PROTOTYPE

Radical Entertainment

(12.06.2009)

auch veröffentlicht auf
PlayStation 3 und Xbox 360


Eigentlich ist konsoliges jump & kill Zeug wie "Prototype" so gar nicht mein Ding. Warum ich's abseits vom Reiz des Brutalen trotzdem gekauft habe, kann ich gar nicht sagen. Irgendwie wollte ich das Risiko eingehen, eine echte Gurke zu kaufen. Soviel vorweg: Das ist mir nicht gelungen. Rein vom Gameplay ist "Prototype" immer solide wenn auch sicherlich keine Offenbarung, dafür aber so ungeheuer stilsicher, dass die meisten Spiele und nicht wenige Filme sich in einer ganz dunklen Ecke einnässen dürfen.

Optisch erinnert die Spielfigur Alex Mercer zunächst besonders wegen seiner Kapuze an eine mutierte Version von Altair aus "Assassin's Creed" (2008). Auch der Gewaltgrad ist bei beiden Spielen sehr hoch, wobei "Prototype" zwar in der Eimerwertung weit vorne liegt, dabei jedoch so comichaft zu Werke geht, dass ich die realistische Darstellung in "Assassin's Creed" für brutaler halte. Weitere offensichtliche Gemeinsamkeiten bestehen darin, dass sich beide Figuren irre agil über die Dächer Ihrer Städte bewegen, und es möglich ist, sich gegenüber den Gegnern so unauffällig zu verhalten, dass man viele unbemerkt um die Ecke bringen kann.

Aus Story wird Mission

"Prototype" gelingt es jedoch zu meiner Überraschung wesentlich besser als "Assassin's Creed" seine Geschichte in Missionen umzusetzen. Während Altair praktisch zusammenhangslos Flaggen auf den Dächern sammeln muss, damit er anschließend sein eigentliches Ziel angreifen darf, sucht man als Alex Mercer konkret einen Offizier, da man von diesem Informationen benötigt.

Alex Mercer ist durch Kontakt mit einem Virus zu einem Gestaltwandler mutiert, der etwa seine Arme in tödliche Klauen und Klingen verwandeln oder unglaublich weit springen kann. Ganz klassisch besitzt man zu Anfang noch nicht alle Fähigkeiten, sondern schaltet sich diese durch Evolutionpoints für erfüllte Aufträge und getötete Gegner wie in einem Rollenspiel nach und nach frei. Bestimmte Aufgaben sind ohne die passende Fähigkeit schwer bis gar nicht zu bewältigen, jedoch gibt es die Möglichkeit, aus der Story immer wieder auszusteigen und frei wählbare Minispiele bzw. Nebenquests innerhalb Manhattans zu absolvieren.

Guten Appetit

Alex kann die meisten Humanoiden "konsumieren" und so seine Lebensenergie auffrischen. Außerdem wird die Zielperson so komplett assimiliert, dass Alex anschließend über die Erinnerungen und das Aussehen des soeben Verzehrten verfügt. Dies ist häufiges Missionsziel, denn als Alex gilt es in erster Linie herauszufinden, was überhaupt in Manhatten und mit einem selbst passiert ist.

Durch das Konsumieren bestimmter Soldaten erwirbt man sich außerdem die Fähigkeiten Artillerieschläge anzuordnen und Panzer und Hubschrauber zu steuern. Während erstes eher langweilig ist, sind die Zerstörungsorgien mit Panzer und Hubschrauber eine Riesengaudi. Zwar können Gebäude nicht beschädigt werden, aber die zuweilen gut hundert Zivilisten, Infizierte, Soldaten, Drohnen sowie andere Panzer und Hubschrauber unter Beschuss zu nehmen reicht vollkommen aus, um den Bildschirm richtig wackeln zu lassen.

Nicht für den PC gemacht

Wer spielerisch mehr erwartet hat, als wie der Wirbelwind ordentlich auszuteilen, aber auch manchmal etwas taktischer vorzugehen und den einen oder anderen Bosskampf zu bestreiten, der ist sicherlich von "Prototype" enttäuscht. Aber mal ehrlich, wenn man die Latte für ein derartiges Spiel so künstlich hochlegt, dann hätte man auch zuvor "Assassin's Creed" oder auch "Bioshock" (2007) in Grund und Boden werten müssen.

"Prototype" erscheint auch für den PC. Entsprechend ist die Steuerung ursprünglich auf Gamepads ausgerichtet, was mit entsprechend konsoligen Menüs verbunden ist. Da ich aber kein Gamepadakrobat bin, habe ich trotzdem mit der Tastatur gespielt. Und siehe da, bis auf die Tatsache, dass ich wie schon in "Bioshock" in heißen Gefechten nicht die Tasten ab F5 erreiche, wenn eine Hand auf WASD liegt und die andere auf der Maus, flutschte es nach einer Stunde richtig gut.

Guter Sound, eintönige Grafik

Beim Sound gibt es nur ganz wenige Ausfälle. Die Musik ist stark und Explosionen und Splatter klingen so, wie ich es erwartet habe. Wenn das Chaos um einen herum tobt, dann wird dies auch entsprechend akustisch umgesetzt. Lediglich bei den meisten Sprechern fehlt der Kick, fehlt die Verbundenheit mit der zu synchronisierenden Figur. Ich vermute stark, man hat den Sprechern zu wenig zu ihren Figuren erzählt.

