BIOSHOCK

Irrational Games

24.08.2007

auch veröffentlicht auf
PlayStation 3 und Xbox 360


Viel ist im Vorfeld zu "Bioshock" geschrieben worden und das Meiste davon darf man nun getrost in die Tonne kloppen. Das fängt damit an, dass konstant versucht wurde, das Spiel in der Revolution des Egoshooters Ecke festzunageln, und hört nicht zuletzt damit auf, dass man heutzutage sowieso nur noch über "next gen graphic" schreibt und wie gut die Umsetzung im Vergleich zur Xbox 360 Fassung ist.
Fangen wir also einfach ganz am Anfang an...

Action Adventure

So etwa zu Amigazeiten, als es den Begriff Egoshooter noch nicht gab, hätte man "Bioshock" als Action Adventure bezeichnet, eine Bezeichnung die heutzutage praktisch ausgestorben ist, aber passend beinhaltet, dass ein Spiel eine Geschichte erzählt, die Figur mind. ein Inventar hat, in Echtzeit gespielt wird und die Hand Auge Koordination oder besser mechanische Fähigkeiten wichtig sind.

Entsprechend werden Fans der reinen Lehre wie etwa "Doom 3" (2004) o. ä. enttäuscht sein. Die Gewichtung des Tötens zum restlichen Spielinhalt ist bei "Bioshock" in etwa umgekehrt proportional als bei den meisten Egoshootern und das Spiel verzichtet trotz 18er Freigabe darauf, mich längere Zeit in Angst und Schrecken zu versetzen, was ich als sehr angenehm empfunden habe. Vielmehr folgt es der Tradition von "System Shock 2" (1999).

Von der überragenden Geschichte möchte ich nur soviel verraten: 1960, eben noch sitzt der Spieler als Jack über dem Ozean im Flugzeug, da stürzt das Ding ab. Als einziger Überlebender findet man sich im Wasser neben einem Leuchtturm wieder. Doch dies ist kein gewöhnlicher Leuchtturm, sondern der Zugang zu der Unterwasserstadt Rapture, in der das Abenteuer spielt. Die Stadt wurde 1946 von dem Industriellen Andrew Ryan aufgrund der Erfahrungen des 2. Weltkrieges und dem aufkom­menden kalten Krieg gebaut und war in der Lage völlig autark zu existieren. Doch gleich bei der Ankunft wird einem klar, dass die Stadt ihre besten Tage hinter sich hat.

Drogenkriminalität

Genetisch veränderte und offensichtlich völlig wahnsinnige Menschen bringen sich gegenseitig für die den Köper verändernde Droge ADAM um. Extrahiert wird diese alles bestimmende Droge aus den herumliegenden Toten von ziemlich übel aussehenden kleinen Mädchen (Little Sisters), die wiederum von bulligen Typen (Big Daddies) in Tiefseetaucheranzügen bewaffnet mit Riesenbohrer und Granatwerfer bewacht werden. Und die machen richtig Aua, kannste glauben!

Wäre man auf sich allein gestellt, dann wäre es am Besten, sich an der nächsten Ecke aufzustellen und darauf zu warten, massakriert zu werden. Doch zum Glück hat man über ein Funkgerät Kontakt zu Atlas, der soetwas wie der Kopf des Widerstandes sein muss und einen dabei hilft, lange genug zu überleben, um die Spielmechanik zu verstehen.

Schnips mit den Fingern!

Neben den zu erwartenen Waffen von Rohrzange bis Flammenwerfer, stehen einem in "Bioshock" noch Plasmids und drei verschiedene Arten von Tonics zur Verfügung. Plasmids und Tonics habe ich entweder gefunden oder gegen ADAM an bestimmten Automaten gekauft. Plasmids kann man sich am besten als Zauber vorstellen. Es gibt ganz klassisch Feuer, Blitz, Eis, Verwirrung usw. und ihr Einsatz kostet EVE (Mana). Die Tonics sind die passiven Fähigkeiten, z.B. Rüstwert erhöhen, stärker zuschlagen, Hackerfähigkeiten verbessern.

Anfangs mit Rohrzange und Pistole sowie dem Blitzschlagplasmid bewaffnet habe ich mich nach einem kurzen Einführungsabschnitt durch insgesamt acht Bezirke geschlagen, von denen jeder im Schnitt etwas länger als zwei Stunden Widerstand leistet.

