, sobald wir im Trümmertal angekommen sind, die Dorfbebewohner befragen, ob sie auch tatsächlich einen Drachen und wo denn genau gesehen haben.

Ich bring die Quests nicht zuende...

Dabei sammelt man dann schnell eine handvoll weiterer Quests ein, von denen ich aber die Hälfte nicht lösen konnte. Zum einen war ein Teil schlichtweg verbuggt: Ich stand mit den benötigten Questgegenständen vor dem NPC, aber egal was ich dann auch tat, der NPC interessierte sich nicht mehr für die Quest, die er mir erst wenige Minuten zuvor verpasst hatte.

Zum anderen sind die Beschreibungen im Questlog, wie und vor allen Dingen wo zum Henker ich etwas tun soll in Verbindung mit der mit großen Abstand grottigsten Karte seit Jahren, zum aus der Haut fahren. Auch im späteren Spielverlauf ist es mir in den Außleveln nie gelungen gezielt eine Quest abzuschließen, sondern ich bin praktisch einfach jeden zugänglichen Quadratmeter abgelaufen und dann zufällig über die Lösung gestolpert.

Wie schwer soll's denn noch werden?

Das allein ist schon nicht schön, aber da wie so oft Quests neben Monsterklopfen die Hauptquelle für Erfahrungspunkte sind und diese wiederum die Quelle für Levelaufstiege und somit einen stärkeren Charakter, geriet ich sehr schnell ins Hintertreffen.

Kaum drei Schritte vom Dorf entfernt war jeder Kampf ein Biegen und Brechen. Und ein paar Schritte weiter ging dann ohne mehrere Heiltränke pro Auseinandersetzung gar nichts mehr und noch mal ein paar Schritte weiter gegen mehrere Gegner ein, zwei Level über mir half auch das nichts mehr.

Gefühlt 1.000 Quickloads und einen Drachenritter in meinem Kopf später hatte ich mich dank einem guten Bogen und dem Ausnutzen der bescheidenen KI an das Level der Gegner herangerobbt und konnte endlich die Hauptquest - die anderen waren mir mittlerweile scheißegal, weil man ja eh nie wusste, ob man denn auch bis zum Ende kam - weiterverfolgen, die da von mir verlangte, in einen riesigen Turm einzudringen und den Geist von Lord Lovis ausfindig zu machen.

Hoch und wieder runter

Spätestens jetzt bemerkt man, dass die Entwickler besonders Innenräme gern mit Gefäßen aller Art füllen, die teilweise so nützliche Gegenstände enthalten, dass es sich lohnt alle zu durchsuchen. Nur bitte was ist dies für ein Spielinhalt? Das ist Beschäftigungstherapie, nichts weiter!

Trotzdem sind die folgenden Stunden die besten des Spiels. Die Geschichte bekommt durch starke Sprecherrollen Schwung und hat die richtige Tiefe, auch wenn die Vorbilder "The Witcher" (2007) und Bioware Produkte wie "Mass Effect" (2008) und die "Gothic"-Atmosphäre zwar teils dreist kopiert aber nicht erreicht werden.

Was dem Spiel das Genick bricht, ist der Zeitpunkt, ab dem man den unglaublich hohlbirnigen Drachenturm mit seinen nichtssagenden Aufbau sein Eigen nennt und immer wieder als Drache unterwegs ist. Während man als Mensch nicht weniger als 54 Fähigkeiten erlernen kann, sind es als Drache ganze sieben - und so wenig spannend ist der dazu auch bescheiden zu steuernde Drachenflug dann leider auch.

Oh, bitte, nicht mehr fliegen!

Verstärkt wird der Antispaß als Drache noch dadurch, dass bis auf extra für den Drachenflug konzipierte Ziele - meist Gebäde - nichts angegriffen werden darf und man andauernd durch sog. Antidrachenszonen, die den sofortigen Tod bedeuten, am Weiterfliegen gehindert wird. Irgendwann war's für mich dann genug und ich habe mir den Gesamtbrech erst pausiert und dann nach einem weiteren Versuch nicht mehr angetan.

Die Xbox 360 Version von "Divinity II" wurde auf Ende September verschoben, ein Schelm, wer böses dabei denkt... und so kommt es, dass PC Spieler auch nach dem ersten Patch sich in konsoligen Ausrüstungs- und Fähigkeitenmenüs einen Wolf fummeln, man als Drache mit der Maus hilflos rudert (die Hubschraubersteuerung von "Prototype" (2009) wär's echt gewesen) und Gegner beim Wechsel zwischen Nah- und Fernkampf kaum angewählt bekommt etc. - am besten, man lässt für sich kämpfen, das senkt den Schwierigkeitsgrad enorm. Kombiniert mit dem schlechten Questlog, der Karte und der ewigen, manuellen Behälter Durchsuchung ist das hier schon eine ziemliche Bauchlandung für ein Vollpreisspiel.

