JADE EMPIRE

BioWare

(02.03.2007)

auch veröffentlicht auf
Xbox


Auf der Suche nach einem guten Echtzeitstrategiespiel im Singleplayermodus wurde ich von "Act of War - Direct Action" (2005), "The Battle for Middle-earth II" (2006), "Company of Hereos" (2006) und "Star Wars - Empire at War" (2006) durchweg enttäuscht. Auch wenn "Act of War - Direct Action" und "Company of Hereos" wenigstens noch versuchten mit einer actiongeladenen Präsentation etwas zu reißen, ödete einen die komplett vorhersehbare Reißbrettspielwelt nur noch an.

Was lag also näher, als das RTS Genre schleunigst wieder zu verlassen und sich nach der insgesamt gelungenen Konsolenumsetzung "Mass Effect" den direkten Vorgänger "Jade Empire" anzugucken, mit dem sich BioWare erstmals von dem Lizenzüberbau in früheren Produkten wie "Baldur's Gate", "Neverwinter Nights" und "Star Wars: Knights of the Old Republic" freischwamm.

Große Stärken und Schwächen

Wie ich erhofft hatte, besitz "Jade Empire" schon die gleiche Stärke wie "Mass Effect", nämlich eine wunderbare, wendungsreiche Geschichte, aber, wie ich befürchtet hatte, auch noch größere Schwächen. Das Spiel beginnt ansprechend in einem kleinen, antikem chinesischen Dorf. Man hat gerade seine Ausbildung beendet und will sich nun von seinem Meister verabschieden und in die weite Welt ziehen. Da überfallen Piraten das Dorf.

Natürlich soll ich praktisch als Tutorialkampf für die verschiedenen realen und magischen Kampftechniken die Piraten zurückschlagen. Was wirklich nett gedacht ist, geht voll in die Hose. Der Kampf am Strand ist aufgrund der eigenen Unerfahrenheit einer der schwersten im ganzen Spiel. Während man drei Wellen mit insgesamt über zehn Gegnern überleben soll, wird man auch noch mit einer Schiffskanone beschossen, die großflächigen Schaden anrichtet und einen sogar in Brand setzen kann. Nach dem etwa 20. Bildschirmtod wollte ich nur noch in die Tischkante beißen und das Spiel deinstallieren.

Von ruhelosen Geistern

Als ich diese Sequenz endlich überstanden hatte, erfuhr ich, dass ich der letzte sog. Geistermönch bin und dass der Kaiser vor 20 Jahren zur Beseitigung einer jahrelangen Dürre, deren Auswirkungen gefährlich an seinem Thron rüttelten, den Wasserdrachen getötet hat, der in meinem Kloster lebte. Nun könnte man ja sagen, ey, er ist eben der Kaiser und außerdem 20 Jahre, vergeben und vergessen, aber leider hatte der Drache noch eine weitere Funktion: Den Geistern der Toten den Weg in das Totenreich zu weisen.

Ergo wächst die Anzahl der ruhelosen Geister auf Erden immer mehr an, die mit ihrer Anzahl immer mehr an Selbstbewusstsein gewinnen und gerne wieder in ihre alten Häuser ziehen, ihrem alten Beruf nachgehen oder sich einfach nur furchtbar rächen wollen. Man darf ohne Übertreibung sagen: Eine sehr unschöne Situation das Ganze. Aber mit Hilfe des Meisters werde ich die Sache schon in den Griff bekommen.

Same old problems, same old solutions!

Das sehen andere wohl auch so und entführen meinen Meister. Da waren sie also wieder, meine drei klassischen Probleme: Schwäche, Einsamkeit und Ahnungslosigkeit. Und doch würde ich nicht ruhen, bis ich den Vorkommnissen auf den Grund gegangen bin...

Beim Spielablauf bleibt "Jade Empire" ganz auf der Linie seiner Vorgänger und Nachfolger. Auf meinen Reisen treffe ich immer wieder Menschen und Monster, die sich mir aus den unterschiedlichsten Gründen anschließen wollen. Ein Gefährte nach Wahl unterstützt mich im Kampf, wobei ich mir meistens aussuchen kann, ob er direkt angreifen oder beispielsweise durch Meditation mein Chi (Mana) auffüllen soll. Wenn nicht gekämpft wird, wird gelabert, was das Zeug hält, wobei mir die möchtegern chinesische Gesprächskultur doch etwas am Arsch vorbeigeht. Eigentlich ist wohl auch vorgesehen, dass man sich in Gesprächen mit seinen Gefährten näher beschäftigt, nur leider hat mich keiner interessiert.

Wie bei BioWare üblich bestimme ich durch meine Wahl in den Dialogen, ob ich dem Pfad der offenen Hand (eher gut) oder dem Pfad der geschlossenen Faust (eher böse) folge, wobei die Auswirkungen wieder einmal so gering sind, dass man getrost auch alle Dialoge einfach wegklicken könnte. Der nächste Kampf wartet sowieso hinter der nächsten Ecke.

