World of Warcraft

WRATH OF THE
LICH KING

Blizzard

(13.11.2008)


Nachdem "Der Herr der Ringe Online: Die Schatten von Angmar", "Age of Conan: Hyborian Adventures" und "Warhammer Online: Age of Reckoning" alle mal dürften, kehrt "World of WarCraft" (WoW) als Platzhirsch auf dem Gebiet der Online Rollenspiele Ende 2008 mit seiner zweiten Erweiterung "Wrath of the Lich King" (WotLK) zurück.

Viele Menschen, die besser einen Entzug machen sollten anstatt ihre sechs oder mehr Charaktere innerhalb von zwei Wochen auf 80 zu leveln, ProGamer aus den sog. Topgilden (Überschneidungen mit der ersten Gruppe sind im Bereich des Möglichen) und pubertierende Egoshooter Kiddies, die nach wenigen Stunden schon wieder via Filesharing nach neuem Futter suchen und daher in allen möglichen Foren die Wartezeit überbrücken, lassen kaum ein gutes Haar an Blizzards neuester Veröffentlichung. Ist diese Erweiterung so anders als das Meisterwerk "The Burning Crusade" (TBC)?

Technische Fortschritte

Zuerst die Technik: Passend zur Erweiterung hat Blizzard Sound und Grafik auf Vordermann gebracht. Auch Besitzer von potenten Erweiterungskarten können nun wieder bei Qualität und Soundkanälen den Regler auf Maximum schieben, ohne seltsame Ergebnisse oder sogar ohrenzerfetzende Abstürze befürchten zu müssen. Und obwohl man glauben sollte, dass die musikalische Untermalung von "TBC" nicht mehr zu toppen war, zeigen die Entwickler, dass man mit konsequenter Weiterentwicklung nunmehr jede Filmmusik hinter sich gelassen hat, weil man stellenweise sogar die handwerkliche Qualität der Musiker bewundern muss.

Grafisch geht man sogar noch einen Schritt weiter und integriert endlich komplexe Schatten in die Engine (endlich kein schwarzer Punkt mehr unter mir). Zwar verlangen die Schatten auf der maximalen Detailstufe nach viel Leistung, werden aber von den derzeitigen Preis-/Leistungsempfehlungen (Stromverbrauch nicht vergessen) GeForce 8800 GT und Radeon HD 4850 auch in 1.080p bei 4x AA und 8x AF um 25 FPS bewätigt. Auf der einfachsten Schattenstufe ist man hingegen etwa ab einer GeForce 8600 GTS gut dabei. Enttäuschend finde ich den weiterhin fehlenden Wellengang aller Gewässer. Jungs, Wellen gab's doch schon 2002 (!!!) in "Warcraft III". Patcht die Wellen BITTE endlich rein!!!

Nordisches Design

Technik ist gar nichts, wenn das Design nicht stimmt. Und das Design war in Computerspielen selten so stimmig wie in "WotLK". Nicht zuletzt durch die teils gewaltigen Höhenunterschiede auf wenigen Metern fühlt man sich auch mit anderen Völkern wie ein Gnom in der Landschaft, die, je weiter es einen nach Norden verschlägt, immer menschenunfreundlicher und ungemütlicher wird. Ein kleiner Seitenhieb auf die Dummbatzen, die jetzt Scheiße auf das "futuristische" Design von "TBC" werfen, sei mir gestattet: Glaubt Ihr ernsthaft, dass Ihr das Design von "WotLK" als endlich wieder traditionell und doch so erfrisched empfunden hättet, wenn "TBC" genau so ausgesehen hätte?

Entgegen der Behauptungen in Euren Heulerposts setzt sich Blizzard nicht einfach mal fünf Minuten hin, sondern macht sich Jahre im Voraus Gedanken, worin die optischen Gemeinsamkeiten und die Unterschiede der Erweiterungen liegen sollen. Dieser Planung ist es auch zu verdanken, dass Spielelemente, die erst nachträglich in "TBC" integriert wurden, wie die meisten täglichen Quests (z. B. die für den heroische Schwierigkeitsmodus der 5er Instanzen) diesmal besser in die Spielwelt passen. Open World PvP ist aber immer noch nicht das Gelbe vom Ei.

Der Todesritter

Überraschend gut gefällt mir die erste Heldenklasse von "WoW": Der Todesritter. Auch wenn der Todesritter derzeit solo in vielen Kampfsituationen durch die Selbstheilung der Blutskillung gegenüber anderen Klassen einen unfairen Vorteil hat (praktisch keine Downtime), so kann ein zusätztlicher Tank der chronisch unterbesetzten Tankklasse und damit dem gesamten Spiel nur gut tun. Spieler der Hybridklassen, denen es egal ist, ob sie tanken oder heilen, können nun zum Heiler wechseln, so dass insgesamt mehr Gruppen unterwegs sind und sich weniger Damagedealer die Beine in den Bauch stehen müssen.

