ANNO 1404

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(25.06.2009)


So... nachdem ich mich doch nicht aufraffen konnte "Die Siedler - Aufbruch der Kulturen" (2008) zu kaufen, habe ich bei "Anno 1404" sofort zugeschlagen, damit ich endlich mal wieder so richtig fett Stunden bei einem klassisches Aufbauspiel wegrösten kann. "Anno 1602" (1998) und "Anno 1701" (2006) habe ich jeweils ein paar Stunden gespielt, kenne also grob das Spielprinzip der Serie, aber damit erschöpft sich auch schon mein Vorwissen.

Nachdem "Anno 1701" erst mit dem Addon "Der Fluch des Drachen" eine Kampagne spendiert bekam, hat "Anno 1404" diese sofort mit an Bord. Desweiteren gibt es sechs unterschiedlich schwere Szenarien. Der Fokus des Spiels bleibt jedoch weiterhin auf dem frei konfigurierbaren Endlosspiel. Da der Startbildschirm die Schaltfläche "Schnellstart" besitzt, habe ich dort einfach geklickt und schwupp befand ich mich in der ersten von acht Mission der Kampagne, die es insgesamt auf etwa 20 Spielstunden bringt.

Alles beim Alten

Auch in "Anno 1404" geht es im Kern wieder darum Städte zu bauen, um mit wachsender Einwohnerzahl neue Gebäude freizuschalten und größere Steuereinnahmen zu erzielen. Je mehr Einwohner eine Stadt hat, desto höhere Ansprüche stellen die Einwohner aber auch an ihre Versorgung. Bekommen sie nicht, was sie wollen, dann packen sie ihre Koffer. Während sich ein Grüppchen Bauern noch mit Fisch, Apfelsaft und einem Marktplatz zufrieden gibt, wollen die Patrizier zwei Zivilisationsstufen weiter schon mind. Gewürze, Brot, Bier, Leinenkutten, Lederwämse und Bücher sowie eine Schenke zum Vergnügen, eine Kirche zum Beten und einen Schuldturm, um sich sicher zu fühlen.

Der nach wie vor geniale Kniff der Spielmechanik besteht nun darin, dass die Spielfläche aus verschieden großen und verschieden fruchtbaren Inseln besteht, so dass es unmöglich ist, alle benötigten Waren auf einer Insel herzustellen und schon gar nicht zusätzlich noch mal eben über 100 Wohnhäuser unterzubringen. Also entsteht bald ein reger Schiffsverkehr zwischen den Inseln. "Anno 1404" verfeinert dieses Prinzip der Serie sogar noch weiter, indem es zusätzlich orientalische Siedlungen einführt, deren Bewohner andere Bedürfnisse haben und deren höher entwickelte Gebäude nur dem zugänglich sind, der zuvor den benötigten diplomatischen Rang durch Handel und Gastgeschenke beim Großvesir Al-Zahir erworben hat.

Political Correctness für Doofe

Entprechend findet man auf dem PC nirgendwo soviel PC (political correctness) wie hier in der Kampagne, in der es darum geht, den Kreuzzug eines (wahnsinnigen) Kardinals aufzuhalten, indem alle anderen gegen ihn zusammenarbeiten. Kinder-Software-Preis Tommi und Deutscher Entwicklerpreis - ick hör dir trapsen. Hoffentlich wieder wie bei "Die Siedler - Aufstieg eines Königreichs" (2007) mit der Begründung, dass man etwas über das Mittelalter lernen kann. WAAAHAHAHA!

Im Vorfeld wurde ja viel über die Grafik von "Anno 1404" geschwärmt, weil sich ja kein Mensch mehr für irgendwas anderes als Grafik zu interessieren scheint. Und die eigentliche Spielgrafik ist besonders dank des sehr schönen Wassers auch klar die Beste, die jemals in einem Aufbauspiel zu sehen war. Wenn es aber um Videos geht oder auch Cutscenes in der Spielengine, dann will man nur noch Kakao brüllen. Was hat sich die Presse über die schwebenden Köpfe bei "Die Siedler - Aufbruch der Kulturen" das Maul zerrissen. 'tschuldigung, aber das hier sind doch genau die gleichen Köpfe und somit genau der gleiche Epic Fail.

