NI NO KUNI II
Schicksal eines Königreichs

LEVEL-5

(23.03.2018)

auch veröffentlicht für Windows PCs


Schon nach wenigen Minuten fragte ich mich, warum im ersten Trailer von "Ni no Kuni II: Schicksal eines Königreichs" mehr Passagen vertont waren als im fertigen Spiel. Nun tragen Trailer ja in aller Regel dick auf, aber Betrug in dieser Art und Weise ist dann doch eher unüblich. Hier wurde schlichtweg eine Tatsache vorgetäuscht, wenn ich einmal davon ausgehe, dass nicht irgendwer bei LEVEL-5 später lediglich unglücklich aufs Keyboard gefallen ist und den Ton wieder rausgepatcht hat. Auch sonst gibt sich "Ni no Kuni II" in den ersten Stunden einige Mühe einen unnötig schlechten Eindruck zu hinterlassen und das liegt nicht nur an der Musik, die zwischen uninteressant und unpassend pendelt.

Während die Reaktionen und Handlungen des maximal zwölfjährigen Evan, der vor einem Monat seinen Vater verloren hat und nun auch noch seinen Thron verliert, sich noch im Rahmen befinden, macht das Verhalten der zweiten Hauptfigur Roland mal gar keinen Sinn. Roland ist nämlich Präsident (vermutlich der USA) und kurz nach einem Atomschlag von der Erde nach Katzbuckel teleportiert. Anstatt nun fieberhaft nach einem Weg zurück in seine Welt zu suchen, rettet Roland erst Evan vor seinen Häschern, obwohl er nicht weiß, was Trumpf ist, und konzentriert sich auch anschließend ausschließlich darauf, Evan beim Aufbau seines neuen Königreichs zu unterstützen.



An den Haaren zum Tiefpunkt geschleift!

Nachdem die Flucht aus Katzbuckel geglückt ist, braucht Evan als Zeichen, dass er als König doch etwas taugt, ein Bündnis mit einem sog. Wächter, einem mystischen Wesen, das dem Königreich in Zeiten der Not zu Hilfe kommt. Hierfür gilt es u. a. erst ein kleines Stück über die Weltkarte zu marschieren und dann das doch recht große Dungeon Windschlangenklippen zu durchqueren, in dem sich auch schon drei weitere Gnuffies (dazu später mehr) entlang des Weges aufsammeln lassen. Am Ende werden Evan und Roland von Piraten der Lüfte gefangen genommen, die sie töten wollen, weil sie das halt mit allen so machen, die in ihr Gebiet eindringen.

Nur rein zufällig gerät passend die Tochter Shanty des Anführers Zoran in Gefangenschaft des Kingowyrm (fliegende Echse) und da wir zu zweit viel schlagkräftiger als die mindestens 50 Piraten sind, dürfen wir an ihrer statt die junge Dame befreien. Zur Belohnung werden die Piraten außerdem wenig später, nachdem Evan seinen Wächter hat, auch noch die ersten Untertanen. - Ich habe normalerweise keine Probleme mit High Fantasy und auch nicht mit kindgerechten Geschichten, aber meine Intelligenz muss man nicht unbedingt mit völlig unlogischer Scheiße beleidigen. Warum sollte Evan ausgerechnet eine Gruppe feiger Mörder als seine Untertanen wollen?



Ein Kampf... oh, schon vorbei!

In Ermangelung eines klassisch wählbaren Schwierigkeitsgrades hat LEVEL-5 auf die sog. Rollenspielneulinge beim Balancing geschielt, denn die normalen Kämpfe, die auf deutlich mehr Aktion als im Vorgänger setzen, sind viele Stunden zu leicht zu gewinnen, selbst wenn ich nicht viel mehr mache, als einfach immer wieder einen der Angriffsbuttons zu drücken. Diese Entscheidung bei der Balance ist für mich nicht nachvollziehbar, denn sollte es wirklich Rollenspielneulinge geben, die ausgerechnet "Ni no Kuni II" erwerben, dann wird es ihnen sicherlich nicht an der Fähigkeit mangeln zu kämpfen.