Klar hat Blizzard beim Todesritter das Rad nicht neu erfunden - wenn das nach so vielen Jahren Entwicklungsdauer möglich gewesen wäre, hätte Blizzard bei allen anderen Klassen zuvor auch massiv auf dem Baum schlafen müssen - sondern hat mehr als die Hälfte aus bestehenden Klassen recycled. Das tut dem Spaß aber keinen Abbruch, den ich bisher mit der Klasse gehabt habe. Die drei Talentbäume sind bereits jetzt in der ersten Liveversion unterschiedlich genug und gleichzeitig alle brauchbar und bis man seine Fähigkeiten resourcenschonend (Runen und Runenernergie) einsetzt, um auch Kämpfe, die nicht so ganz nach Plan verlaufen, zu überleben, vergehen angenehme Stunden.

Zurück in der Scherbenwelt

Der letzte Punkt bzw. die Lernkurve ist es wohl auch, die Blizzard dazu bewogen haben könnte, den Todesritter nicht erst mit Level 65 einsteigen zu lassen, sondern schon mit Level 55 zu starten und dann ab Level 58 einmal quer über die Scherbenwelt zu scheuchen. Dass dies, da manche gerade 22 Monate Scherbenwelt hinter sich haben und fast ausschließlich andere Todesritter für die Instanzen dort gewonnen werden können, im Moment nicht die Glücksseligkeit pur ist, dürfte jedem klar sein, wird sich innerhalb weniger Monate jedoch hoffentlich relativieren.

Die Alternative wäre gewesen, in den ersten paar Instanzen in Nordend mit Leuten zu starten, die noch massiv ihre Combos sortieren und vermutlich das eine ums andere Mal die Gruppe in den Abgrund gerissen hätten. Und ich denke, jeder, der länger dabei ist, weiß, wie schnell sich solche Erlebnisse rumsprechen und Vorurteile nicht nur gegen einzelne Spieler sondern ganze Klassen entstehen (Hallo Paladine, hallo Jäger) - und im schlimmsten Fall hätte dann kaum noch jemand einen Todesritter in seine Randomgruppe aufgenommen.

Wer bitte ist denn innovativ?

Wenn es um die negativen Eigenschaften von "WoW" geht, dann hört man ein Argument immer wieder: "WoW" sei nicht innovativ. Das ist sicherlich richtig. "WoW" ist auch Ende 2008 im Kern immer noch das gleiche Spiel, dass es Mitte 2005 nach der Einführung der ersten PvP Schlachtfelder spätestens aber mit Eröffnung der Arena Anfang 2007 war, und war beim Start damals Ende 2004 nicht viel mehr als eine konsequente Weiterentwicklung von Klassikern wie z. B. "Everquest".

Warum ich das Argument nicht gelten lasse, hat aber einen ganz anderen Grund - und zwar den Maßstab, mit dem hier gemessen wird. Der gleiche Maßstab sollte nämlich für alle Computerspiele gelten - und nach "The Sims" gab es nicht ein einziges Spiel in den letzten Jahren, das sich entweder gut verkauft oder über lange Zeit in Lesercharts etc. wiedergefunden hätte, das man auch tatsächlich als halbwegs innovativ bezeichnen kann. Selbst das endlos (an)gepriesene "Portal" (wer hat hier eben Casual Gaming gerufen?!?) brachte es doch nicht mal zum Achtungserfolg.

Lediglich Detailverbesserungen

"WotLK" bietet also keinerlei Innovationen aber viele Detailverbesserungen. Als Verzauberer z.B. bin ich froh, dass ich mit Hilfe der Pergamente des Inschriftenkundlers endlich meine Verzauberungen ins Auktionshaus stellen kann. Als Rollenspieler bin ich froh, dass mittels sog. Server Phasing die Spielumgebung nicht mehr star ist, sondern sich je nachdem, wie weit ich in der Geschichte fortgeschritten bin, für mich verändert (ein Landstrich ist z.B. auf einmal entvölkert). Die Handlung ist gestraffter, denn die Quest sind zusammenhängender und drehen sich verstärkt um wenige, große Konflikte.

Überhaupt: Wer da schreibt, dass man ausschließlich (durchaus vorhandene) Sammel- und Tötungsquests löst, hat das Spiel entweder nicht gespielt oder alle anderen Quests absichtlich ausgelassen. Leider muss ich Heidi zustimmen, dass die neue Hauptstadt Dalaran enttäuschend ausgefallen ist. Die Stadt erinnert von ihrem Aufbau und Größe her eher an einen Weihnachtsmarkt als an eine Stadt. So funktional der Aufbau ist, so platt ist er auch, da kann auch die unterirdische Schattenseite nichts dran ändern.

