HORIZON:
Zero Dawn

Guerrilla Games

(01.03.2017)

auch veröffentlicht für Windows PCs


Bis ich die Verpackung von "Horizon: Zero Dawn" in den Händen hielt, hatte ich nicht einmal bemerkt, dass der Titel von Guerrilla Games entwickelt worden war, deren "Killzone 2" (2009) und "Killzone 3" (2011) für die PS3 ich liebe - und deren miesen PS4 Lauchtitel "Killzone: Shadow Fall" (2013) ich schon nach wenigen Stunden unerträglich fand. Zum Glück für Guerrilla verkaufte sich der Mist, weil es so wenige exklusive Launchtitel für die PS4 gab, trotzdem ebenso oft - nämlich etwa drei Millionen mal - wie die Vorgänger, so dass - nachdem seit 2011 etwa 20 Personen am Prototypen werkelten - ab 2013 mit voller Mannschaftsstärke an "Zero Dawn" gearbeitet werden konnte.

Ganz neuer Ansatz

Am Ende ist ein trendiges Open World Spiel mit den üblichen Regionen (warmgemäßigte Zone, trockene Subtropen, subpolare Zone etc.) im Stil von "Ezio zum Besuch beim Witcher" dabei herausgekommen, das bis auf die Grafikengine keine Gemeinsamkeiten mit dem Shooter hat. Unser weiblicher Alter Ego mit Namen Aloy, * 04.04.3021, lebt (mal wieder) in einer postapokalyptischen Welt, über die sie und auch die anderen Bewohner nur wenig wissen - und das was sie wissen, möchten sie ausgerechnet nicht mit Aloy teilen, denn Aloy ist aus Gründen, die mit ihrer Mutter zusammenhängen müssen, von ihrem Stamm ausgestoßen worden und wächst bei dem ebenso ausgestoßenen Ross auf.

Aloys einzige Chance dies zu ändern, besteht darin, den Initiationsritus des Stammes, das sog. Proving, einen gefährlichen Hindernislauf für junge Erwachsene zu gewinnen, denn der Gewinner wird nicht nur wieder in den Stamm aufgenommen, sondern hat auch noch eine Frage frei, die da lautet: "Wer war meine Mutter?" Mehr soll an dieser Stelle hierzu nicht verraten werden, naja, außer vielleicht, dass im ersten und letzten Viertel die originelle Geschichte richtig stark ist und in der Mitte - also im beliebigen Open World Abschnitt mit den wie üblich meist ebenso überwiegend beliebigen Nebenfiguren und Nebenaufgaben - ziemlich verwässert wird und oft genug vollständig in den Hintergrund tritt.

Roboterdinosaurier

Bei Roboterdinosauriern musste ich sofort an das Vormittagsprogramm für Jungen unter sechs Jahren auf den werbeverseuchten Sender denken - und wandte mich gedanklich voller Fremdscharm ab. Aber irgendwer bei Guerrilla konnte sich letztlich mit dieser Idee durchsetzen, weil sich spieltechnisch damit vor allen Dingen verschiedene Trefferzonen (und zusätzlichen Waffensystem) besser als bei echten Dinosauriern begründen lassen. Solange ich auf Distanz bleiben kann oder die Roboter nicht deutlich größer als ein Säbelzahntiger sind, funktioniert das Kampfsystem mit nur zwei Schlägen, ein paar Fallen und verschiedensten Pfeilen für verschiedenste Bögen auch richtig gut.

Sind die Viecher jedoch bei meist unverminderter Geschwindigkeit groß wie ein Elefant oder sogar noch größer, dann wird schnell eine Diskrepanz zwischen der absoluten Tödlichkeit, die sie eigentlich verkörpern, und meinen immer noch verdammt guten Überlebenschancen deutlich. Regelmäßig verzichten meine Gegner darauf mir den Todesstoß zu versetzen, indem sie in meinen Augen grundlos wieder von mir ablassen oder ihre besten Angriffe nur äußerst sporadisch einsetzen. Einzige Ausnahme sind die Kämpfe im Rahmen der Questreihe für die Jägergilde, die auch mit zehn Leveln oberhalb der Empfehlung brutal schwer sind.

Gute Open World, schlechte Open World

Die Landschaften - vielleicht abgesehen von den wüstenähnlichen Gebieten (aber was soll daran auch wirklich toll aussehen) - sind dank gut eingesetztem HDR selbst auf der ursprünglichen PS4 so schön und so organisch, dass es sich dafür lohnt eine SSD in die Konsole zu schrauben, damit auch ja immer die hochaufgelösten Texturen rechtzeitig geladen werden können. Vielleicht fehlt es manchen Gebieten so ein kleines Bisschen an der nötigen Ausdehnung, um glaubwürdig sichere und gefährliche Zone (z. B. Dorf und Banditencamp) nebeneinander existieren lassen zu können, aber im Großen und Ganzen hat Guerrilla ein feines Händchen bewiesen.