Im Reich der liegenden Acht

Zusätzlich gibt's vor jeder Mission Opa Meier labert sich was in den Bart aus dem Off, dazu ein Bild mit minimalen Animationen und etwas Paralaxscrolling während die Kamera eine liegende Acht tapfer endlos abfährt. Das rockt - NOT! Gerechnet auf die Gesamtspielzeit fallen Videos, Cutscenes etc. aber nicht ins Gewicht. Allein für schönes Wasser sollte es aber auch keine Auszeichnungen geben. So doll sind die Animationen - z. B. beim Dombau schlagen die Bauarbeiter stupide auf das Gerüst mit dem Hammer ein - nämlich auch nicht und die Sichtweite in der Postkartenansicht ist mager.

Musik, Soundeffekte und männliche Synchronstimmen wissen zu gefallen. Wenn jedoch die verletzte Marie d'Artois rumröchelt, will man sich instinktiv das Trommelfell zerstechen, um dieser Höllenqual zu entgehen. Ich frage mich schon, wie die Aufnahme entstand. Hat die Frau den Tontechniker mit Sex bestochen oder hat sie sich heimlich für die Aufnahme nachts ins Tonstudio geschlichen?

Ideal für Anfänger

Unumwunden gebe ich aber zu, dass die Hilflosigkiet der Präsentation schnell in den Hintergrund tritt, sobald man sich daran macht, die ersten Aufgaben zu erfüllen, die allerdings in der Kampagne manchmal ein Bisschen schnell hintereinander auf einen einprasseln - gut, dass es sowas wie ein Questlog gibt. Die ersten Missionen mit einfachen Bau- und Handelsaufgaben haben dabei deutlichen Tutorialcharakter und sind so leicht, dass sie praktisch unverlierbar sind.

Auch später zieht die Schwierigkeit so sanft an, dass Kenner der Serie sicherlich die gesamte Kampagne über extrem unterfordert bleiben, für Anfänger wie mich ist es aber okay so. Ohne großen Zeitdruck konnte ich mich mit der Spielmechanik vertraut machen. Aufgrund der vielen Betriebe, Waren und Schiffe, ist es später nicht ganz einfach die Übersicht zu behalten, aber insgesamt gelingt dies gut, der Städtebau sogar sehr gut. Der vergleichsweise unwichtige Militärteil ist und bleibt aber extrem Scheiße in der Bedienung.

4. Serienteil, 4. Kampfsystem

Das merkt man dann in der sechsten Mission, in der es auf einmal sehr militärisch wird. Im vierten Serienteil gibt's das vierte Kampfsystem - und ich denke, im fünften sehen wir dann das fünfte. So ein umständliches, rheumahaftes Rumgezuppel mit gerade einmal drei Landeinheiten habe ich ja mein Lebtag noch nicht gesehen. Man wird geradezu irre dabei herauszufinden, wie man auch nur einigermaßen flott eine handvoll Einheiten bedient. Allein das hätte schon wenig Spaß gemacht, schlimmer ist aber, dass die Mission da lautet: "Unterstützen Sie Marie d' Artois bei der Verteidiung ihrer Stadt und bieten Sie Kardinal Lucius die Stirn."

Nun habe ich nicht gerade Germanistik studiert, aber in meinen Augen braucht es für den durchschnittlichen Spieler schon hellseherische Fähigkeiten wenn er aus "Verteidigung" und "die Stirn bieten" herauslesen soll, dass er sich von dem Gegner überrennen lassen muss, um im letzen Moment auf den Schiffen des Großvesir Al-Zahir von jenseits der Karte die Stadt zu verlassen. Ich Depp bin stundenlang gegen die Trutzburg des Kardinals angerannt, die über magische Selbstheilungskräfte verfügt. ARGH!!!

