FORZA
MOTORSPORT
5

Turn 10

(22.11.2013)


In ein paar Wochen wird es mit "Forza Motorsport 6" hoffentlich richtig interessant und die Anschaffung der Xbox One wird nicht mehr ganz so unnötig (hirnverbrannt, grunzdämlich, idiotisch...) wirken. Nun ja, und da ich schon mehrfach den Vorgänger "Forza Motorsport 5" nicht gerade positiv erwähnt habe, dieser im Gegensatz zu "Forza Horizon 2" (2014) aber überall günstig 2nd hand abgegriffen werden kann und leider "Project CARS" (2015) nicht (oder zumindest noch nicht) der erhoffte Meilenstein ist, habe ich einfach mal gehofft, dass alte Liebe in diesem Fall wirklich nicht rostet.

Ein paar mehr (ja, ich denke, da braucht es diesmal wirklich ein paar mehr) Anmerkungen zur Hardware und Software der Xbox One gibt es dann am Schluss des Artikels. Wer keine Vorstellung von der Forza Serie hat, liest sich bitte hier ("Forza Motorsport 4") ein, denn die einleitenden Worte sind hiermit (endlich) abgeschlossen.

Launchtitel Zielgruppen

Ein Launchtitel ist dann optimal gewählt, wenn der Käufer gerne bereit ist allein für dieses Spiel zusätzlich mehrere hundert Euro für die Konsolenhardware hinzulegen. Dies ist in diesem Fall ganz klassisch der Typ, der auch schon "Forza 4" rauf und runter gespielt hat. Aber dann gilt es auch noch den Freund des Käufers zu gewinnen, der im Regelfall nicht so furchtbar viel mit Autorennspielen am Hut hat, aber das Spiel dann längere Zeit bei einem Besuch zockt und denkt: "Muss ich auch haben!!!"

Sich diese zweite Käuferschicht zu erschließen, war bis zuletzt eine kleine Schwäche der Forza Serie, denn die ersten beiden Teile erforderten durchweg manuelles Tuning der Wagen, waren also zu Hardcore. Teil 3 und 4 umschifften zwar diese Hürde, aber dafür liefen die Minikarrieren "Season Play" und "World Tour" nicht richtig rund und die restliche Karriere, genannt "Eventlist", war so keimfrei, dass gleich drei Krankenhäuser sie einstellen wollten. In "Forza 5" gibt es nun endlich wieder eine Karriere, die mehr wie in den ersten zwei Serienteilen etwas Struktur aufweist, und gleichzeitig möchte man Neulingen noch mehr entgegenzukommen, indem die frisch gekauften Autos, die passend zur jeweiligen Meisterschaft erworben werden können, gleich auf den Maximalwert der Meisterschaft geupgraded werden.

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint!

Ich würde nicht "möchte" schreiben, wenn die Idee nicht total nach hinten losgegangen wäre. Turn 10 baut nämlich jede Menge Tuningteile in die Autos ein, nur ausgerechnet ein Differential ist regelmäßig nicht dabei. Da hilft dann auch keine Traktions- und/oder Stabilitätskontrolle mehr, denn selbst Oldtimer wie eine 1960er Chevrolet Corvette und auch sonst zu ziemlich alles, was Hinterradantrieb hat, fährt sich mit aktivierten Hilfen so langsam und hüpflahm, dass man gar nicht mehr weiterspielen möchte, und ohne Hilfen ist man wiederum - zumindest mit dem Gamepad - fast ausschließlich abseits der Strecke unterwegs.

Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass jemand, der nicht die gleichen Strecken und Autos in "Forza 4" schon gefahren ist, dieses Fahrverhalten für "normal" hält und irgendwann einfach entnervt aufgibt. Nur weil ich im Gegensatz zu einem Neueinsteiger wusste, dass ich vor gerade mal einem halben Jahr z. B. die Kombination modernes amerikanisches Muscle Car und Circuit de Catalunya noch im Schlaf gefahren bin, habe ich das Gamepad nicht nach ein paar Stunden in die Ecke geworfen und das Spiel gleich hinterher. So nach drei Stunden taumelnd zwischen Verwunderung über mein plötzliches Unvermögen und purer Frustration entwickelte ich wirklich detektivischen Eifer und fand den Bock auch irgendwann. Dabei hat so gar nicht geholfen, dass man das Setup jetzt nicht mehr direkt vor dem Rennen ändern kann, sondern nur tief verschachtelt im Hauptmenü. Wer kam denn bitte auf die steinzeitliche Schnapsidee?

