ASSASSIN'S CREED III

Ubisoft Montreal

(23.11.2012)

auch veröffentlicht auf PS3, PS4,
Switch, Wii U, Xbox 360 u. Xbox One


Über vier Jahre sind vergangen, seit dem ich überwiegend Spaß (freiwillig und unfreiwillig) mit dem ersten Teil von "Assassin's Creed" (2007) hatte. Ich dachte, obwohl ich um alle anderen Teile einen Bogen machte, dass ich es einfach mal riskieren sollte, das vermutlich aufwendigste und multiplattformste Videospiel des Jahres zu kaufen - ohne zuvor groß einen Blick auf Previews und Reviews zu werfen.

Was für eine saublöde Idee! - Nee, das wird der Sache nicht gerecht, im Gegenteil, ich sollte den Machern von "Assassin's Creed III" auf Knien danken, denn nun habe ich endlich verstanden, warum ich Spiele wie z. B. "XCOM: Enemy Unknown" (2012) so gut finde und mit absoluten Kassenschlagern wie etwa "The Elder Scrolls IV: Oblivion" (2006) und "Grand Theft Auto IV" (2008) so wenig anfangen kann.

Desmond und der Animus

Bevor ich dies weiter vertiefe, hier ein kurzer Schwenk für alle, die selbst noch nie die "Assassin's Creed"-Serie gespielt haben: In der Gegenwart spielt man Desmond Miles, der sich mit Hilfe eines Gerätes in die Erinnerungen seiner Ur-ur-ur...-großväter versetzt, um nicht überlieferte Informationen zu gewinnen. Desmond und seine Vorfahren sind sog. Assassinen, die über Jahrhunderte hinweg versuchen den Templerorden an der finalen Machtergreifung zu hindern. "Assassin's Creed III" spielt hauptsächlich während der Amerikanischen Revolution in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Weil der Ansatz noch nicht wirr genug ist, kommuniziert Desmond außerdem mit einer Ersten Zivilisation, hoch entwickelte Wesen, die unter anderem die Menschheit gleich miterschaffen haben und von einer Sonneneruption fast ausgelöscht wurden. Zum Glück ist dies spieltechnisch völlig egal, denn es läuft letzlich immer darauf hinaus, dass man den Templern und ihren Verbündeten 20cm Stahl in den Hals schiebt und sich dann vor einem Bluescreen noch nett mit Ihnen unterhält, während sie abnippeln.

Vorsicht, nicht auf das Minispiel treten!

Was mich an "Assassin's Creed III" so in Rage versetzt, ist die Tatsache, dass es eine reine Verknüpfung von Minispielen geworden ist. Jedes Minispiel für sich ist eher platt als komplex und auf Dauer wenig fesselnd. Der Flow des Spiels fußt noch mehr als beim Erstling auf der Idee, dass, falls der Spieler von einer Sache genug hat (z. B. Fallen für Hasen auszulegen), er sich einfach einer anderen Sache (etwa auf Bäume zu klettern) zuwendet und so weiter und so fort. Für mich gibt es nur leider kein "falls", für gibt es nur "da". Da ich keine Minispiele spielen will, spiele ich keine Minispiele.

Wenn mir ausnahmsweise mal nach Minispielen ist, dann spiele ich die einfach für ein paar Minuten kostenlos im Browser. Bei "Assassin's Creed III" fühlte ich mich etwa so, als wenn ich im Restaurant für ein Heidengeld Entenbraten bestellt hätte, aber irgendwer wirft mir stattdessen 'ne Packung Jelly Beans in 50 Geschmacksrichtungen hin. Okay, okay, ich hatte mich absichtlich nicht informiert und wenn meine Erwartungen dann nicht erfüllt werden, ist das schließlich erstmal mein Pech - warum nehme ich auch an, die Serie hätte sich positiv weiterentwickelt.

35 % von was?

Folglich beträgt meine Spielzeit laut Savegame gerade einmal 13 Stunden bis ich den Abspann sehe und das Spiel vermeldet, um sein Konzept zu untermauern, dass mein Spielfortschritt bei mageren 35 % liegt. Da wären also noch geschätzt weitere 20 Stunden drin gewesen, die ich mit Postaustragen, Schatzsuche, der Jagd nach herumfliegenden Buchseiten, endlosen Massakern auf offener Straße und - das sei der Fairness halber erwähnt - den wirklich bombastisch inszenierten Schiffskämpfen verbringen hätte können.

