XBOX ONE S
All Digital Edition

Microsoft

(07.05.2019)


Mit der Xbox One S - All Digital Edition mit dem idiotischen deutschen Slogan "Gaming ohne Datenträger" - weil Festplatten ja zum Glück keine Datenträger sind ;) - veröffentlicht Microsoft ein absolutes Novum: Ein Produkt, das sich problemlos rezensieren lässt, ohne es zu kaufen oder wenigstens irgendwie damit in Kontakt gekommen sein zu müssen, denn die "All Digital Edition" müsste eigentlich - zugegeben weniger cool - "Ohne Blu Ray Laufwerk Edition" heißen, denn auch auf der Blu Ray lagen die Daten ja nicht analog vor. Doch um zu verstehen, wie saublöd die neueste Version der Xbox One wirklich ist, muss ich erst einmal die holperige Geschichte der Konsole Revue passieren lassen.

Am Anfang war die Katastrophe

Die Vorstellung der Xbox One am 21. Mai 2013 gilt vielen - mir eingeschlossen - als das größte PR-Debakel der Branche. Der damalige Spartenchef Don Mattrick versuchte die Konsole mit dem denkbar hohlen Namen, die aussah wie ein mit Klarlack überzogener Luftbefeuchter mit externem Netzteil, ernsthaft als das zu präsentieren, wonach es allen Xbox 360 Fans am meisten dürstete: Potentiell mögliche Überwachung per Kinect, Gebrauchtspielsperre, Onlinezwang und Fernsehgucken. Echte Argumente für einen Kauf bei Veröffentlichung: Keine! - Angry Joe hatte anschließend den exakt gleichen Gedanken wie ich: "If you can not bring the good stuff to your reveal - DON'T DO THE REVEAL!!!"

Natürlich hätte Sonys PlayStation 4 sowieso schon allein aufgrund der verbauten Hardware, die oftmals den Unterschied zwischen Full HD und eben nicht Full HD ausmachte, den besseren Start hingelegt, aber mit gleich mal soviel unverhoffter Schützenhilfe durch den direkten Konkurrenten war das Rennen für immer entschieden, bevor man überhaupt richtig losgelaufen war.
Auch die Rolle Rückwärts vom 19. Juni 2013 bezüglich Gebrauchtspielsperre und Onlinezwang und die Freistellung von Don Mattrick im Monat darauf änderte nichts mehr an dem verpatzten Release, weil kaum jemand Weihnachten 2013 unbedingt 100 € mehr für die schlechtere Konsole im Zwangsbundle mit einem Kinect ohne Killerapplikation (Wer kann spontan auch nur ein einziges Kinectspiel für Xbox One nennen?) zahlen wollte.

Im Detail noch schlimmer

Wer die Xbox One trotzdem irgendwann kaufte, etwa nachdem sie auch ohne Kinect ab Juni 2014 zu haben oder weil die PS4 mittlerweile teurer oder gerade mal wieder ausverkauft war ;) - erlebte gleich die nächsten Überraschungen der eher unerwarteten Art: Von den beworbenen 500 GB der Festplatte waren lediglich 362 GB nutzbar, was selbst bei den Spielen zum Release wie "Ryse: Son of Rom" (35 GB) oder "NBA 2K14" (44 GB), deren Installation von Disc zwischen 50 und 65 Minuten dauerte, keine guten Aussichten waren. Die Hürden in den Einstellungen, wenn man z. B. einen Screenshot aufnehmen wollte, ließen sich nur mit Hilfe mehrerer nicht von Microsoft betriebener Foren nehmen, weil Microsoft von Benutzerführung und Foren keinen Blassen hat.

Und die Bedienung des Dashboards war im Vergleich zur Xbox 360 nicht die Bohne intuitiv und lahm (und ich meine richtig lahm), weil es eine zusätzlich mit Kinect bestrafte Windows 8 Kacheloberfläche für Touchscreens war ohne ein Touchscreen zu sein. Seitdem laboriert Microsoft regelmäßig am Dashboard herum, ohne jemals in Schlagdistanz zum viel klareren Dashboard der PS4 zu geraten, und hat mit dem Update auf Windows 10 unter der Haube im November 2015 noch zusätzlich dafür gesorgt, dass die Konsole langsamer bootet als ein uralter Laptop und nun wie ein Windows PC mit klassischer Festplatte mit der Zeit immer langsamer wird, so dass sich bei intensiver Nutzung eine Neuinstallation bzw. ein Factory Reset alle halbe Jahre anbietet (wird später noch wichtig).

Es musste sich etwas ändern

Doch zurück ins Jahr 2014: Die Xbox Sparte bei Microsoft schiebt Frust. Die ersten Monate nach dem Release liefen denkbar schlecht und es ist bereits absehbar, dass das Weihnachtsgeschäft 2014 keinen Deut besser laufen wird, weil die Vorteile der PS4 sich verselbstständigt haben. Und es ist ebenso absehbar, dass Sony nur die besseren Exklusivtitel braucht, um den Abstand weiter auszubauen, wenn sich nichts Grundlegendes ändert. Aus menschlicher Sicht ist aber noch viel schlimmer, täglich mit vollem Einsatz an einem Produkt arbeiten zu sollen, das gefühlt keiner liebt. Wäre Steve Ballmer weiterhin CEO von Microsoft gewesen, hätte sich an dieser ganzen Misere vermutlich auch nie etwas geändert, aber unter Satya Nadella darf man seit Februar 2014 auch Fehler in offiziellen Meetings ehrlich benennen und muss sie nicht ständig wiederholen.