Mit der Kraft der zwei Wolken!

Dieses "Nichts Halbes und nichts Ganzes" ist dann am Ende auch das Symptomatische für "Forza 5". Der Ansatz, die KI Gegner aus den Daten der Cloud der menschlichen (chaotischen) Fahrer zu speisen: Klasse. Diese sog. Drivatare in gleich acht Schwierigkeitsgraden anzubieten: Toll. Die Goldwertung für die ersten drei Plätze zu vergeben, so dass man die Drivatare schön knackig einstellen kann: Sehr gute Balancing Entscheidung. Dann aber wieder die Renndistanz unveränderlich vorzugeben: Veraltet. Den Geldfluss der Karriere in einem Vollpreisspiel so zu stricken, dass so mancher versucht ist, für teure Wagen Echtgeld auszugeben: Unverschämt. Nur 200 Autos ins Spiel einzubauen und weitere 80 per DLC für 40 € anzubieten: Unterirdisch.

Hinzukommt, dass die Drivatare nur in den klassischen Rennen mit 16er Starterfeld funktionieren. Wenn ich lediglich gegen einen oder auch bis zu drei durch langsamen Verkehr um die Wette fahren soll, hole ich mir die Spitzenposition innerhalb weniger Kurven. Überhaupt haben die alternativen Modi wie dieses alberne Kegeln oder das Fahren durch Hütchentore so einen unglaublich hohen Unterhaltungswert, dass man immer hofft, dass die aktuelle Meisterschaft möglichst vollständig davon verschont bleibt.

Es hätte so gut werden können!

Wie beworben, übertragen die beiden Trigger des Xbox One Pads die Impulse beim Gas geben und Bremsen an die Fingerspitzen, was ein absolut fantastisches Feedback ist und alles übertrifft, was es bisher im Gamepadbereich gab (Gleiches gilt leider für das zusätzliche Gewicht, wenn man das Gamepad mit Akkus bestückt). Das bringt nur leider viel weniger als es könnte, weil die Trigger nicht über ihre gesamte analoge Distanz abgefragt werden, sondern lediglich das mittlere Drittel eine Veränderung bewirkt (unterhalb "Temperatur" unten rechts, der blaue Balken zeigt gerade Vollgas an). Sowas kann man problemlos nachpatchen, hält man aber anscheinend nicht für sinnvoll, denn in den vergangenen 20 Monaten war ja nun reichlich Zeit dafür.

Bei den Strecken hat man 2014 wenigstens drei (bzw. vier, denn Nürburgring Nordschleife und Nürburgring Grand Prix sind für mich zwei vollkommen verschiedene Strecken) für lau nachgeschoben. Trotzdem: Insgesamt 18 Austragungsorte sind auf Dauer immer noch etwas wenig, denn die Top Gear Strecke kann man getrost knicken und auf der Nordschleife und dem Test Track Airfield bin ich bisher innerhalb der Karriere nicht angetreten. "Forza 4" hatte vom Start weg ganz locker 26 Austragungsorte, die vom Charakter her wesentlich unterschiedlicher waren und auch unterschiedlichere Layouts boten. Warum keine der japanischen Strecken im Portfolio verblieben ist, aber dafür sechs amerikanischen Strecken, von denen sich nur Long Beach wesentlich von den anderen unterscheidet, ist mir rätselhaft.

Dieses Mal ist alles anders...

Mit der PS4 und Xbox One kamen Ende 2013 das erste Mal zwei Konsolen auf den Markt, die über vernünftige sog. third party launch titles verfügten - weil beide Konsolen im Wesentlichen aus bereits seit mehreren Jahren bewährten PC Komponenten bestehen. Die Notwendigkeit eines Schnellschuss "Forza 5" oder einer anderen exklusiven IP wäre eigentlich viel geringer als 2005 bei der Xbox 360 mit z. B. "Project Gotham Racing 3" gewesen, aber Microsoft hatte sich bei der Hardware von Sony übertölpeln lassen.

Wer sich die Releasedates der bisherigen Forza Spiele anguckt, kann ablesen, dass Turn 10 zuvor nicht unter einem vergleichbaren Termindruck wie bei "Forza 5" gestanden hat. Der Zweijahresrhythmus musste trotz Systemwechsel beibehalten werden und Microsoft hat mit Blick auf die PS4 ganz sicher schon sehr früh unmissverständlich zwei Nägel eingeschlagen: 1080p und 60 fps. Ironischerweise hat dies zu dem genau gegenteiligen Effekt geführt, der beabsichtigt war: "Forza 5" sieht auf der neuen Hardware kaum besser aus als "Forza 4" zwei Jahre vorher. Die Autos sind erste Sahne, keine Frage, aber alles andere scheint mir irgendwie nicht in 32 bit Farbtiefe sondern lediglich in 16 Bit vorzuliegen. Und die Bäume... also die stammen doch 1:1 aus "Forza 4" oder?