Satter Sound, maue Grafik

Beim Sound hat mich "Divinity II" positiv überrascht. Die deutschen Sprecher sind die besten, die ich seit Jahren gehört habe. Die Soundeffekte sind full on und auch die Musik ist stimmungsvoll, nur leider gibt es nicht genügend verschiedene Musikstücke, so dass sich diese zu oft wiederholen.

Als Motor hinter der Grafik werkelt hier die Gamebryo Engine, die in "Warhammer Online" (2008) und "Fallout 3" (2008) aber auch in der Neuauflage von "Colonization" (2008) zum Einsatz kommt, hier aber ihre schlechteste Implementierung mit hakeligen Animationen, hässlicher 2D Vegetation und teils verwaschenen Texturen erfahren hat. Ausgerechnet in den relativ kleinen Innenrämen setzt das Spiel alles unterhalb eines Core 2 Duo mit 2,6 GHz immer wieder schachmatt.

Willkommen im Labyrinth

Zu den bereits erwähnten, teils bugbedingten Problemen gesellt sich die Unfähigkeit der Designer eine glaubwürdige Spielwelt zu erschaffen. Trauriger Höhepunkt ist ein Nekromant, dem ich ein Buch abnehmen soll, der in einer Höhle voller Wyvernnester auf einer Plattform lebt, die komplett von Lava umgeben ist. Die Plattform selbst ist durch ein Kraftfeld geschützt, ebenso der Zugang zu dem Schalter des Kraftfeldes, jedoch nicht ein weiterer Zugang zu dem Schalter des anderen Zugangs, sowie ein Zugang für einen Bereich, wo irgendwo auf dem Fenstersims der Finger große Schlüssel liegt, mit dem ich als einzige Möglichkeit das Kistchen, in dem sich das Buch befindet, öffnen kann.

Knüller ist dann die Hüpfpartie, die einem vor dem letzten Kraftfeld erwartet. Über glühender Lava springe ich von Plattform zu Plattform, die sich wie durch Geisterhand bewegen, um immer höher im Raum zu klettern, um dann zum Schluss einen großen Hebel ziehen zu können. Yeah, jetzt muss mir nur noch einer erklären, wie der Nekromant das alles hinbekommen hat, während er bereits auf der Plattform war und auch vorher nicht wie ich als Drache von Zugang zu Zugang fliegen konnte. - WHAT THE FUCK!!!

Es will nicht viel gelingen

Die unglaubwürdige Welt, die einzig und allein auf einen zugeschnitten ist, bremst die "Du bist der Messiahs" Handlung mit - wie ich gelesen habe - überraschendem, bösem Ende trotz guter Multiplechoicedialogen und sehenswerter Zwischensequenzen schon früh aus. Schrecklich sind auch völlig möchtegern witzige Charaktere wie der Zauberer Zandalor, der eher aussieht, als wenn er das Faschingskostüm für den Kindergarten erwischt hätte, und das nervige Gelaber des toten Drachenritters in meinem Kopf.

Durch die enorme Anzahl an Fähigkeiten und Ausrüstungsgegenständen, die die verschiedenen Skillungen unterstützen, bietet "Divinity II" für Profis mit Biss und Ausdauer eine bunte Spielwiese. Es besteht jedoch auch die Gefahr sich derbe zu verskillen. Manchmal fehlt einem auch gerade als Nahkämpfer über mehrere Charakterlevel eine Waffe, mit der man den Gegner wieder mehr als nur einen Kratzer zufügen kann.

Nur beim Thema Zugänglichkeit zeigen die Larian Studios, dass es auch ganz anders geht. Die insgesamt über 70seitige Anleitung ist vorbildlich aufgebaut und interessant geschrieben. Auch innerhalb des Spiels gibt es zu jeder einzelnen Fähigkeit einen erklärenden Text und sogar ein kurzes Video, das die Fahigkeit sehr anschaulich demonstriert.

Fazit:

Mehrere Quellen berichten übereinstimmend, dass "Divinity II" etwa 25 Stunden Spieldauer bietet. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich erst gut zwei Drittel des Spiels gesehen und die Nase voll. Entsprechend Zeit und Langeweile vorausgesetzt, werde ich das Spiel in den nächsten Monaten vielleicht noch zu Ende bringen, indem ich mich an einer Komplettlösung entlanghangel, sofern ich die nun häufigen Drachensequenzen irgendwie verkraften kann.



  POSITIV:
  - super deutsche Sprecher
  - gutes Handbuch


  NEGATIV:
  - schrecklicher Drachenflug
  - lahme Grafik
  - unlogische Spielwelt
  - Null Balancing