Leider nicht so sehr bei der Einbindung der Vertikalen. Natürlich kommen die verschiedenen Höhenstufen optisch richtig Klasse und sicherlich ist es rein spieltechnisch ein großes Plus, dass Aloy die extrem unglaubwürdige Kondition hat, um sich innerhalb von einer Minute 100 Meter senkrecht in die Höhe zu schrauben. Nur wer soll bitte die ganzen Kletterhilfen in Form von Seilen oder auch in den Stein geschlagenen Griffen an den Bergwänden angebracht haben? Das ergibt an der ganz überwiegenden Anzahl der Stellen nicht einen Furz voll von Sinn, weil es für kaum jemand anderen als Aloy - selbst wenn er ihre Kondition hätte - überhaupt einen Sinn macht, diese Route mehrmals zu wählen.

Wo kommen die Roboter her?

Während ich in den ersten paar Stunden die verschiedenen Roboter lediglich als Gegner mit verschiedenen Angriffsmustern wahrgenommen habe, ist der erste Kontakt mit einem passiv im Kreis laufenden Langhals, der aussieht wie ein Brachiosaurus mit fliegender Untertasse als Kopf, der Moment, in dem klar wird, hier geht es um etwas größeres. Denn die fliegende Untertasse erinnert auf den zweiten Blick nicht nur stark an das Airborne Early Warning and Control System (AWACS) eines Flugzeugs, sondern hat anscheinend auch eine ganz ähnliche Funktion. Jedenfalls spuckt das Ding die Koordinaten von etwas aus, was sich Kessel Sigma nennt, und der Ort sein soll, in dem die Roboter entstehen.

Und einmal lasse ich mir den extrem technischen aber repetitiven Stil der Kessel, die realistische aber spieltechnisch völlig bescheidene Ausleuchtung, die Möchtegern-Rätsel und die Kämpfe auf manchmal zu engem Raum auch gern gefallen, aber wer sich nach Sigma auch noch Epsilon, Psi, Rho, Xi und Zeta antun will, muss schon sehr viel Spaß an der Belohnung haben, weitere Robotertypen übernehmen zu können. Denn so furchtbar viel bringt das nicht, abgesehen von den Robotern, die ich als Pferdchen missbrauchen kann, weil sie einerseits den Ort der Übernahme praktisch nicht verlassen und ihr Aggroradius gegenüber anderen Robotern kleiner ist als zuvor gegenüber mir.

Keine unnötigen Patzer

Damit habe ich nun aber auch schon alles Negative rausgehauen, was mir zu "Zero Dawn" einfallen könnte. Wie schon in ihren anderen Spielen hat Guerrilla zwar einige wenn auch nicht dutzende starke bzw. tiefgründige Charaktere am Start, was vielleicht auch ein Bisschen der Tatsache geschuldet ist, dass es immerhin ihr erstes Rollenspiel ist, aber dafür wieder richtig gute Sprecher. Wobei ich gar nicht darum herumkommen kann, Ashly Burch in ihrer Sprecherrolle als Aloy nach dem Modell von Hannah Hoekstra hervorzuheben, für die Burch ja auch ihren zweiten Golden Joystick Award nach "Life Is Strange" (2015) völlig zu Recht erhalten hat.

Ganz anders als Lara Croft in ihrem Reboot "Tomb Raider" (2013) wirkt die kommunikative Aloy und die tötende Aloy völlig konsistent und es gibt auch keinen seltsamen Bruch zwischen der jungen Frau am Anfang und am Ende ihres Abenteuers. Egal ob Freude, Trauer oder Wut - Burch trifft den Nagel so dermaßen auf den Kopf, dass ich ihre Performance auf eine Stufe mit Jennifer Hales Commander Sheppard in "Mass Effect 2" (2010) stellen würde. Würde Burch aus irgendwelchen Gründen für "Horizon: Forbidden West" (2021) nicht zur Verfügung stehen, hatte Guerrilla ein kaum zu überwindendes Problem.