Gekämpft haben sie nämlich mit fast absoluter Sicherheit schon in vielen anderen Spielen zuvor. Es gibt keine Spieler, die von einem Handyspiel wie "Hay Day" (2012) direkt zu einem kampfbetonten Rollenspiel oder einem beliebigen anderen groß angelegten Spiel wechseln. Das ist nichts weiter als ein Mythos. Ich habe in den letzten 20 Jahren immer wieder versucht, Casual Gamern große Spiele nahezubringen und nicht einmal damals mit "Diablo II" (2000) oder in jüngerer Vergangenheit mit "The Witcher 3" (2015) ist mir dies geglückt. Ich hätte genauso gut versuche können, jemanden für Free Jazz oder Zwölftonmusik zu begeistern, der am liebsten Helene Fischer hört.



Selbstdisziplin

Nachdem Evan also nach drei kleinen Rätseln und einem erneut zu leichtem Bosskampf seinen Wächter erhalten hat, wird es langsam etwas schwerer und mit den Militäreinsätzen (Echtzeittaktikspiel mit Stein-Schere-Papier Prinzip) kommt weitere Abwechslung ins Gesamtpaket. Dumm nur, dass LEVEL-5 außerdem dem Spieler zum gleichen Zeitpunkt einen sog. Kampfequalizer an die Hand gibt, der mal eben auf Knopfdruck Schaden, Verteidigung und sogar die Menge der erhaltenen Erfahrungspunkte erhöht. Gerade erfahrene Spieler wie ich versuchen instinktiv den Nutzen des Kampfequalizers zu maximieren - und machen sich damit das gesamte Spiel ein Stück weit kaputt.

Ohne mich großartig um meine Fähigkeiten oder meine Ausrüstung zu kümmern - ich hatte sogar lange versehentlich verfluchte Ausrüstung (also welche mit Debuffs) angelegt, habe ich am Ende den Level 65 Endgegner mit Charakterlevel 56 im ersten Versuch gelegt. Erst als ich noch einmal die PC Version anspielte, um zu sehen, welche Hardware tatsächlich benötigt wird, fiel mir auf, wie widersinnig der Kampfequalizer eigentlich ist. Ich habe daher das Spiel ein zweites Mal ganz ohne den Kampfequalizer gespielt und nicht nur das Balancing verbesserte sich dadurch deutlich, auch entdeckte ich, dass fast alle Tweaks des Kampfequalizers auch an anderer Stelle im Spiel ganz regulär erreicht werden können.



Mehr als nur klassisches Rollenspiel

Je mehr es mir gelang, mich nicht mehr über die Vertonung zu ärgern, desto mehr konnte ich das Spiel genießen, welches sich übrigens - zumindest mit einem Controller - sehr gut bedienen lässt. Vor allem das wunderschöne und nicht schon dutzendfach in anderen Spielen abgenutzte Design ist schon isoliert für sich ein Genuss und läuft sowohl auf der ursprünglichen PS4 als auch auf PCs mit einer CPU deutlich unterhalb der Mindestanforderung prächtig. Auch die Geschichten rund um die anderen Herrscher, mit denen Evan seinen Pakt schließen will, sind eine ganze Ecke besser und tiefer, als das Nichts rund um den bis zum Schluss ziemlich vernachlässigten Roland, der irgendwie nur dabei ist, damit sich gestandene Männer mit ihm identifizieren können.