Solide Steuerung

Im Großen und Ganzen kann man bei einem Spiel aus der Egoperspektive heutzutage nicht mehr viel falsch machen. Die Standards für die Tastaturbelegung liegen seit geraumer Zeit fest. In "Bioshock" hatte ich lediglich wie auch schon in "Deus Ex" in heißen Gefechten größere Probleme zwischen den Waffen und den Plasmiden zu wechseln. F5 und F6 erreiche ich nämlich nicht, wenn eine Hand auf WASD liegt und die andere auf der Maus.

Darüber hinaus ist Zuordnung der Plasmids zu den F-Tasten in der Version 1.0 noch buggy. So bekommt das älteste Plasmid automatisch F1, während das neueste auf den hintersten Platz wandert. Dies ist besonders unangenehm, weil ein Upgrade eines bestehenden Plasmids als das neueste gilt und somit die ganze Belegung durcheinander gewürfelt wird. Die Belegung der F-Tasten kann nur an Genebanken geändert werden - und selbst dort nur sehr umständlich, indem man wieder beachtet, was als erstes und was als letztes gewählt wird. Möchte man lediglich die Reihenfolge tauschen, hat aber lediglich soviele verschiedene Plasmide, wie man im Moment auch maximal ausrüsten kann, dann geht gar nichts, da man nicht untereinander sondern nur über überzählige tauschen kann. - Nach einem entsprechenden Patch wäre hier eine Aufwertung möglich!

Edler Ton, aber nur gute Grafik

Egal ob Voiceacting, Geräusche oder auch die Musik - besser kann man es einfach nicht machen, selbst die deutsche Version ist nur unwesentlich schlechter (nicht irre genug und nicht Lippensynchron). Ich habe mich in einigen Kämpfen mehr mit den Ohren als mit den Augen orientiert...
Ich habe nur eine Frage: Warum spricht die deutsche Wissenschaftlerin im Englischen wie im Deutschen mit russischem Akzent?

Zugegeben, wenn das Spiel überall so aussehen würde, wie auf den Bildern hier, dann wäre ich wohl um Höchstnoten nicht herumgekommen. Um meine Screenshots zu erhalten, habe ich einfach von dem Programm "Fraps" alle zehn Sekunden eine Aufnahme machen lassen und mehr als die Hälfte davon zeigten langweilige Gänge, Klokacheln und Ähnliches. Wenn ich mich nicht hin und wieder zum Verweilen an eine Glasscheibe gestellt hätte, wäre mir auch entfallen, dass ich mich unter Wasser befinde, denn soviel Wasser, wie in den Previews immer getan wurde, gibt es in dem Spiel gar nicht. Zwischen den Abschnitten bekommt man von der Reise des Mini U-Bootes nichts zu sehen. Stattdessen wartet man bei hohen Detaileinstellungen schrecklich lange, ehe der nächste Abschnitt geladen ist. Außerdem darf man nicht vergessen, dass man für minimale Details in 800 x 600 bereits einen Höllenmaschine mit Shader 3 Grafikkarte braucht.

Aschenbecher for the win!

Ich habe bereits gelesen, dass das Spiel zum Ende hin als weniger spannend empfunden wird, da die eigene Spielfigur zu stark ist. Dies ist sicherlich der Fall, wenn man sich konsequent zum Rambo aufbaut, indem man jeden Winkel absucht und alle Upgrades mitnimmt. Anders als in vielen anderen Spielen habe ich jedoch eine Wahl, für welche Fähigkeiten ich mich entscheide. Um diese Wahl überhaupt erst zu ermöglichen, ist es notwendig die Gegner so aufzustellen, dass ich sie auch besiegen kann, wenn ich mich in Richtung Hacker entwickelt habe, aber an dieser Stelle keine Unterstützung durch gehackte mechanische Einheiten erhalten kann.

Schlimmer wiegt für mich, dass ich einen großen Teil der Spielzeit damit beschäftigt bin Gegenstände aufzusammeln. Stundenlang habe ich hunderte Kisten, Leichen und Aschenbecher durchsucht. Hier hätte es in meinen Augen auch weniger Behältnisse mit mehr Inhalt getan. Ärgerlich finde ich auch, dass die Munition zu knapp bemessen ist, um öfter mal richtig in die Menge zu halten. Mit den Plasmids allein - von der Telekinese abgesehen - kann ich in der Regel nur feuerempfindliche Gegner erledigen.