Was diese Konsolengeneration aber gar nicht mehr geht, ist das Geflimmere von der Stärke eines "Gran Turismo 6" (2013), sobald nur irgendwelche Straßenmarkierungen, Kabel, generell feingliedrige Konstruktionen oder Schrägen ins Bild kommen. Ganz ehrlich: Ein vernünftig kantengeglättetes 720p und anschließend auf 1080p skaliertes Bild wäre mir lieber gewesen. Zwei oder drei Meter vom Fernseher entfernt, ist es schon heftig, aber mach nicht den Fehler mal am Computermonitor zu spielen, das fühlt sich auf einigen Strecken mehr auf anderen weniger wie vor 20 Jahren in 640 x 480 Pixeln an - nicht vergessen: Damals saß man bestensfalls vor 15" Monitoren.

Bei den drei hässlichen Bildern handelt es sich um unbearbeitete Screenshots (ein Pixel im Bild entspricht weiterhin dem Originalpixel im Screenshot). Ich habe lediglich Ausschnitte gewählt, in denen die Pixelstufen besonders gut sichtbar sind bzw. im dritten Bild die seltsame Grobpixeligkeit bei gleichzeitiger Unschärfe der Wagentexturen. Die restliche Grafik während der Menüs usw. ist wirklich hervorragend, aber bei der eigentlichen Spielgrafik hat sich Turn 10 für "Forza 6" noch sehr viel Luft nach oben gelassen. Man wird sehen, ob insbesondere eine vernünftige Kantenglättung technisch überhaupt möglich ist, denn die speziell dafür vorgesehenen 32 MB eSRAM der Xbox One sind lediglich dreimal so schnell wie die 10 MB eDRAM der Xbox 360. 1080p ist aber gegenüber 720p bereits 2,25 Mal so aufwendig, für 4fache Kantenglättung wäre also der Faktor 9 angemessener.

Xbox One - Hardware

Und damit sind wir auch schon bei der Hardware der Xbox One angelangt. Zum Äußeren, also zur megaklobigen Optik - übergroße Geldkassette sucht VHS Rekorder zur baldigen Paarung - will ich gar nichts weiter sagen. Ich hatte zum Glück den nötigen Platz zum Aufstellen (inkl. dem für das Netzteil) und die PS4 sieht bei genauer Betrachtung auf ihre Weise ähnlich grauenvoll aus. Wirklich Sorgen machen mir die Innereien: Wer bei Microsoft die Latte so tief gelegt hat, weil er "in intelligenter Weise" "auf breite Unterhaltung gesetzt hat", ist hoffentlich schon lange entlassen und auf Schadensersatz verklagt worden. Ich weiß ja auch, dass die erste Version der 360 stromhungrig und die Kühlung entsprechend laut war, aber die One muss sich nun trotz und nicht aufgrund ihrer Hardware verkaufen.

Die Grafikeinheit der PS4 (800 MHz) und der Xbox One (853 MHz) sind im Prinzip identisch. Nur hat die PS4 18 Rechengruppen und die Xbox One hat 12. Die PS4 arbeitet mit GDDR5 mit 176 GB/s, die Xbox One mit DDR3 mit 68,3 GB/s. Was die PS4 da an Bord hat, ist auf sieben oder mehr Jahre betrachtet schon viel zu mager, aber die Xbox One ging bereits 2013 mit PC Hardware der Einstiegsklasse vergleichbar einer Radeon R7 260 an den Start. Auf einem PC mit einer R7 260 bekommt man z. B. "The Witcher 3: Wild Hunt" (2015) in 1.080p nicht mit 30 FPS zum Laufen und genau das spiegelt sich dann ja auch in der Xbox One Version wieder...

