DESTINY

Bungie

(09.09.2014)

auch veröffentlicht auf PlayStation 3,
PlayStation 4 und Xbox 360


Nur noch wenige Wochen und wir werden wie jedes Jahr mit mehr neuen Videospielen zugeschissen als wir überhaupt kaufen oder zumindest in absehbarer Zeit spielen können, aber vorher hieß es wieder mal die saure Gurkenzeit zu nutzen, um sich nun günstig an einem etwas älteren Spiel zu versuchen - und mal ehrlich - welches Spiel, wenn man sich auch für den Aufwand der hinter Spielen steckt interessiert, bietet sich da mehr an, als das Megaprojekt "Destiny" der "Halo"-Erfinder Bungie.

Als "Destiny" damals im Rahmen der PS4 Vorstellung seinen ersten großen Auftritt hatte, klang der Ansatz ja ziemlich vielversprechend (ich meine jetzt nicht die Monetarisierung, sondern z. B. den Shooter in unserem realen Sonnensystem - zumindest Erde, Mond, Mars und Venus - spielen zu lassen), aber als ich dann kurz vor Release sah, wie meine Mitspieler ungelenk vor mir umhersprangen - und das ist echt etwas, auf das mein Magen sehr empfindlich reagiert - wurde es wieder von meiner Kaufliste gestrichen.



So schöne Musik!

Nun kann ich nicht sagen, wie es vor knapp zwei Jahren war, aber "Destiny" braucht immer noch ganz schön Zeit, um vom Startbildschirm überhaupt mal in die Strümpfe zu kommen, was aber dank der vielleicht besten Musik, die ich jemals in einem Videospiel gehört habe, fast gar nichts macht. Vom ersten Menü bis zum Bosskampf setzt die Musik das Spiel perfekt in Szene und läuft in meinen Augen der alles andere als schlechten Umgebungsgrafik aus atmosphärischer Sicht locker den Rang ab.

Aber zurück zum allerersten Menü, denn anders als bei reinen Shootern gilt es zu Beginn die eigene Figur (entweder Mensch, Erwachter oder Exo) nicht nur optisch zu gestalten, sondern auch zwischen drei Grundklassen zu wählen, die sich im englischen Original Titan, Hunter und Warlock nennen - und damit frappierend an "Hellgate: London" (2007) mit seinen ebenfalls drei Grundklassen Templar, Hunter und Cabalist erinnern. Dank solchen Oberschlonztexten wie: "Du bist eine gepanzerte Kriegsmaschine. Kontrolliere jede Schlacht mit Kraft und Strategie", "du bist ein Meister des Grenzlands. Jage und eliminiere deine Feinde mit gnadenloser Präzision", oder auch: "Das Universum beugt sich deinem Willen. Manipuliere seine Energien, um deine Feinde niederzustrecken", erfolgte die Charakterwahl bei mir mit geschlossenen Augen und fiel zufällig auf den Jäger.



Das Mittel rechtfertigt die Gründe

Ist aber auch herzlich egal, denn gleichgültig welche Charakterklasse ich auch wähle, zu Beginn des Spiels kehre ich immer ohne Verwesungserscheinungen irgendwo in Russland von den Toten zurück und so eine Hightech Drohne, genannt Geist, sagt: "Na ja, du warst lange tot, also wirst du vieles sehen, was du nicht verstehen wirst." Genau, lieber Geist, ich verstehe insbesondere nicht, wo Du hergekommen sein willst, aber die Lösung für alle erzählerischen Mängel, die ein Spiel so haben kann, kannte ich ja glücklicherweise schon aus "The Order: 1886" (2015): Nimm eine Waffe und töte alles, was sich bewegt.

Während mir die üblichen Funktionen wie Waffenwechsel, Nachladen, Zielen usw. erklärt werden, schieße ich mir den Weg zu einem Raumschiff frei, das mich zur letzten Stadt der Menschheit auf der Erde bringt, die hochgradig originell einfach nur die Stadt heißt. ÄCHZ!!! Auch sonst erfahre ich in dem besseren Pferch (es soll ein Turm sein), der an eine x-beliebige Stadt aus einem schlechten MMO erinnert, in der man aus Versehen das Stadttor zugemauert hat, wenig bis gar nichts zu meiner Person oder zur Gesamtsituation. COOL!!! Mal eben satte 500 Millionen Dollar für Marketing- und Produktionskosten verschwendet aber für die Implementierung der Story war nichts mehr über...