Natürlich liegt der Ausbau des eigenen Königreichs - eigentlich nur der Hauptstadt - jetzt nicht deutlich über dem Niveau eines guten Handyspiels, aber würde es in solchen Spielen keine unverschämten Paywalls geben, ich würde vermutlich einige davon spielen. Zahlreiche Gebäude der Stadt - allen voran das Magielabor - bieten sinnvolle Forschungsmöglichkeiten, die sich auch in der restlichen Spielwelt auswirken. Und damit das Sammeln der erst 25 und dann 50 Talente für die Stadt (Profis in ihrem jeweiligen Beruf) oder seltener Gegenstände nicht zur Tortur wird, gibt es wieder den Buchwalter (der heißt im Deutschen echt so), bei dem man Münzen für den Abschluss generischer Aufträge gegen Talente und Gegenstände tauschen kann.



Fantasie - bis hierher und nicht weiter!

Ein Bisschen mutlos und wenig fantasievoll wirkt es von LEVEL-5 leider, dass die anderen vier Begleiter auch Menschen wie Roland sind, obwohl die Spielwelt voll von Katzen, Mäusen, Hunden oder auch Fischmenschen ist. Auch Evan müsste eigentlich ein katzenähnlicher Grimalkin sein, aber bis auf die Ohren und ein Schwänzchen erinnert nichts an seine Rasse. Auf einem Bild im Abspann ist tatsächlich zu sehen, dass seine Mutter ein Mensch war, aber warum es dann nicht einen einzigen weiteren Mischling im ganzen Spiel wie Evan gibt und warum dies innerhalb der Geschichte nicht wenigstens einmal thematisiert wird, weiß nur LEVEL-5 selbst.

So lustig die ganzen Klischees über High Tech Firmen im Königreich Mechbaum (Turm von Babel), welches von Bill, öhm, Mark... - nee, Verzeihung - Zip Vector geführt wird, auch wirklich sind, so traurig ist es im Gegenzug, dass ich außer über Suzie Blackburn praktisch nichts wesentliches über die anderen Begleiter erfahre. Meine Begleiter kommunizieren so gut wie gar nicht untereinander über persönliches und bedienen alle JRPG Klischees. Besonders im Fall von Cecilius Fortis sind die Parallelen zu anderen Brillenträgern wie etwa Hubert Oswell aus "Tales of Graces f" (2012) so groß, dass eigentlich nicht mehr von einer kreativen Eigenleistung gesprochen werden kann.



Kommt ein Gnuffi geflogen

Da die aus dem ersten Teil bekannten und geliebten Vertrauten vermutlich nicht ohne eine unmenschliche Menge Fleiß ins neue Kampfsystem zu integrieren waren, gibt es nun die weniger individuellen aber nicht minder niedlichen Gnuffies. Gnuffies kann man sowohl an kleinen Obelisken durch das Opfer des richtigen Gegenstandes erhalten als auch später in der Gnuffiküche der Hauptstadt nach Bedarf erschaffen, wenn man nur die nötigen Zutaten besitzt. Leider hat ein Gnuffi nur zwei Statuswerte und vier feste Fähigkeiten, wo hingegen ein Vertrauter sechs Werte hatte, seine Fähigkeiten zu entwickeln waren und er auch noch Ausrüstung tragen konnte.

Während ich mir im ersten Teil einen Wolf fütterte, ist es nun kein Problem, einen Gnuffi innerhalb von einer Minuten mit praktisch beliebigen Gegenständen auf sein Maximallevel zu mästen, was der Sache allerdings auch viel von ihrem Reiz nimmt. Gnuffies gibt es in sechs Farben, wobei die Farbe eigentlich nur für das Element bzw. grau für eben kein Element steht, mit dem die Gnuffies angreifen. Über die weiteren Fähigkeiten sagt die Farbe nichts aus, so dass ich in der Gnuffiküche erst einmal in Ruhe lesen musste, um nicht den falschen zu kochen. Im Kampf sind die bis zu vier Gnuffies bzw. Gnuffigruppen autark und unsterblich, lediglich die jeweils stärkste Fähigkeit muss von mir als Spieler ausgelöst werden, indem ich in ihrer Nähe einen Button drücke.