Xbox One - Betriebssystem

Nun hat aber gerade die PS3 gezeigt, dass sich schlechte Hardware (Grafikkarte) bzw. bescheiden zu programmierende Hardware (Cell CPU, 2x 256 MB RAM) und gute exklusive Spiele nicht zwingend ausschließen müssen, von daher sage ich (noch): Abwarten und Tee trinken. Anders sieht es beim Betriebssystem der Xbox One aus, das ich schnellstens geändert haben möchte. Zum einen, weil es die Frechheit besitzt, 138 GB der verbauten 500 GB Festplatte zu belegen bzw. für sich zu reservieren. Wo fucking für? Für die Grunzkacheln, die sich so intuitiv bedienen lassen, als würde ich Postkarten mit meinen Füßen malen? Zwei weitere Brocken wie die "Halo: The Master Chief Collection" und ich brauche eine externe Festplatte.

Zum anderen, weil ich drei Tage gebraucht habe, bis ich meinen ersten Screenshot im Kasten hatte. Microsoft ist zu dämlich, die Möglichkeit einen Screenshot aufzunehmen, meine Spielsession live zu streamen und meinen Penis in die Kinect Kamera zu halten, zu entkoppeln. Ich musste die Informationen aus zwei verschiedenen nicht Microsoft Foren zusammensetzen, um endlich die Lösung zu finden, dass Microsoft davon ausgeht, dass jemand, der seine Screenshots nicht sofort auf xbox.com hochläd, von vornherein gar keine machen will. Wir können alle froh sein, dass Microsoft keine Fotoapparate baut, wobei... kann man mit den Nokia Smartphones noch knipsen, nachdem Nokia komplett übernommen wurde?

Dass die Abwärtskompatibilität zur Xbox 360 jetzt in den nächsten Monaten so langsam anrollen soll, wenn nicht Lizensierungsprobleme noch einen Strich durch die Rechnung machen, begrüße ich natürlich. Bis dahin wäre es aber Klasse, wenn Microsoft schon mal seine Hausaufgaben macht, und ich gerade bei größeren Spieledownloads ein paar Informationen haben könnte, wie lange es denn bis zum Abschluss noch dauert. Und es wäre auch Klasse, wenn ich im Zusammenhang mit den Downloads wie bei der PS4 einfach entscheiden könnte, ob die Xbox One komplett ausgeht oder nur in den Standby, ohne dass ich jedes Mal tief in den Einstellungen herumfummeln muss.

Fazit:

"Forza 5" wäre mit einem Jahr mehr Entwicklungszeit sicherlich ein mindestens genauso gutes Spiel wie "Forza 4" geworden, aber dieses Jahr extra hat Microsoft Turn 10 nicht gegeben. Mal sind es kleine Patzer, wie etwa dass meine Affinitätsstufe zwar von 9 auf 10 und später von 13 auf 14 und dann sogar auf 15 steigt, ich aber trotzdem genausoviel Geld wie vorher bekomme, oder das der Sound nicht mehr so individuell konfiguriert werden kann und die Musik schrecklich ist. Und mal sind es richtig große Klöpse, wie die zu wenigen Strecken, der Versuch echtes Geld für die Autos zu nehmen, das fehlende Setup direkt vor dem Start in der Box, die unausgegorenen alternativen Rennmodi oder die praktisch komplett fehlende Benutzerführung zu einem tieferen Spielverständnis.

Am ärgerlichsten ist aber, dass ich hier die potentiell beste Steuerung in der Hand halte, die es jemals in einem Rennspiel abseits eines sündhaft teuren Lenkrades gab, aber dieses Potentiall erst einmal durch die verschrobenen Setups ohne Differential zunichtegemacht wird. Und als ich diese Hürde nur unter Aufbringung von Engelsgeduld genommen hatte, musste ich dann feststellen, dass die Auswertung der Trigger selbst bei minimaler Empfindlichkeit über einen viel zu kleinen Weg hinweg erfolgt, so dass ich immer, wenn ich schnell reagieren musste, dann doch extrem digital unterwegs war.

Mit anderen Worten: Wer "Forza 4" hat und nicht unbedingt auf einem der neuen Kurse seine Runden drehen muss, kann sich "Forza 5" komplett sparen. Zwar finde ich "Forza 5" in vielerlei Hinsicht immer noch besser als "Project CARS", insbesondere weil nicht fast alle Autos nur als vollverspoilerte Rennversionen vorliegen und ich nicht auf einmal Wettbewerbe fahren muss, die ich nicht mag, trotzdem hilft jetzt nur der Blick nach vorne. "Forza 6" muss es richten - und mein Tipp ist: "Forza 6" wird es auch tatsächlich richten!



  POSITIV:
  - Kariere wieder besser
  - Drivatare


  NEGATIV:
  - peinlicher Launchtitel
  - Setup im Nirgendwo
  - verschenkte Impulsetrigger
  - Echtgeldshop
  - starre Renndistanz