Shin Megami Tensei:
DEVIL SURVIVOR
OVERCLOCKED

Atlus

(29.03.2013)


Eigentlich wollte ich als nächstes was zu "Super Mario 3D World" (2013) schreiben, aber dies hier wurde dann wichtiger. Der Bandwurm "Shin Megami Tensei: Devil Survivor Overclock" (SMT: DSO) wird als einer der sog. Geheimtipps für Nintendos 3DS Plattform gehandelt, also habe ich Idiot aufgrund nachvollziehbar positiver Kritiken zugegriffen - und möchte schon jetzt sagen: Dies hier ist eher eine Warnung an alle potentiellen Käufer da draußen. DON'T BELIEVE THE HYPE!!! Dieses Spiel ist nur unter ganz bestimmten Umständen Dein Spiel.

"Shin Megami Tensei: Devil Survivor" erschien 2009 für den Nintendo DS - allerdings nur in Japan und Nordamerika. Mitte 2011 folgte dann in diesen Regionen die Portierung mit ein paar Extras auf den 3DS mit dem "Overclocked" Namenszusatz und fast zwei Jahre später kroch dann die europäische Version aus einem Loch, in dem sie besser noch zwei Monate länger geblieben wäre, denn zwei recht seltene, aber dafür herbe Bugs - der eine pausierte das Spiel für fünf Minuten, der andere ließ es sogar komplett abstürzen - setzten dem Spielspaß doch etwas zu, bis endlich der Patch kam.

DS Trauerspiel für den 3DS?

Natürlich gibt es keine klare Grenze, ab wann ein Videospiel eine gute Grafik hat, aber wer meint "SMT: DSO" hätte eine, lehnt sich schon sehr weit aus dem Fenster. Mit Nichtwissen sage ich, dass die 3DS Version keine grafischen Effekte zündet, die nicht auch auf dem DS schön möglich gewesen wären. Warum ich mir ziemlich sicher sein kann mit dieser Behauptung? Es gibt gar keine Effekte - jedenfalls keine, die ich nicht schon in ähnlicher Qualität auf dem C64 bei "Phantasie" (1985) gesehen hätte.

Was dem Fass jedoch wirklich den Boden ausschlägt, ist die Perspektive der Schlachtfelder. In den Optionen kann man wählen, ob die Steuerkreuztasten eine um 45 Grad nach links oder rechts verschobene Bewegung auslösen, waaahahaha, was für ein "Spaß", ich brauchte geschlagene 10 Spielstunden, bis ich meinen Cursor nicht mehr aus den Augen verlor, weil ich ihn ganz woanders erwartet hatte. Und obwohl die Schlachtfelder immer auf dem 4:3 Touchscreen des 3DS angezeigt werden, gibt es keine alternative Steuerung.

Vollvertonung = Vollverschwendung

Warum Atlus ausgerechnet für "SMT: DSO" und seine oft sterbenslangweiligen und gebetsmühlenartigen Gespräche zwischen den Charakteren die Kohlen für eine recht professionelle Vollvertonung locker gemacht hat, gehört für mich zu den größten Rätseln der Videospielgeschichte. Das Spiel hat mit dem Sidekick Atsuro ziemlich genau einen liebenswerten Charakter, den Rest will ich fast durch die Bank bereits nach dem ersten Treffen nie wiedersehen, inkl. der einzig stummen Figur - richtig der eigenen Spielfigur - die mal gleich gar keinen Charakter zu haben scheint.

So richtig schlimm ist Yuzu, der ihr Resthirn schon vor Jahren in ihre Riesentitten gerutscht sein muss. Jedes Mal, wenn Yuzu das Maul aufmacht, will ich ihr sofort meinen Penis reinschieben, damit ich ihr sinnentleertes Gefasel nicht noch länger ertragen muss. Zu allen Unglück für die restliche gute Musik ist die immer gleiche Mucke während der Kämpfe ebenso hochgradig nervtötend wie Yuzu, so dass ich drauf und dran war, das Spiel komplett stumm zu spielen.