Im eigentlichen Spiel kann "Prototype" trotz guter Raucheffekte und Animation der Hauptfigur mit den zuvor genannten Produkten grafisch nicht mithalten. Dies liegt in erster Linie daran, dass keine höherwertigen Texturen als auf den Konsolen verwendet werden. Insgesamt wirkt die Spielwelt etwas eintönig, da es zu wenige verschiedene Modelle gibt, egal ob nun für Häuser, Zivilisten, Soldaten oder Monster.

Gute Story, guter Fluss

Ganz anders sieht es jedoch mit einigen Zwischensequenzen und besonders in den Erinnerungsfetzen konsumierter Personen aus. Was dort aufgefahren wird, ist brillant, maximal verstörend und nimmt einen atmosphärisch - es werden je nach Situation ganz verschiedene Stimmungen transportiert - vollkommen gefangen. Die Leere in Alex' Gesicht, spiegelt die Leere in seinem Innern fantastisch wieder.

Sicherlich mögen einige sagen, das Spiel sei zu leicht. Ich kann nur sagen: Zum Glück! Da Abwechslung nicht die ganz große Stärke von "Prototype" ist und automatische Speicherpunkte rar, wäre ich es irgendwann leid gewesen, mir an vergleichbaren Situationen immer wieder die Zähne auszubeißen. Die eigene Figur wird analog zu neuen Gegnern stärker, so dass es insgesamt gut passt.

Du lernst es schon

Das Heftchen in der DVD Hülle hat ohne Umschlag zwölf Seiten, davon sind ganze sechs Anleitung und davon sind fast vier mit der Belegung des Gamepads und der Tastatur gefüllt, der Rest nennt die Menüs namentlich. Zum Glück wird jedoch innerhalb des Spiels zu jeder neuen Funktion oder Fähigkeit eine entsprechende Einblendung gereicht, auch wenn dies teils aus dem Spielfluss herausreißt bzw. doof kommt, wenn man das erste Mal eine Fähigkeit erklärt bekommt, die man dann gleich unbedingt einsetzen muss.

Obwohl einem bald präsentiert wird, dass Spielfigur Alex 18 Tage nach Ausbruch des Virus nicht nur noch am Leben ist, sondern anscheinend auch Herr der Situation, wird die Geschichte nicht mit der Weisheit der Retrospektive erzählt. Vielmehr überrascht die düstere und doch nicht abwegige Geschichte um biologische Kriegsführung, zivile Opfer und militärischen Gehorsam mit so einigen Wendungen.

||| Vorsicht! Spoiler! |||

Wer nicht zuviel erfahren will, überspringt die nächsten zwei Absätze!!!

Schnell fällt auf, dass Alex' Mimik und Gestik unbeholfen wirkt und eine Leere sein Gesicht bestimmt. Dies hat einen einfachen Grund. Alex ist bei Spielbeginn schon tot. Der Virus, genannt ZEUS, ahmt ihn nur nach. Und nicht nur das, nein, nicht etwa das Militär hat den Virus auf Manhattan losgelassen, sondern der Wissenschaftler Alex, der mit einer Probe des Virus flieht, als der gesamte Forschungskomplex, in dem er gearbeitet hat, wegen Kontaminierung platt gemacht werden soll.

Der ursprungliche Virus sollte übrigens - ganz wie von Teilen der US Regierung um George W. Bush angestrebt - nur bestimmte Menschen, etwa mit dunkler Hautfarbe, befallen. Man höre sich nur einmal im Abspann die Rede des fiktiven Vizepräsidenten an... Irgendwann wird ZEUS jedenfalls klar, dass er sich selbst nicht retten kann, aber vielleicht ja viele andere. Hierfür muss er einen Antivirus finden und gleichzeitig verhindern, dass das Militär als Notbremse Manhattan mit einer Atombombe "säubert".

||| Spoiler beendet!!! |||

Fazit:

Die Rahmenhandlung ist sicherlich für ein Spiel dieser Art ungewöhnlich komplex und ernst, aber weder die Auswahl der verschiedenen Fähigkeiten im Kampf noch beim Freischalten erfordert viel Hirnschmalz. Oft genug bekommt man sehr genau gesagt, was es zu tun gilt. Müsste man sich nicht ab und an darüber Gedanken machen, ob man durch die Vorder- oder Hintertür kommt, bräuchte man das Hirn gleich gar nicht zu benutzen. In meinen Augen geht dieses Bemuttern viel zu weit.

Im Rahmen der Geschichte und mit ein paar Minispielen bekommt "Prototype" 20 Stunden Spieldauer gerade so voll. Derzeit juckt es mich nicht genügend für einen Neustart, im direkten Vergleich mit "Assassin's Creed" ist dieser aber etwas wahrscheinlicher, weil ich finde "Prototype" hat den besseren Flow und einfach weniger Leerlauf.



  POSITIV:
  - lass ihn raus, den Tiger
  - Hochhaustarzan
  - Panzer fahren
  - Hubschrauber fliegen
  - alles flutscht
  - abgedrehte Geschichte


  NEGATIV:
  - Konsolentexturen
  - zu wenige Modelle
  - viele Sprecher etwas mager