Und siehe da: Noch noch vor der E3 2014 redet der neue Spartenchef Phil Spencer öffentlich darüber, dass die guten Ideen der Xbox Fans - man hat fast das Gefühl das allererste Mal in der Firmengeschichte - auf Umsetzbarkeit geprüft werden. Während der E3 Präsentation erhält dann auch folgender, eigentlich platter Satz von Phil den meisten Jubel: "Today, we are dedicating our entire briefing to games." Nur ist das alles noch nichts, was einem neue Käuferschichten erschließt. Doch Microsoft bringt in den nächsten Jahren tatsächlich drei Sachen auf Reihe:

  1. Das Update vom November 2015 macht die Xbox One abwärtskompatibel zur Xbox 360. Etwas, was die PS4 aufgrund der Cell CPU in Bezug auf die PS3 nie leisten können wird. Aufgrund von Lizenzen kann zwar nicht jedes Spiel emuliert werden und die damals 104 bzw. heute 560 (Stand 09.05.2019) müssen erst neu lizenziert heruntergeladen werden, aber um den Download zu starten, reicht die Original Disc bzw. eine bereits auf der Xbox 360 erworbene Lizenz aus, es entstehen also keine weiteren Kosten. Die Spiele laufen schöner und besser als im Original und von 30 Titel - u. a. "Red Dead Redemption" und "The Witcher 2" - gibt es sogar 4k Versionen für die Xbox One X.
  2. Die Hardware wird zweimal verbessert - Xbox One S (August 2016) und Xbox One X (November 2017) - und zwar ohne die bisherigen Xbox One Käufer großartig zu verärgern, weil die S neben HDR10 nur kleinere sinnvolle Verbesserungen erfahren hat, die man durchgehen lässt, und weil die X so kräftig ist, als wenn es sich um eine andere Konsolengeneration handeln würde.
  3. Das Konzept der halbherzigen Spieleflatrate EA Access - gestartet am 11.08.2014 - und des zunächst eher auf Streaming von PS3 Titeln fokussierten PlayStation Now (13.01.2015) wird vom eigenen Game Pass soweit kopiert und verbessert, dass man praktisch vom Start am 01.06.2017 weg das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet.

Zurück zu alten Ufern

Doch 3 1/2 Jahre wohlüberlegtes Vorgehen fanden mit dem 07.05.2019 nun ein jähes Ende, denn was ist die "All Digital Edition" anderes als die Rückkehr der Gebrauchtspielsperre und des Onlinezwangs? Warum sollte ich eine gleich teure Konsole kaufen, die keinerlei Veränderung erfahren hat, außer dass aus ihr das Blu Ray Laufwerk mal eben ausgebaut wurde? Wenn ich aus irgendwelchen perfiden Gründen, die normale S wie die digitale S nutzen will - mich also zusätzlicher Möglichkeiten beim Filme gucken und der Abwärtskompatibilität bzw. gebrauchter Spiele berauben will - könnte ich ja einfach weißes Klebeband über den Einzugsschacht kleben. Egal wie lange ich also über die "All Digital Edition" als Produkt nachdenke, mir will nichts einfallen, was einen Mehrwert für mich als Konsumenten darstellt.

Im Gegenteil: Der real verfügbare Speicherplatz von 781 GB ist heutzutage knapper bemessen denn je, weil er gerade einmal für etwa 15 Blockbuster reicht, und zieht - gerade wenn man viele Titel des Game Pass ausprobieren möchte - entweder den Kauf einer externen Festplatte nach sich oder für die meisten Internetnutzer in Deutschland den langwierigen erneuten Download, insbesondere wenn man seine Xbox One wegen Windows 10 Verstopfung komplett bügeln will. Die bereits angesprochenen Blockbuster lassen sich zudem auf Disc in den ersten Monaten nach Release mindestens 10 € günstiger gegenüber dem Preis im Microsoft Store erwerben, in dem aus Prinzip erst einmal alles ewig 70 € kostet - und es besteht zudem die Möglichkeit des Verleihs an Freunde oder des Weiterverkaufs, wenn man mal wieder voll ins Klo gegriffen hat.

Fazit:

Das Fazit kann nur lauten: Massives Finger weg! Bitte, bitte nicht kaufen!!! Bitte keinen neuen saublöden Trend starten und damit insbesondere Microsoft auf weitere saublöde Ideen für die nächste Konsolengeneration bringen. Wenn irgendwer so spät im Lebenszyklus unbedingt noch eine Xbox One neu erwerben will, weil er z. B. möglichst günstig "Fortnite Battle Royale" (2017) spielen möchte oder mit "Gran Turismo Sport" (2017) nicht so glücklich wurde, dann bekommt er alle paar Wochen ein deutlich besseres Angebot bei den üblichen Verdächtigen.

Nicht einmal die Spielauswahl der "All Digital Edition" ist besonders interessant, da mit "Forza Horizon 4" (2018) ohnehin ein neuerer Teil vorliegt und "Mindcraft" (2014 auf Xbox One erschienen) und "Sea of Thieves" (2018) auch Teil des Game Pass sind, der für mich unbegreiflich nicht einmal für ein paar Monate gratis beiliegt. Und der eine magere Monat Xbox Live Gold Probemitgliedschaft liegt anscheinend auch nur bei, weil man ansonsten "Sea of Thieves" gar nicht spielen könnte.



  POSITIV:
  - erm... NICHTS!!!


  NEGATIV:
  - kein Blu Ray Laufwerk
  - dadurch Nachteile bei
    * Blu Rays / DVDs / CDs
    * gebrauchten Spielen
    * Abwärtskompatibilität
    * Schnäppchen