Voll daneben!

Sonst alles eitel Sonnenschein? Nicht ganz! In "WotLK" sind mir mehrere Folterszenen begegnet, bei denen ich zweimal selbst aktiv foltern musste. Beim ersten Mal als Todesritter noch unter dem Einfluss des Lich Kings passt es wenigstens in den Kontext. Später jedoch gibt es eine Quest für alle Spieler, bei der man für die Magier der Kirin Tor (Herrscher über die Hauptstadt Dalaran) einen Gefangenen solange (und auch darüber hinaus, wenn man will) mit elektrischen Schlägen foltert, bis er auspackt. Nicht nur aufgrund der Altersfreigabe ab 12 Jahren halte ich das für äußerst grenzwertig...

Kritik regt sich natürlich (auch diesmal) am Schwierigkeitsgrad, was ich zu Anfang überhaupt nicht nachvollziehen konnte, aber was man ab Level 75 in Bezug auf die Balance erlebt, ist die absolute, unbegreifliche Katastrophe!!! War es bis zur Hälfte der Instanzen, wenn man sie mit dem entsprechendem Level betrat, durchaus möglich auf den Arsch zu bekommen, so haben die Kritiker leider nur alzu Recht, denn das Bild kippt im weiteren Spielverlauf immer mehr in Richtung Kinderspiel. Selbst gröbste Bolzen bedeuten nur noch selten den Tod der Gruppe.

Wie kann das sein?

Ich war nie glücklich 100 % der Monatsgebühr zu zahlen, aber nur 60 % des Spiels zu sehen zu bekommen und viele Berüfstätige waren in "TBC" lange hoffnungslos in Karazhan versackt. Im Vorfeld habe ich oft gehört, dass die Bosskämpfe der 5er Instanzen allesamt nach dem Schema Tank & Spank (einfach volle Kanne druff, solange der Tank nur die Aggro halten kann) ablaufen, aber in den ersten sechs Instanzen gab es nicht einen einzigen Boss, der es einem so leicht gemacht hat. Die Kämpfe waren im Schnitt nochmal etwas besser als die bereits in der ersten Erweiterung gegenüber dem Hauptprogramm deutlich aufgebohrten Auseinandersetzungen.

Und dann BÄMM: Wie aus dem Nichts, wagt es ab der Instanz Gundrak praktisch kein Tank mehr von seinen Mitspielern Crowd Control (d.h. ein oder mehrere Widersacher werden zeitweise aus dem Kampf genommen, indem sie z.B. verbannt oder in ein Schaf verwandelt werden) anzufordern, weil ihm die Mitspieler sowieso zurückbrüllen, dass es auch ohne geht und Crowd Control nur aufhält. Und das Schräge ist: Sie haben sogar Recht!

Passiert da noch was?

Schuld hieran ist, dass sich der Schadensoutput im Vergleich zu den Lebenspunkten bzw. Rüstwerten und Widerständen der Gegner viel zu stark erhöht. Besonders daneben gegriffen hat Blizzard bei nahezu allen Fähigkeiten, die Flächenschaden verursachen. Wenn es auf den Manaverbrauch nicht ankommt - und das tut es selten, weil die Kämpfe viel zu schnell vorbei sind - dann ist es bereits bei zwei Gegner kein großer Fehler Flächenschaden einzusetzen und spätestens bei drei Gegnern ohne entsprechende Immunitäten immer die richtige Wahl.

So kommt es, wie es kommen muss: Obwohl die relative Anzahl der Tank & Spank Bosskämpfe zurückgegangen ist, bekommt man hiervon selten etwas mit, da der Gegner schneller niedergeknüppelt wird als die Bosskampfmechanik anspringen kann. Wer nur auf schnelle Beute aus ist, mag dies begrüßen. Ich finde es sehr enttäuschend und spielerisch platt. Das Problem wiederholt sich schnell auch in den heroischen 5er Instanzen, wenn mind. drei Spieler bereits ihre Ausrüstung in eben diesen verbessert haben.

PvP macht keine Spaß mehr

Viel schlimmer ist jedoch, dass dieser Schadensoutput auch ins PvP rübergeschwappt ist und die Nahkämpfer jedem Fernkämpfer mit Leichtigkeit die Butter vom Brot nehmen. Während es im neuen Schlachtfeld Tausendwinter, bei dem es um die Verteidigung bzw. Einnahme einer Burg geht, mit teils über 100 Spielern dank Kanonen, Panzern und der Möglichkeit den Gegner zu täuschen, wo gerade der Hauptangriff stattfindet, selten auf den Kampf Mann gegen Mann ankommt und daher Laune ohne Ende macht, kann man die alten Schlachtfelder und besonders die Arenakämpfe komplett vergessen.