Einmal Bestimmung folgen, bitte!

Also besser zurück zur Spielmechanik: Genau wie meine eigene Figur steigen die Gegner in "Destiny" im Level auf, also muss die Ausrüstung, die ich finde, auch entsprechend immer bessere Werte aufweisen. Im Großen und Ganzen funktioniert dies gut und ansprechend, auch wenn es ab und an insbesondere Waffen gibt wie Scharfschützengewehre mit geringer Schlagkraft, was absurder nicht sein kann. Apropos absurd: Wie schon in den Halospielen steuert sich das Landfahrzeug, der Sparrow (ein Hoverbike), wie ein Pendel durch Kartoffelbrei. Zeigt mir mal die ganzen Betatester, die die Steuerung toll fanden, die müssen doch aus Epic Fail Videos bei YouTube stammen!!!

Da man nicht ständig auf den Dingern sitzen muss, ist das aber nicht so schlimm. Hingegen tragisch ist, dass sich "Destiny" spätestens alle zwei Stunden wiederholt. In den Storyeinsätzen laufe ich zunächst über relativ weiträumiges Gebiet, werde dann durch Gänge geprügelt und am Ende, während mein Geist irgendwelche Informationen aus was auch immer extrahiert, werden dann Wellen über Wellen an Gegnern über mir auf engsten Gebiet ausgekippt. Unter Abwechslung verstehe ich was anderes, aber dafür liegt der Fokus bei "Destiny" wohl zu sehr darauf, dass ich mich über den nächsten Schießprügel oder Helm freuen soll.



KI aus der Steinzeit der Videospiele

Nun sind die wenigsten Shooter wirklich abwechslungsreich, aber die Gegner KI von "Destiny" ist so dermaßen platt und so selten leicht auszurechnen, weil sich jede Einheit eines Typs immer genau gleich verhält, dass man nach wenigen Stunden jeden Laufweg kennt und sich im Schlaf durch die Gegner mäht. Besonders schön sind Szenen, in denen ganze Horden einen Sternlauf veranstalten, bei dem sie mit ordentlich Schaum vorm Mund direkt an mir vorbeirennen und dann am Treffpunkt nichts mit sich anzufangen wissen, sich aber auch nicht wieder besonders weit vom Treffpunkt entfernen. Was dann folgt, ist mit der englischen Redewendung "it's like shooting fish in a barrel" gut umschrieben.

Auch immer wieder zu beobachten, sind Aktionen, die Sinn ergeben, wenn sich ein Dutzend anderer Einheiten in der Nähe befindet, aber eben genauso abgespult werden, wenn die Einheit ganz allein ist. Neben so einigen Nahkämpfern mit suizidalen Tendenzen, die mir gern ins Messer rennen, ist mein absoluter Liebling ein Gegner, der nach kurzem Beschuss für etwa zwei Sekunden einen undurchdringlichen Schutzschild aufspannt, sich dabei aber kein Stück bewegt. Die Zeit lässt sich prima nutzen, um ihm danach genau zwischen die Augen zu schießen...



Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg

Nun könnte man ja meinen, dass die Geschichte bei "Destiny" lediglich zu Anfang nicht so richtig in Schwung kam, weil man ja bei Shooterfans sehr vorsichtig sein muss, dass sie gleich zu Beginn genug schießen dürfen. Aber irgendwann dürfte ich doch wohl erwarten, dass die Geschichte ihr Potential entfaltet. Diesbezüglich wurde meine Hoffnung gänzlich enttäuscht. Wer einmal einen Patrouillenauftrag angenommen hat, stößt auf Funksprüche wie: "Ich bin X, ich will Y, Details folgen", und Details folgen dann nie, weil es doch einfach viel mehr Zeit kostet, wenn ich wie Hein Blöd ergebnislos durch die Gegend renne.