Smarte Entscheidungen

"Zero Dawn" war über drei Jahre ein PS4 exklusives Spiel und Guerrilla konnte und wollte daher bei der grafischen Benutzeroberfläche weniger Kompromisse eingehen, als dies etwa bei "The Witcher 3: Wild Hunt" (2015) nötig gewesen war. Außerdem ist sehr schön zu sehen, dass wie bei dem anderen großen 2017er Open World Spiel "Legend of Zelda: Breath of the Wild" unnötige Komplexität vermieden wurde. Es gibt nicht hunderte Materialien für das Crafting, es gibt nicht dutzende von Waffen, Rüstungen etc., die sich dann jeweils nur marginal unterscheiden, sondern es ist immer ganz klar, welche Vor- und Nachteile die jeweilige Ausrüstung hat, was natürlich die Auswahl erleichtert und enorm beschleunigt.

Denen, die es etwas realistischer mögen, stößt dabei vielleicht sauer auf, dass etwa für die höchste Ausbaustufe der Schnellreisefunktion zwingend ein Fuchsfell gebraucht wird, das selbst mit der Fähigkeit "Expert Carver" und etwas Pech eine Stunde auf sich warten lässt, oder das sich eine Tasche im Rahmen von Crafting ausgerechnet mit Hilfe von Metal Shards (der Ingame Währung), Stöckchen und Fuchsknochen vergrößern lässt (eher nicht, gell?!?). Aber insgesamt funktionieren alle Systeme innerhalb des Spiels sehr gut, es gibt keine Vorteile, die ich einfach so geschenkt bekomme und auch keine, die völlig unerreichbar oder nur mit tagelangem Grinding erspielt werden können.

Fazit:

Während der Shooter Markt eigentlich aus kaum noch mehr als dem jährlichen "Call of Duty"-Aufguss besteht, hat sich die neue Rollenspiel IP "Horizon: Zero Dawn" bis heute zehn Millionen Mal verkauft und Guerrilla Games ist damit in den Rang eines AAA Studios aufgestiegen. Und ich finde ganz zu recht, denn ich habe bisher völlig unterschlagen, dass der Kampf gegen menschliche Gegner, von denen es auch nicht gerade wenige gibt, mir noch etwas mehr Spaß macht, als gegen die Saurier zu kämpfen. Mein Sohn ist jedenfalls großer Fan davon, den menschlichen Gegnern Pfeile in den Kopf zu schießen.

Und da wir gerade mehr oder minder beim Thema sind: Genau wie die Freigabe ab 18 für "Killzone 2" und "Killzone 3" gerechtfertigt war, so ist nun die Freigabe ab 12 für "Zero Dawn" vollkommen in Ordnung. Aloys Geschichte ist nicht frei von bösen Menschen und Rückschlägen und daher manchmal ganz schön bedrückend, setzt aber anders als die Anspielungen in der "Killzone"-Reihe kein historischen Vorwissen voraus. Auch wird sie ganz ohne Splatter um des reinen Splatter Willens erzählt und selbst nach längerer Zeit in einem der Kessel oder anderen Ruinen wird die Atmosphäre nicht so bedrohlich, dass Alpträume oder irgendwelche Langzeitschäden zu befürchten sind.

Mit verantwortlich dafür ist Aloys durchweg glaubwürdige "wir schaffen das schon"-Einstellung, die sie zu der besten Highfantasy Heldin macht, die mir überhaupt gerade einfallen will. Sicherlich kann ich mich in ihrer Rolle dafür entscheiden, auch mal wen über die Klinge springen zu lassen, aber dann hat er es auch durchaus verdient - also jedenfalls mehr als die arme Sau, die Sheppard von Jack per aufgesetzten Kopfschuss töten lässt. Will sagen, was das nur zwei Tage später erschienene "Breath of the Wild" "Zero Dawn" bei Kampfsystem und Rätsel voraus hat, hat "Zero Dawn" dann genauso umgekehrt bei Charakteren und Geschichte voraus, so dass Open World Freunde zumindest mit einem der beiden Spiele glücklich werden können müssten.

Wer sich ausschließlich auf die Hauptquest konzentriert, was auf den höheren Schwierigkeitsgraden nicht ganz einfach werden dürfte, bekommt den Abspann nach etwa 30 Stunden zu sehen. Wer alle Nebenquests mitnimmt, ist mindestens doppelt solange unterwegs. Und wer dann immer noch einen Grund sucht, um in einer der aktuell immer noch schönsten Spielwelten herumzustrolchen, kann für drei Sammler in der größten Stadt des Spiels Metallblumen (keine Ahnung, was das wirklich ist), Holzskulpturen und kaputte Kaffeepötte in den entlegensten Winkeln und auf den höchsten Bergen suchen.


  POSITIV:
  - starke Engine
  - starke Landschaften
  - extrem überzeugende Heldin
  - tolle Geschichte
  - guter Fernkampf


  NEGATIV:
  - schwacher Nahkampf
  - zu große Gegner
  - schwächerer Mittelteil