AGE OF MYTHOLOGY
Gold Edition

Ensemble Studios

(08.10.2004)


"Age of Mythology" hatte wirklich Pech. Obwohl es mit weit über 1.000.000 verkauften Einheiten weltweit alles andere als ein Flop war, die Presse - sagen wir mal - sehr wohlwollend urteilte und - nüchtern betrachtet - besser als das seltsame "Age of Empires III" (2005) ist, konnte es auf lange Sicht bei mir keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Dies hing in erster Linie damit zusammen, dass sowohl das Original als auch die Erweiterung jeweils wenige Monate nach dem Original und der Erweiterung von "WarCraft III" veröffentlicht wurden, das einfach alles etwas besser machte und den Schwerpunkt auf Kampf anstatt Wirtschaft legte und die zeitlosere Grafik hat.

Schnell und beeindruckend sieht man die Auswirkungen hiervon, wenn man sich einmal im Battle Net und bei Ensemble Studios Online (ESO) einloggt. Während bei ESO zur besten Zeit etwas mehr als 1.000 Leute auf dem weltweiten Server zusammenkommen, tummeln sich allein schon auf dem europäischen Battle Net Server über 100.000. Apropos beeindruckend: Das Demo war es damals nicht und so kam es, dass ich erst kürzlich wieder über diese Multiplayerperle alter Prägung stolperte.

Kampagne bleibt unter ihren Möglichkeiten

Richtig gelesen: Multiplayer. Die Singleplayer Kampagne ist hier zwar besser als bei den drei Teilen mit Empire im Namen, aber immer noch meilenweit von dem entfernt, was ich als fesselnd bezeichnen würde. Originell ist die Handlung nicht, richtig schlecht ist aber auch was anderes. Und wenigstens ist es nicht der zweite Weltkrieg!

In der Kampagne folgt man Arkantos, einem Helden der Antlanter. Arkantos möchte die Gunst von Poseidon zurückgewinnen. Klassischerweise kommt er dabei in Troja vorbei, reist dann durch die Unterwelt und landet irgendwann in Ägypten. Dort hilft er einer schönen Frau gegen den Freund des gemeinsamen Feindes Gargarensis und reist später nach Norden, wo er dann Ragnarok verhindern muss. Zurück in Griechenland kommt dann der Endsieg und er fällt vor Erschöpfung um.

Viel schlimmer ist jedoch, dass der interessanteste Teil des Gameplays in der Kampagne nicht wirklich zur Geltung kommt, denn bereits beim Grundgerüst legt "Age of Mythology" eine Schippe im Vergleich zum Vorgänger drauf.

Parteien endlich unterschiedlich

Wie immer dabei ist die globale Aufwertung - der Wechsel in ein neues Zeitalter - die neue Gebäude und Einheiten freischaltet. Diesmal jedoch unterscheiden sich die vier Kulturen der Ägypter, Atlanter, Griechen und Wikinger bezüglich des Resourcensammelns, des Gebäudebaus und der Einheitenrekruitierung erheblich. Vorbei sind die Tage, in denen der Unterschied zwischen zwei Völkern wie z. B. den Deutschen und Engländern allein darin bestand, dass die einen besonders starke Ritter und die anderen Langbogenschützen haben.

Der große Clou ist jedoch, dass ich nicht primar ein Volk sondern einen von zwölf Hauptgöttern (drei verschiedene je Volk) und seine befreundeten Göttern wähle. Wenn ich nun von einem Zeitalter ins nächste aufsteige, so suche ich mir z.B. als Zeusjünger aus, ob ich die Dienste von Hephaistos oder Hera in Anspruch nehme. Hephaistos verfügt über den göttlichen Zauber Schatzkammer. Dieser bewirkt, dass stetig Gold in meine Kasse gespült wird. Hera verfügt über den göttlichen Zauber Gewittersturm, der in einem großen Zielgebiet mit ziemlicher Sicherheit alle gegnerischen Einheiten tötet.

Richtig viele Möglichkeiten

In einer längeren Partie (Normalfall) stehen drei dieser Aufstiege an. Pro Hauptgott gibt es sechs Götter (neun insgesamt pro Volk), von denen jeder einen göttlichen Zauber, mind. eine mythische Einheit und mind. zwei Aufwertungen im Gepäck hat.