Unbestrittener Anticlimax ist der Moment, an dem ich mit dem ersten Wesen Kontakt aufnehme, das nicht aus der Stadt stammt und das mit mir verbal kommuniziert - also mir nicht augenblicklich feindlich gesinnt ist, was logischerweise nicht weniger als der große Wendepunkt der Geschichte ist. Und die Dame (also das interpretiere ich jetzt einfach mal aus der weiblichen Stimme und dem Outfit, das ganz auf pubertierende Jungs zugeschnitten ist) sagt doch allen ernstes: "Ich hab keine Zeit zu erklären, warum ich nichts erklären kann." Aber vorher waren 15 Minuten Zeit da, mir getarnt beim Kampf zuzugucken anstatt zu helfen oder was?!?



Fazit:
"Destiny" bringt das Kunststück fertig, eine vom Ansatz eigentlich interessante Geschichte gar nicht zu erzählen. Ob ich Mensch, Erwachter oder Exo bin, interessiert im Spiel kein Schwein. Mir hat auch keiner erzählt, wie ich als Erwachter ein Hüter wurde, denn das Volk der Erwachten scheint doch alles andere als ein Fan der Hüter zu sein. Dass der globale Plot so tierisch abstinkt, ist allein schon jammerschade, aber viel schlimmer sind die total unglaubwürdigen, hilflosen Missionen, die sich daraus ergeben. Wenn etwas für die letzte Stadt so wichtig ist, warum können dann ein bis drei Idioten wie ich alle Probleme lösen?

Es fühlt sich total lächerlich an, wenn man mir vermitteln will, dass ich mehr durch Zufall als mit Absicht andauernd Aufgaben löse, an denen sich seit Jahrzehnten alle außer mir die Zähne ausgebissen haben. Erst recht, wenn die Lösung darin besteht, einfach nur irgendwo reinzumarschieren, durchzuladen und die völlig unorganisierten Feinde wegzublasen, die vielleicht für eine Gruppe ABC Schützen das Ende bedeutet hätten, aber ganz sicher nicht für die Lichtjahre entfernte letzte Stadt auf Erden. Und dann nochmal, und nochmal und dann wieder kaum variiert noch ein paar mal mehr.



Aber selbst wenn ich einfach mal sage: Scheiß mal auf das ganze Drumherum, konzentrieren wir uns nur auf die Spielmechanik, dann hat "Destiny" wenig mehr auf der Pfanne als damals "Halo 3" (2007) auf der Xbox 360. Zwar finde ich andauernd andere Sachen und spiele ein Bisschen mit meiner Ausrüstung, aber da sich die Gegner ständig im selben Korridor wie meine Ausrüstung befinden, ändert sich am Spiel und seiner megasimpel Mechanik überhaupt nichts. Eine Mission mit Charakterlevel 3 unterscheidet sich in keinster Weise von einer Mission mit Level 13, weil die KI mit grenzdebil noch wohlwollend umschrieben ist.

Am Ende bleibt ein Spiel, das optisch und akustisch natürlich deutlich besser als das bereits erwähnte "Hellgate: London" ist, aber in allen anderen Bereichen mindestens mal eine ähnliche Bauchlandung hinlegt. Was sollen diese überlangen Laufwege in der Stadt, warum ist das Ding so schwachsinnig aufgebaut? Dass tatsächlich eine größere Anzahl an Spielern die Erweiterungen gekauft haben und vor allen Dingen auch immer noch tatsächlich aktiv spielen, ist mir ziemlich unverständlich. Es spricht nichts dagegen - gerade mit zwei Mitspielern - sich einmal von Anfang bis Ende durchzuballern, aber dann ist auch wirklich gut. Verglichen mit dem Stumpfsinn hier, ist "Diablo III - Ultimate Evil Edition" (2014) ein Meilenstein, aber selbst dieses Spiel kann mich nicht monatelang binden.


Steuerung (15%):
Grafik (15%):
Balance (15%):
Handlung (15%):
Sound (10%):
Zugänglichkeit (10%):
Komplexität (10%):
Spieldauer (10%):