Kampagne, Szenarien und Endlosspiel

Die Kampagne und die Szenarien tun sich - trotz spielerisch durchdachten Aufbau - mit der ausgelutschter Geschichte, mangelnder Liebe zum Detail und Marie d'Artois keinen Gefallen. Im direkten Vergleich mit den Lachern des letzten Jahres ("Race Driver GRID" und "Sacred 2 - Fallen Angel") sollte ich aber auch nicht zu viel meckern. Für Mission VI und VIII sowie für Szenario II wären hellseherische Fähigkeiten sehr nützlich, ansonsten fällt nur auf, dass man zu leicht Geld scheffelt und die Computerspieler seltsamen Handel treiben. Sie verkaufen mir keine 80t Salz am eigenen Kontor aber gern jeweils 19 an jedem meiner fünf Kontore.

Im Endlosspiel gibt es zwar gar keine Hanlung, dafür lässt sich aber alles andere den eigenen Wünschen gemäß einstellen. Insgesamt 24 Resourcen, 60 Waren, 130 Gebäude und als Sahnehäubchen dutzende Verbesserungen für Schiffe und Kontore gilt es unter einen Hut zu bringen. Wenn "Anno 1404" nicht so eine gemächliche Spielgeschwindigkeit hätte, man würde unter der Last der gleichzeitig im Auge zu behaltenen Faktoren zusammenbrechen. Hier schreit jemand nach Nahrung, dort muss ich noch einen Schiffsbrüchigen retten - und außerdem wollte ich doch Wein herstellen, damit sich eine größere Anzahl von Adligen endlich blicken lässt. "Anno 1404" gehört klar zur Weltspitze auf diesem Sektor. Von mir gibt's dafür 'n Sternchen, von Consoleros sicherlich nur Kopfschütteln.

Fazit:

Noch bevor man sich überhaupt bis zum Endlosspiel vorgearbeitet hat, sind schon über 90 Stunden um. Dabei artet das Spiel selten in Arbeit aus und erzeugt auch nur selten Stress. Das Hegen und Pflegen der eigenen Städte ist irgendwo mit Gartenarbeit zu vergleichen. Man mag's oder man mag's eben nicht.

Das Handbuch gibt auf knapp 40 Seiten einen guten Überblick. Noch besser gelingt dies der Kampagne. Ab und an fehlen leider in Hilfetexten im Spiel selbst entscheidene Informationen. Z. B. braucht es für den letzten Bauabschnitt des Kaiserdoms 3.500 Adlige, da wäre es schön gewesen, wenn dort auch noch "auf der Insel, auf der auch der Dom gerade gebaut wird" gestanden hätte.

Den fehlenden Multiplayerteil vermisse ich nicht, denn ich kann mir Partien mit einer Spieldauer von 10 oder gar 20 Stunden auch nur bedingt spannend vorstellen. Ärgerlich ist sicherlich das Hammer-DRM, das nur drei Aktivierungen und kein sog. Revoke also deaktivieren erlaubt, aber wer suchet, der findet ebenso wie ich eine Lösung dafür, gell?!?

Für mich macht der vierte Teil der Serie endlich fast alles richtig und damit den ganz großen Schritt nach vorne - auch wenn er gern mal abstürzt. Die Systemanforderungen sind gegenüber dem letzten Teil verglichen mit einem aktuell durchschnittlichen PC viel moderater. Nach dem katastrophal optimierten "Anno 1701" wurde es aber auch allerhöchste Zeit, dass die Programmierer mal ihre Hausaufgaben machen.



  POSITIV:
  - komplexes Aufbauspiel
  - meist sehr entspannt
  - schöne Grafik


  NEGATIV:
  - Marie d'Artois
  - Militärteil
  - Hammer-DRM