MAX PAYNE 3

Rockstar Vancouver

(18.05.2012)

auch veröffentlicht auf
PS3 und für Windows PCs


"Max Payne" (2001) und "Max Payne 2" (2003) waren in meinen Augen die mit einigem Abstand besten 3rd person Shooter ihrer Zeit und hätte sich der finnische Originalentwickler Remedy Entertainment nicht "Duke Nukem"-Style mit "Alan Wake" (bereits 2005 angekündigt, erst 2010 veröffentlicht) verzettelt, hätte sicherlich niemand geschlagene neun Jahre auf eine Fortsetzung warten müssen.

Am spieltechnischen Kern sind im nunmehr dritten von Rockstar entwickelten Teil nur wenige Änderungen zu beobachten, was bedeutet, dass man auch in diesem Jahrzehnt mit ein oder zwei Schusswaffen durch Gegnerhorden mäht, ab und an den Lauf der Zeit verlangsamt, um die Feinde besser aufs Korn zu nehmen, und Schmerztabletten in eigentlich totsicheren Mengen einwirft, wenn man den Gegnern seinen Körper zu sehr feilgeboten hat.

Max knows Deckung

Die auffälligste Änderung ist die Einführung eines Deckungssystem, wie man es aus der "Gears of War"-Reihe kennt und zuletzt etwa wieder in "Mass Effect 3" (2012) gesehen hat. Allerdings mit dem Unterschied, dass man in "Max Payne 3" längst nicht so sicher hinter seiner Deckung ist, wie in den meisten anderen Spielen, denn die Übeltäter sind ungleich weniger passiv und flankieren die Spielfigur einerseits schnell und regelmäßig und andererseits sind sie auch immer wieder todesmutig genug, um mit einem Sturmangriff ganz unangenehm Tuchfühlung aufzunehmen.

Ich könnte mir vorstellen, dass es einige alte Fans gibt, denen gerade diese Änderung sauer aufgestoßen ist, aber ich empfinde jede Art von Shooter ohne Deckungssystem mittlerweile als unglaublich unrealistisch und einfach nicht mehr zeitgemäß. Dass ausgerechnet die Handgranaten aus dem Waffenarsenal von Max entfernt wurden, ist etwas schade, da der Schwierigkeitsgrad auch auf der leichtesten Stufe noch ganz schön happig ist, aber sei's drum.

Max wird alt

Als weitere wesentliche Änderungen sind mir lediglich aufgefallen, dass der in die Jahre gekommende Max nach einem Hechtsprung nun erstmal am Boden liegen bleibt, nicht mehr so viele verschiedene Waffen mit sich herumschleppt, was das Spiel auch wieder schwerer macht, weil man so schnell einmal unter Munitionsknappheit leiden kann, und dass hin und wieder kurze Railshooterpassagen eingestreut werden, was aber die restliche Ballerei letztlich nur positiv auflockert.

Dass "Max Payne 3" wie praktisch jeder halbwegs realistische Shooter (im Sinne vom Fehlen übernatürlicher Kräfte oder futuristischer Gimmicks) einen sehr einfach gestrickten und repetitiven Spielablauf hat, ist dann auch die größte Kritik, die ich an dem Spiel habe. Auch wenn der "Fehler" sozusagen systemimmanent ist, es wäre einfach zu schön, wenn man 2013 nicht mehr zehn und mehr Stunden hintereinander exakt das Gleiche tun müsste, gerade wenn es dabei auch noch um Töten geht.

Kampf gegen mich selbst

Für so praktisch alles andere habe ich nur Lob in den höchsten und allerhöchsten Tönen über. Max war in den beiden anderen Teilen schon ein - öhm - liebenswerter Charakter und in düstere Sachen verwickelt, nun ist der Ex-Cop und pillensüchtige Säufer einfach nur ein Wrack. Ohne mehr als drei Worte Portugisisch zu sprechen oder zu verstehen (wird übrigens auch nicht für den Spieler übersetzt, kommt wunderbar verstörend), taumelt er durch Brasilien und versucht sich als Bodyguard für die Superreichen, was genau nie funktioniert und für so praktisch jeden in seiner Nähe den sicheren Tod bedeutet.