Erstklassige KI

Ganz stark hingegen ist die KI der Gegner, die es fertig bringt, sich ins Wasser zu werfen, wenn sie brennt, oder einfach die Beine in die Hand nimmt, um den nächsten Heilautomaten aufzusuchen. Daran musste ich mich erstmal gewöhnen. Zwar konnte ich aufgrund der langen Ladepausen auch das kurze Handbuch komplett lesen, aber dies wäre nicht notwendig gewesen. Das Spiel führt einen nach und nach in die Möglichkeiten der Plasmids ein und die einzelnen Abschnitte sind so gestaltet, dass man sich kaum verlaufen kann. Hinzukommt, dass meistens der Raum auf der Übersichtskarte markiert ist, der erreicht werden soll.

Immer bei mehrstufigen Aufgaben ist dies allerdings unverständlicherweise nicht der Fall. Das war für mich besonders ärgerlich, da ich während eines Kampfes gleich im ersten Abschnitt Medical Pavilion nicht mitbekam, dass Atlas mir praktisch die Lösung der nächsten Teilaufgabe verraten hat. So hing ich gleich zu Anfang frustrierend lange fest, zudem ist es dort mit am unübersichtlichsten. Ähnliches passiert im zweiten Abschnitt Neptune's Bounty, wo sich eine Tür erst öffnet, nachdem man genügend Fotos von einem bestimmten Gegnertyp geschossen hat. Das leuchtet einem an der Stelle nicht wirklich ein. Eine Anzeige für die Himmelsrichtung habe ich auch hin und wieder vermisst, so blieb nur auf der Übersichtskarte zu kontrollieren, in welche Richtung ich gucke.

Oh, warum? Schon wieder stumm!

Wie bereits erwähnt, ist die Handlung megastark und muss (leider) geheim bleiben. Schade ist lediglich, dass die Geschichte ausschließlich über Monologe (Tonbandaufnahmen) erzählt wird. Wenn man die entsprechenden Tonbänder nicht findet, enstehen Lücken in der Geschichte. Ich habe z.B. das entscheidende Tonband bezüglich meiner eigenen Identität beim ersten Durchlauf übersehen. Jack bleibt zu meinem Ärger wie schon Gordon Freeman in der "Half-Life"-Serie stumm. Jack ist allein unterwegs und tritt mit keiner anderen Figur in Interaktion. Dazu kommt, dass man lange keine Erfolgserlebnisse feiert, sondern nur alle sterben und alles schief geht, so dass ich nach dem zweiten und dritten Abschnitt eigentlich keine Lust mehr hatte weiterzuspielen. Der vierte Abschnitt Fort Frolic mit dem Künstler Sander Cohen als Auftraggeber hat zudem nichts mit der restlichen Geschichte zu tun, entschädigt aber wenigstens mit der schönsten Grafik. Auf der Habenseite ist es aber jedes Mal ein wahnsinnig emotionaler Moment, wenn man eine Little Sister retten kann.

Was "Bioshock" in Sachen Komplexität auffährt, müssen andere Egoshooter erstmal nachmachen. Sieben Waffen, davon sechs mit jeweils drei Munitionstypen und entsprechende Gegner, die unterschiedlich gut dagegen geschützt sind. Dazu sechs gleichzeitig benutzbare Plasmide, die in drei Ausbaustufen verfügber sind und gegen die meine Widersacher ebenfalls verschieden resistent sind, sowie insgesamt 18 gleichzeitig nutzbare Tonics, die auch in drei Stärken daherkommen. Als besonderes Schmankerl gibt es den Fotoapparat. Knippst man eifrig Fotos von Gegnern, so kann man dadurch deren Schwachpunkte analysieren. Auch wenn die Räumlichkeiten oft zu eng und die Munition zu knapp ist, so dass man immer mal wieder zur Rohrzange greift, macht es eine Heidenspaß die Gegner in allen Varianten ins Jenseits zu befördern.