Es gibt immer einen Grund

Aufgrund einer Dämoneninvasion in einer von Regierungstruppen geschaffenen Quarantäne festzusitzen, ist ein super Auftakt, wird aber ohne jeden Survivalhorror und auch sonst vorrangig keimfrei wie Kochwäsche umgesetzt. Die in verschiedenen Kulturkreisen zusammengeklauten Brocken, die zum nächsten Handgemenge führen, driften mit zunehmender Spieldauer immer mehr in technischen, soziologischen und religiösen Blödsinn ab, weil meine drei bis vier Teenies mit derartigen Stahlnerven gesegnet sind, dass sie normale Probleme gar nicht zu lösen brauchen. Die Kämpfe selbst - der Kern des Spiels - sind abgesehen von den Cursorproblem dann auch der einzige Teil des Spiels, der wirklich gelungen ist.

Wie es sich gehört, gibt es physikalische und magische Angriffe, deren Ziel ein Gegner, alle Gegner oder zufällig viele Gegner sein können. Die Angriffe werden nach und nach in mehreren Qualitätsstufen erlernt und entsprechende Resistenzen und Schwächen, deren Kürzel man ruhig in dem ansonsten guten Handbuch erklären hätte dürfen, ergeben dann zusammen eine sehr runde Spielmechanik, bei der es also im Wesentlichen darum geht, mit mehr Wumm als der Gegner durch die Deckung zu schlagen. Schade nur, dass ich lediglich die Stats der Hauptfigur selbst wählen darf und alle anderen automatisch aufleveln.

Aber auch diese Zutat wird noch weiter getrübt: Zum Einen steigt der Schwierigkeitsgrad nicht linear an, sondern überrascht mit üblen Sprüngen (zur Kompensation haben die Entwickler wenigstens einen beliebig oft wiederholbaren Kampf zur Verfügung gestellt, um sich ein paar Level zu ergrinden), zum Anderen werden während einer Auseinandersetzung gern mal neue Siegbedingungen überraschend ausgegeben, die sich aufgrund der Position der eigenen Figuren zu diesem Zeitpunkt aber gar nicht mehr erfüllen lassen. Da heißt es dann schon mal 30 Minuten abschreiben und neuladen.

Kommt hier noch etwas Dämon hin?

Um mit einer Horde gesichtsloser Dämonen in die Schlacht ziehen zu können, braucht es in der Welt bzw. dem Tokio von "SMT: DSO" nur ein paar Netbooks genannt COMPs und die Dämonenwährung Macca, die ich einsacke, wenn ich Dämonen die Fresse poliere. Für ein Bisschen Macca kann ich dann weitere Dämonen online ersteigern. Wie das ganze Abrechnungsverfahren funktionieren soll, versucht Atlus gar nicht erst zu erklären, da z. B. "Binary Domain" (2012) eine ganz ähnliche Schiene fährt, gehe ich jetzt einfach mal davon aus, dass mir schlicht ein Stück japanische Allgemeinbildung fehlt.

Noch unerklärlicher wird es ab der Stelle, ab der ich kostenlos zwei Dämonen zu einem neuen (hoffentlich besseren) verschmelzen kann. Spieltechnisch macht das total Sinn und ist mit die größte Gaudi, die "SMT: DSO" zu bieten hat, nur warum gerade Dämonen nun auf einmal so komplett selbstlos eine derartige Handlung zulassen sollten, werde ich auch nicht verstehen, wenn ich noch ein paar mehr Stunden darüber nachdenke.

Fazit:

Wer fast blind ist und Rundenstrategie so spielen kann wie viele Leute Egoshooter, nämlich ohne einen Furz auf die Handlung usw. zu geben, der kann "SMT: DSO" bedenkenlos kaufen. Allen anderen würde ich jedoch dringend dazu raten, lieber noch dreimal "Fire Emblem: Awakening" (2013) zu spielen als auch nur einmal "SMT: DSO" anzufassen. Ich kann den Ansatz des Spiels sehr gut nachvollziehen, aber die Umsetzung ist schlecht und hoffnugnslos veraltet.



  POSITIV:
  - die Kämpfe
  - das Dämonenverschmelzen


  NEGATIV:
  - der ganze verdammte Rest