Im Detail

Im direkten Vergleich mit "Mass Effect" gefällt mir die Steuerung etwas besser. Dies liegt hauptsächlich daran, dass ich meine Spielfigur und deren Begleiter nicht umständlich mit Waffen ausrüsten muss, sondern diese von dem jeweiligen Kampfstil vorgegeben sind. Etwas hakelig wird es immer dann, wenn PC typische Scrollleisten ins Spiel kommen, die einmal ganz unten angekommen wieder ganz nach oben springen. Davon ab geht die Bedienung schnell in Fleisch und Blut über, z. B. sind alle Hotkeys im Kampf sinnvoll auf der Tastatur plaziert. Hin und wieder lässt der Kamerawinkel allerdings etwas zu wünschen übrig.

Beim Sound muss man Abstriche machen. Zum einen enthält meine 10 € Pappschachtel Version lediglich die deutsche Sprachausgabe, zum anderen ist ausgerechnet die eigene Spielfigur nicht vertont. Auf der einen Seite spart es natürlich Zeit, wenn die eigene Figur nicht genau den Satz wiederholt, den man sich eben als Antwort ausgesucht hat, aber für mich muss eine Spielfigur in einem Singleplayermodus einfach eine Stimme haben. Was ist möchtegern fotorealistische Grafik im Vergleich zu einer echten Stimme?

Schon nicht mehr zeitgemäß

"Jade Empire" erschien bereits im April 2005 auf der Xbox und obwohl die Engine einige Shader 2 Effekte beherrscht und die Texturen ausgetauscht wurden, sieht man dem Spiel die Portierung auf dem PC deutlich an. Besonders schlecht wirkt die Grafik während der Videosequenzen, die blaß sind und lediglich in grober PAL (576i) Auflösung verschwommen daherkommen, obwohl genug Platz für mehr auf der DVD gewesen wäre. Die Polygonanzahl der Landschaft ist ohnehin recht gering, aber zusätzlich sind die einzelnen Abschnitte immer so aufgebaut, das nie soetwas wie Weitsicht aufkommt - wenigstens rennt das Spiel so auch auf älteren PCs mit nur einem CPU Kern. Trotzdem gelingt es dem Spiel an den wichtigen Stellen eine gute Atmosphäre aufzubauen.

Die Balance ist für mich der Knackpunkt des Spiels. Die meisten Bossgegner waren mir auf der vorgegebenen Schwierigkeitsstufe "Meister" etwas zu schwer und ließen mich weit über 100 Tode sterben. Dies hatte in meinen Augen zwei Gründe. Erstens bekam ich keine besonders starken Schläge, genannt Power-Angriffe, mit Hilfe von sog. harmonischen Combos ausgelöst. Egal wie sehr ich mich an die Anleitung hielt, es passierte einfach nicht.

Abgesehen von den harmonischen Combos stellte mich "Jade Empire" vor keine Rätsel. Das eigene Wissen wächst zusammen mit dem der Spielfigur. Wünschenswert wäre der Tipp gewesen, dass man seine Skillpunkte auf wenige Kampfstile konzentrieren sollte, denn 15 etwas zu können, nützt einem weit weniger als vier richtig, also nach Stufenaufstiege erhaltene Skillpunkte besser nicht sofort in die erstbeste Fähigkeit investieren, sondern diese aufsparen, da man später Kampfstile findet, die 25 % mehr Grundschaden verursachen. Das weiß man aber vorher nicht...

Fazit:

Erwartungsgemäß ist "Jade Empire" nicht der Oberkracher aber für 10&€ locker sein Geld wert. Von einem unverbrauchten Setting zu reden, wäre sicherlich übertrieben, aber zumind. Solorollenspiele gibt es auf dem PC im antiken China nicht so viele.

Was "Jade Empire" an verschiedenen Waffen fehlt, macht es durch die verschiedenen Kampfstiele wieder wett. Es ist nur etwas enttäuschen, dass ich mich in "Jade Empire" nahezu sanktionsfrei für jede Option in den Dialogen entscheiden kann. Meine Wahl beeinflusst das Spiel praktisch nicht, denn die meisten NPCs interessiert es nicht die Bohne, ob ich dem Weg der offenen Hand oder der geschlossenen Faust folge, weshalb ich manchmal einfach das Gespräch möglichst kurz gehalten habe.

Dabei lebt "Jade Empire" von seiner Handlung, erreicht aber nicht die Brillanz von "Mass Effect". Die Begleiter haben einfach nicht das gleiche Charisma, was in meinen Augen hauptsächlich an dem sog. "uncanny valley" liegt. Wir Menschen empfinden für "Gebilde", kurz bevor diese sehr menschlich wirken, eine überproportionale Abscheu. Während etwa die comichafte Grafik von "World of WarCraft" uns anspricht und die Figuren von "Mass Effect" schon real genug wirken, setzt sich die Grafik von "Jade Empire" genau zwischen die Stühle. Deshalb hatte ich auch mit keinem meiner Begleiter Sex, obwohl ich so dicke Ohren habe.

Mein letztes Autosave erfolgte nach 20 Stunden und 43 Minuten und ich habe so ziemlich alle Nebenmissionen mitgenommen, um wenigstens einige Kampfstile auf die maximale Ausbaustufe hieven zu können.



  POSITIV:
  - wendungsreiche Geschichte
  - gute Atmosphäre
  - aktionreiches Kampfsystem


  NEGATIV:
  - langweilige Begleiter
  - verschwommene Videos
  - harmonischen Combos
  - zu schwerer Anfang
  - eigene Figur nicht vertont