Das Spiel ist dabei dermaßen morbide und mit einem schwarzen Humor getränkt, dass man sich einfach nur vor Freude auf die Schenkel klopfen will, schafft es aber mehr zu sein als nur eine Satire. Max' Kampf gegen sich selbst berührt, die optisch bis ins Detail realistische Umsetzung der Gegensätze zwischen Reich und Arm berühren. Und man muss sagen, dass das Spiel sogar noch besser hätte wirken können, wenn Max' Bodycount nicht bei weit über 1.000 (!!!) Leichen liegen würde.

Und unter der Haube?

Besonders herausheben möchte ich neben der umwerfenden Grafik noch die Musik des Spiels, für die überwiegend die Noise-Rock-Band Health verantwortlich ist. Normalerweise bin ich schon glücklich, wenn das Gedüdel in Spielen nicht nervt (in der "Final Fantasy"-Reihe kann man die Musik nicht stumm schalten, Wahnsinn!!!), aber hier ist die Musik bis auf ein paar Minuten, wo sie mir persönlich unangemessen ruhig bei der gebotenen Aktion erscheint, fett und passend wie der berüchtigte Arsch auf dem Eimer. Ich war stellenweise versucht zu Headbangen, aber dann hätte ich überhaupt nichts mehr getroffen...

Bei soviel Atmosphäre fällt dann auch kaum ins Gewicht, dass die Steuerrung minimal patzt, wenn man etwa vor lauter Geschossen und Trümmerteilen gar nicht mehr ausmachen kann, wohin man denn schießt, weil das Fadenkreuz zu unauffällig ist, oder Gegner so völlig in der Dunkelheit verschwinden, dass man sie bestenfalls aufgrund des Mündungsfeuers ausmachen kann. Einige Male erlag ich auch einem Bug, der sich der Art und Weise äußert, dass meine Spielfigur keine Aktionen mehr ausführt außer sich umzusehen, aber dies fiel bei meinen geschätzt 200 anderen Toden nicht wirklich ins Gewicht.

Fazit:

Eine Drei im Namen ist (leider) keine Seltenheit mehr bei Spieletiteln. Eine Perle wie "Max Payne 3" ist jedoch relativ selten. Zu meiner Überraschung liefert Rockstar bezogen auf den Singleplayermodus den derzeit zweitbesten Shooter überhaupt knapp hinter "Killzone 3" ab, lediglich mangelnde spielerische Abwechslung und fehlende Komplexität verhindern den totalen Wertungshöhenflug. Auf der Habenseite steht dafür ein Werk, das vor (grafischen) Details nur so schwitzt und bei Steuerung mit einem Gamepad auch ordentlich schwitzen lässt (Shooter mit der Maus wie in "Mohrhuhn" ist nicht mehr so mein Ding).

Irgendwelche Irren mögen rummosern, dass Max unerträglich ist, weil er jetzt nicht mehr permanent in der Dunkelheit, klirrender Kälte oder mit Haupthaar unterwegs ist - kauft einfach das nächste "Call of Duty" und haltet Euch ansonsten geschlossen, Jungs. Ich für meinen Teil werde nach etwa 15 Stunden Kampf zwar das Spiel nicht noch einmal starten, es wird mir aber sicherlich noch sehr lange Zeit positiv im Gedächtnis hängen bleiben.



  POSITIV:
  - genialer Antiheld
  - ungewöhnliche Geschichte
  - starker Sound
  - starke Grafik


  NEGATIV:
  - etwas sehr repetitiv
  - sehr viele Tote
  - Steuerung mit Patzerchen