Ein Griff ins Klo wird die Sache aber erst, weil das Cover des Spiels symptomatisch für den Designprozess ist. Irgendwer muss von dem Haupthandlungsstrang - einer weiteren Abfolge von Minispielen - mit einem Tomahawk in Stücke gehackt habe, was man in Stücke hacken konnte. Mich würde mal interessieren, wie viele Minuten das Spiel maximal am Stück läuft, bis mir wieder die Kontrolle über die Steuerung entzogen wird, neue Anweisungen auf mich einprasseln und vor allen Dingen der verkackte grellweiße Ladebildschirm (kommt manchmal zweimal innerhalb von 20 Sekunden) mich aus dem Spiel reißt.

Zweimal geschnitten, einmal gekotzt

Mein Unverständnis über die Präsentation erreichte immer dann den Höhepunkt, wenn ich innerhalb der Hauptmission zwischen zwei Cutscenes noch drei Meter selbst zurücklegen sollte, um die zweite Cutscene dann mittels Knopfdruck auszulösen. Haben die so wenig an ihre eigene Geschichte geglaubt, dass man mir jederzeit die Möglichkeit lassen wollte, doch noch eine Hasenjagd einzustreuen? Oder bekommt die Spielengine sonst das Autosave nicht hin?

Die Handlung hat weiterhin mit allerlei wirren Scheiß in der Gegenwart, Logiklücken, warum meine Gegner mich nie töten, wenn ich ohnmächtig am Boden liege, und Patzern, wie dass ich weltweit immer im gleichen Auto sitze, zu kämpfen. Aber dafür sind viele Charaktere, ganz unabhängig von ihrem pseudohistorischen Background, interessanter als in anderen Spielen, die Bösewichter haben genügend Pfeffer und vor allen Dingen ist der Halbindianer Ratonhnhake:ton, genannt Connor, weil er spanisch genug aussieht (na, das leuchtet jetzt jedem sofort ein, gell?!?), eine ganze Ecke besser ausgearbeitet, als das was man sonst so als Spielfigur hinterhergeworfen bekommt.

Doof, witzig, und zurück!

Manche Böcke sind sogar so doof, dass sie einfach nur noch witzig sind. Ich bin ein Riesenfan der Kapuze von Ratte... Connor, weil sie genau wie die restliche ultraauffällige Kleidung überhaupt keine Tarnung bietet und dabei das Gesichtsfeld nur um etwa 70 % einschränkt. Oder an einer Stelle in der Gegenwart fürchtet man, die Templer könnten Satelliten haben und daher Desmond sofort erkennen, wenn er versucht in einen Wolkenkratzer einzudringen, aber er hat ja eine Kapuze auf - waaahahaha!

Überhaupt nicht lachen konnte ich über die Kämpfe und das Klettern. Im ersten Teil fand ich das Klettern mit Abstand den besten Mosaikstein im Spiel, nun gibt es besonders in den Städten überhaupt keine Stellen, die irgendwelches Hirnschmalz von einem verlangen, außerdem läuft das Klettern eine Stufe automatischer ab. Die Kämpfe wirken wie Massenkampfszenen aus den 80ern. Die Gegner warten brav im Kreis, bis sie an der Reihe sind. Wenn doch mal einer zu früh kommt (höhö!), kann ich ihn kontern und noch leichter töten. Außerdem braucht es schon ein Dutzend Gewehrkugeln, um mich in den Staub zu schicken.

Sei endlich still und schieß!

An manchen Stellen des Spiels, oh Überraschung bei dem Titel, soll ich jedoch offene Kampfhandlungen vermeiden und nicht entdeckt werden, was sich als die wenigen etwas kniffeligeren Passagen herausstellen sollte und nicht selten auf try and error hinauslief. Irgendwann schoss ich aus Frust mit einer Muskete auf eine Wache, die mich immer wieder erspähte und Alarm schlug - und siehe da - der Weg war frei und keine andere Wache störte sich an dem Riesenlärm, den das verursachte.

Obwohl (Ubisoft hätte gesagt "weil") ich mich fast ausschließlich von Hauptmission zu Hauptmission gehangelt habe, musste ich besonders in der ersten Hälfte mit mir kämpfen, wenigstens bis zum Abspann durchzuhalten. Viele Spielelemente bedeuten nicht nur viel Spaß sondern auch viele Fehlerquellen. In meinen Augen wäre "Assassin's Creed III" mit halb so vielen Aktivitäten, die dann eine gewisse Tiefe aufweisen hätten müssen, doppelt so gut gefahren, wie mit dem Sammelsurium an leicht zu integrierenden Minispielen.