Fazit:

Ich war nach gut 18 Stunden durch. Es ist schon bezeichnend, dass alle mir bekannten Egoshooter der letzten fünf Jahre mit einer Entwicklungsdauer von mehreren Jahren nicht über 20 Stunden Spielzeit hinauskommen. Um neben der Geschichte beim ersten Durchlauf absolut jeden Raum abzusuchen, war mir die Umgebung trotz allem nicht reizvoll genug.

Nach kurzer Zeit hat es mich dann doch gejuckt, noch einmal auf einem höheren Schwierigkeitsgrad erneut zu spielen, mehr von den Tonbandaufnahmen abzuhören und mich anders zu verhalten, sprich die kleinen Mädchen diesmal zu töten. Nunmehr ist das Spiel bis zu der Stelle, an der man den Fotoapparat findet, bockschwer, da man vorher sehr wenig Schaden macht und einem somit andauernd das EVE und die Muntition ausgeht. Insgesamt hat mir die zweite Runde aufgrund der größeren Herausforderung aber sogar besser gefallen als die erste. Einen Mehrspielermodus gibt es nicht - und das ist gut so. Die Liste der Spiele mit künstlich nachgeworfenem Multiplayermodus ist schon lang genug.

Noch vier Anmerkungen:

Was immer Du in Magazinen und auf Webseiten, die Ende August 2007 veröffentlicht wurden, in Bezug auf die Geschichte und wie die Schreiber sie empfunden haben liest, ist mit Vorsicht zu genießen. Um den Redaktionsschluss zu halten, sind zumindest einige Reviewer arg gehetzt in etwa 2/3 der Zeit durch Rapture gezogen, die man sich schon nehmen sollte. Teilweise werden schlichtweg unwahre Dinge behauptet, weil Alternativen in der Eile übersehen wurden.

Auch wenn "Bioshock" sich nach einem Taskwechsel (ALT + TAB) nicht mehr erholt (friert immer wieder kurz ein) oder ganz abstürzt, so läuft es doch insgesamt sehr rund, so dass man nicht davon reden kann, dass hier eine Betaversion veröffentlicht wurde. Nach einem Absturz setzt das Spiel allerdings die Optionen auf Werkseinstellungen, also Auflösung, Details, Gamma und Soundabstimmung müssen erneut vorgenommen werden. Auch beim regulären Beenden des Spiels bleibt die Gammaeinstellung des Spiels leider erhalten, bei mir hilft da nur ein Reboot, um nicht zu erblinden.

Obwohl dies selbstverständlich sein sollte, muss ich noch lobend erwähnen, dass die Angaben zur Hardware auf der Spieleverpackung 100 % zustreffend sind. In meinen Testläufen verlangte das Spiel der Grafikkarte wesentlich mehr ab als dem Prozessor. Ich habe einen Intel Core 2 Duo E6300 mit nur einem Kern rechnen lassen und habe keinen Unterschied zu zwei Kernen in Kombination mit einer GeForce 6600 GT feststellen können. Da das Spiel offensichtlich mit dem Gedanken im Hinterkopf entwickelt wurde, dass nicht wenige die Xbox 360 an einen alten Fernsehern klemmen, ist der Qualitätsverlust bei Reduzierung der Auflösung anders als bei vielen anderen Spielen auch auf einem TFT Bildschirm zu verschmerzen. Rapture verliert auch in 800 x 600 und ein paar modernen Grafikeffekten weniger kaum von seiner Faszination.

In vielen Nostalgieecken wird jetzt der geistige Vater "Systemshock" von 1994 hervorgekramt und als bahnbrechendes Spiel gepriesen. Ich vermute stark, dass die Zeit so einiges verklärt, denn das Spiel war in VGA Auflösung entweder so super hässlich, dass man einen Eimer neben dem PC brauchte, oder in SVGA so langsam, dass man sich immer wieder vergewisserte, ob die CPU mittels Turbotaste nicht gedrosselt wurde. Die Bedienung war im besten Fall sperrig, man bewegte sich, als wenn man immer irgendwas schieben würde, die Musik die schlechteste seit Jahren und wenn erwähnenswert ist, dass dort z. B. geworfene Dosen mittels einfacher Physikberechnungen irgendwo rumrutschen, dann sind es die Fässer in "Donkey Kong" (1981) auch.



  POSITIV:
  - irre Geschichte
  - perfekter Sound
  - cooles Design


  NEGATIV:
  - ödes Aufklauben
  - zu viele Monologe
  - kleinere Bugs