Fazit:
Wenn ich "Ni no Kuni II" nur darauf reduzieren würde, dass es genauso nur eben besser als sein Vorgänger "Ni no Kuni: Der Fluch der weißen Königin" (2013) zu sein hat, dann hätte ich das neueste Werk von LEVEL-5 nach wenigen Stunden vielleicht sogar ausmachen müssen. Natürlich würde eine um die Grafik bereinigte Wertung das PS3 Meisterwerk mal eben um satte acht Punkte vorne sehen und natürlich wird die unverständlich sparsame Vertonung erst recht nicht dadurch besser, dass die deutschen Texte inkl. der Namen der Figuren mit der englischen Tonfassung so gut wie keine Gemeinsamkeiten haben, weil beides nur lose auf der japanischen Vorlage basiert.

Aber es lässt sich eben auch nicht leugnen, dass ich selbst im ersten Versuch am Ende in den 40 Stunden bis zum Abspann doch ganz überwiegend Spaß an "Ni no Kuni II" hatte. Richtig gut wurde das Spiel jedoch erst, als ich im zweiten Durchgang die Finger von dem unsäglichen Kampfequalizer gelassen und mich mehr um die Nebenquests und um meine Hauptstadt gekümmert habe. Hätte ich regulär gleich beim ersten Mal so gespielt, es wären auch 50 bis 60 Stunden drin gewesen. Besonders eilige Spieler erreichen das Ende aber sicherlich auch in unter 30 Stunden, aber dann sind sie bei "Ni no Kuni II" auch irgendwo falsch.



Das Spiel beinhaltet sehr viele Aspekte, denen es isoliert betrachtet zwar an der ganz großen Tiefe fehlt, aber als Gesamtpaket geht das schon in Ordnung und wer z. B. die Militäreinsätze nicht besonders mag, muss abseits der paar in der Mainquest keine bestreiten. Ein gedrucktes Handbuch fehlt wie immer heutzutage, die integrierte elektronische Anleitung sowie überhaupt die gesamte Benutzerführung ist jedoch erste Sahne. Die vier Bereiche "Steuerung", "System", "Militäreinsätze" und "Königreich" ließen praktisch keine meiner Fragen unbeantwortet, warfen aber erst recht die Frage auf, warum und vor allen Dingen wann sich LEVEL-5 entschieden hat, den Kampfequalizer einzubauen.

Insgesamt ist jedenfalls schön zu sehen, dass japanische Rollenspiele nach der Durststrecke zu Beginn der achten Konsolengeneration und nach brutalsten Tiefschlägen wie "Tales of Zestiria" (2015) und "Star Ocean: Integrity and Faithlessness" (2016) seit einem Jahr wieder richtig oben auf sind. Und wer keine PS4 besitzt, kann diesmal sogar getrost zur Windows Version greifen, was jetzt auch nicht wirklich verwundert, denn intern ist die PS4 anders als die PS3 ja ohnehin ein PC. Die offiziellen Systemanforderungen waren sehr hoch, so dass ich davon abgeschreckt die PS4 Version erworben habe, aber wessen PC mit "The Witcher 3" keine Probleme hatte, wird auch bei "Ni no Kuni II" keine haben.


Steuerung (15%):
Grafik (15%):
Balance (15%):
Handlung (15%):
Sound (10%):
Zugänglichkeit (10%):
Komplexität (10%):
Spieldauer (10%):


Minimale Konfiguration
des Herstellers:

1280 x 720 @ 30 FPS und
minimale Details

Core i5-4460 (3,2 GHz)
GeForce GTX 750 Ti
4 GB RAM
Windows 7 64

Empfohlene Konfiguration
des Herstellers:

1920 x 1080 @ 60 FPS und
maximale Details

Core i7-3770 (3,4 GHz)
GeForce GTX 970
8 GB RAM
Windows 10 64

Meine empfohlene
Konfiguration:

1920 x 1080 @ 30+ FPS und
maximale Details

Core 2 Quad Q9550 (2,83 GHz)
GeForce GTX 960
4 GB RAM
Windows 10 64
Xbox One Controller