Einen Kampf egal ob nun gegen Krieger, Paladine, Todesritter, Schurken und sog. Verstärkerschamanen innerhalb von drei Sekunden zu verlieren, ist überhaupt nicht witzig. Während Arenakämpfe früher immer wieder zwei und mehr Minuten andauerten, ist nun alles jenseits von 20 Sekunden bereits eine Sensation. Dafür gibt es nur ein Wort: Scheiße! Eine globale Reduzierung aller Schäden durch Spieler gegen Spieler auf die Hälfte (Nahkämpfer haben weniger Resistenzen gegen Zauber als Fernkämpfer gegen physischen Schaden) und sowohl die Erhöhung der Lebenspunkte und des Schadens der Monster auf 150 % würde in meinen Augen schon viele Probleme lösen.

Einmal die Einheitsrüstung bitte!

Neben dem Balancing Problem ist mir noch eine weitere Sache unangenehm aufgestoßen: Waffen und Rüstungen sehen alle gleich aus! Von den ganz besonders hochwertigen und einigen wenigen Gegenständen der verschiedenen Fraktionen im Spiel einmal abgesehen, trägt man zwischen Einstieg und heroischen Dungeons maximal drei verschiedene Designs. Das ist vergleichen mit der bisherigen optischen Vielfalt ein ganz klarer Rückschritt. Teilweise sind selbst Rüstungsklassen übergreifend die Gegenstände so ähnlich, dass man nicht mehr auf den ersten Blick erkennen kann, mit wem man es zu tun hat.

Die Steuerung ist in meinen Augen ganz klar weiterhin die Paradedisziplin von "WoW" und "WotLK" - und was mit dem Original Interface nicht geht, kann man sich, so man denn tatsächlich den Bedarf verspürt, mit Addons von Drittanbietern einrichten. Ich muss gestehen, dass ich bei der Vielzahl der Funktionen mittlerweile den Überblick darüber verloren habe, ob eine Funktion neu ist oder ich bisher lediglich noch nie darauf gekommen gekommen bin, sie zu nutzen.

Fazit:

Eigentlich war das Basisspiel schon überkomplex. Wäre das Spieltempo nicht so langsam, viele Mitspieler nicht so hilfsbereit und gäbe es nicht soviel sekundäre Literatur, man würde sicherlich zu knabbern haben. "TBC" legte mit den Edelsteinsockeln noch einmal eine Schippe drauf und "WotLK" weiß mit den eher leicht zu handhabenen Glyphen und den deutlich überarbeiteten Talentbäumen zu gefallen.

Allein mein 80er Todesritter, mit dem ich bisher wenig Rollenspiel, keine heroischen Dungeons und PvP gespielt habe, weist über sechs Tage Spielzeit aus, von denen ich knapp fünf in Nordend verbracht habe. Die Anzahl der Quests ist so hoch, dass es problemlos möglich sein müsste, mit zwei Charakteren die Maximalstufe zu erreichen und dabei keine Quest zweimal zu machen. Ich denke, es gibt für die jüngeren Spieler wieder genügend zu tun, um das Schuljahr zu wiederholen. ;)

Spiele sind nie fertig. Sie werden nur irgendwann veröffentlicht. Dies gilt um so mehr für ein Spiel mit monatlichen Gebühren, bei dem es für den Hersteller nicht damit getan ist, einmal das Spiel zu verkaufen und dann so wenig Geld wie möglich für den Patchsupport auszugeben. Und während bei Blizzard auch schon viele gute Ideen zur Veränderung der Klassen in der Pipeline sind und demnächst sogar relativ einfach und kostenfrei zwischen zwei Skillungen gewechselt werden kann, deutet bisher nichts darauf hin, dass das Desaster auf PvP Ebene ein Ende findet.

Auch beim Schwierigkeitsgrad der Instanzen wird es wohl keine Änderungen mehr geben, sondern vielmehr wird man demnächst wieder traditionell so brettharten Raidcontent nachschieben, dass man mit allem anderen als der perfekten Ausrüstung schlichtweg aussortiert wird. - Ich bin sehr gespannt, welche Ansprüche da wieder gestellt werden...



  POSITIV:
  - technische Fortschritte
  - nordisches Design
  - unglaubliche Musik
  - Todesritter Heldenklasse


  NEGATIV:
  - PvP ist kaputt
  - Spiel plötzlich zu leicht