So viel Arbeit für nicht viel...

Und genau genommen tut es mir leid für "Assassin's Creed III" (und um mein Geld), denn ohne jeden Zweifel wurden hier unglaubliche Resourcen für die fast durchweg gelungene optische und akustische Gestaltung der für diesen Detailgrad riesigen Spielwelt investiert. Nur für mich fliegt das Ergebnis nicht, weil in dieser Spielwelt eine blödere Aufgabe als die andere zwischen mir und der Handlung im 18. Jahrhundert stehen, die für mich als einzige Karotte übrig bleibt. Wer bisher Zweifel hatte, dass viele Spiele in der Hoffnung auf ein größeres Publikum immer seichter werden, der hat hier einen sehr deutlichen Beweis.

Selbst Spielelemente, die in den Vorgängern perfekt integriert waren, wurden vereinfacht. So wurde etwa die Fortbewegung innerhalb der Städte um das Element der hinderlicher Menschenmassen beraubt, so dass nun selbst ein Vorschüler ohne Probleme durch die Gassen kommt. Man mag einwenden, dass aber doch nun etwa das Jagen dazugekommen ist (die Häutungsanimation im Stil des Covers ist zum Totlachen), dass man nun auch zum ersten Mal per Schiff in den Kampf zieht und etwa durch neue Einwohner seiner Heimatsiedlung Gegenstände fertigt. Nur hat das alles mit dem Kern des Spiels herzlich wenig zu tun.

Fazit:

"Assassin's Creed III" ist für mich voller Spielzeitgestrecke auf dem ziemlich peinlichen Niveau eines Onlinerollenspiels. Wenn man an seine Features glaubt, dann muss man sie nicht alle optional einbauen, denn dass sie optional sind, zeigt sich allein schon daran, dass das Spiel so leicht ist, dass ich auch ohne bessere Waffen oder mehr Geld ganz locker durchspielen kann. Worin soll der Reiz liegen, noch viele Extrastunden auf Tiere und Menschen einzustechen? Um am Ende als Belohnung drei weitere, diesmal sogar schlecht gemachte Cutscenes zu sehen?

Folglich hatte ich größte Probleme zu einer fairen Wertung zu kommen und immer das Gefühl, das Spiel zu hart zu bewerten. Da mir als einzige Orientierung mein über vier Jahre alter Durchlauf mit "Assassin's Creed" irgendwann zu wenig war, habe ich nun "Assassin's Creed II" (2009) auf der Xbox 360 gespielt, welches als der beste Serienteil gilt. Was soll ich sagen: Natürlich war die Qualität der Gesichter der Spielfiguren noch nicht mit der heutigen zu vergleichen, alles andere war optisch aber fast gleichauf, die Städte sahen sogar wesentlich besser aus.

Tja, und beim eigentlichen Gameplay war der Abstand zu Gunsten des Vorgängers dann wirklich drastisch. Die Missionen waren durchweg fast doppelt so lang und doppelt so anspruchsvoll. Ich beachtete innerhalb des Spiels wesentlich mehr die Vertikale und hatte wieder Riesenspaß am Klettern. Ich nutzte Verbündete freiwillig, kämpfte gern und hatte wesentlich mehr Interesse daran meinen übersichtlichen Familiensitz auszubauen als mich mit der kleinen Siedlung aus "Assassin's Creed III", dem umständlichen Warenverkehr und der unendlichen Laufarbeit, die an ihm hing, zu beschäftigen.

Und wer im Übrigen so wie ich dachte, das Ende von "Mass Effect 3" (2012) wäre das Schlimmste, was einer Triologie passieren könnte, der muss sich das Ende hier reinziehen. Wie sollt sich die Spielserie davon nur jemals wieder erholen?



  POSITIV:
  - Optik / Akustik
  - spanischer Indianer Connor
  - bombastische Schiffskämpfe


  NEGATIV:
  - missionsfreie Open World
  - Sammlung von Minispielen
  - alles in Stücke gehackt
  - Logiklücken bis zum Ende
  - kaum Klettern
  - kein richtiges Schleichen