Dieses System hat den enormen Vorteil, dass ich mir - von Balancingproblemen einmal abgesehen - mein Volk so formen kann, wie es meiner Spielweise entgegenkommt. Die Möglichkeiten sind dabei zwar nicht unendlich, aber gehen doch weit über das hinaus, was zuvor und - meines Wissens - auch danach (in erfolgreichen Spielen) jemals geboten wurde.

Nicht leicht umzusetzen

Die Griechen spielen sich dabei exakt so, wie die Völker aus "Age of Empires" und "Age of Empires II" und bedienen sich daher erst einmal lange Zeit wesentlich flotter als die drei anderen Völker. Die Antlanter gehen in meinen Augen auch noch, aber Ägypter und Wikinger - vergiss es!!! Auch die üblichen Tabellen und Aufstellungen der "Age"-Serie sind sehr schön anzuschauen, aber hilft mir das weiter? Kann jeder einen Fernseher reparieren, nur weil er den Schaltplan hat? Ich denke nicht! Warum nicht einfach alle Möglichkeiten ins Interface einbauen, aber die zu denen noch etwas fehlt ausgrauen und im Tooltip schreiben, was fehlt. Das ist doch wesentlich einfacher als irgendwo nachzulesen, welche Einheiten ich in der Kaserne bauen kann, wenn ich ein Zeitalter weiter aufsteige. Wäre dies mein erstes Computerspiel, ich hätte vermutlich aufgegeben.

Hinzukommt, dass die Griechen mit dem Koloss nicht nur die stärkste mythische Einheit haben, sondern auch besonders leicht die dafür benötigte Gunst gewinnen können, indem sie einfach Arbeiter zum Tempel beten schicken. Die Wikinger hingegen können lediglich im Kampf Gunst gewinnen. Dies führt dazu, dass man standig sogenannte Hit & Run Angriffe führen muss, während man gleichzeitig versucht an anderer Stelle der Karte seine Wirtschaft auf Vordermann zu bringen, was noch zusätzlich dadurch erschwert wird, dass man zwei verschiedene Arbeitertypen hat und diese richtig einteilen muss.

Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft

In diesem Zusammenhang finde ich es sehr schade, dass der Schwerpunkt von den Ensemble Studios erneut viel zu sehr auf die Wirtschaft gelegt wurde. Einen großen Teil der Spielzeit verbringe ich damit, Arbeiter auf Felder, Bäume und Goldminen loszulassen anstatt dem Gegner eine Axt in den Kopf zu schlagen. Die Verteidigungsmöglichkeiten sind zunächst so überlegen, dass ich, ohne ins dritte oder sogar vierte Zeitalter vorzustoßen, gar keine Chance habe, einem guten Spieler auch nur eine Verteidigungsstellung einzureißen.

Die Steuerung ist auch fünf Jahre nach Veröffentlichung noch fast auf der Höhe der Zeit. Wie nicht anders zu erwarten, tun sich die Einheiten bei der Wegfindung während großer Gefechte etwas schwer. Wirklich negativ aufgefallen sind mir lediglich drei Sachen: Dass ich Mitteilung immer erst viel zu spät wahrnehme, was an der Position und der Schriftfarbe liegen muss, dass ich auf der Übersichtskarte keinen Attackmove auslösen kann sondern lediglich in der Hauptansicht, und dass sich die Gebäude teilweise so ähneln, dass ich nicht mal meine eigenen wiederfinde.

Aus der Zeit gefallen

Ich weiß, dass es nicht gerade wenige Rezensionen gab, die von dem Sound des Spiels geschwärmt haben. Vielleicht haben wir nicht den gleichen Musikgeschmack und ich kenne außerdem leider nur die deutsche Version, aber hier muss doch ein Irrtum vorliegen. Die Musik ist meist grauenvoll. In den besten Momenten eine Omen Kopie, in den schlechtesten ist wer bekifft in den New Age Schrank mit den Schlaginstrumenten gefallen. Die Samples der Einheiten und Umgebung sind noch immer genauso unglaublich penetrant - wenn es nicht sogar genau die Selben sind - wie die aus "Age of Empires" von 1997. *Onhk, Bock, Klangg, Törööö!*

"Das sieht ja aus wie 2D!" - 2002 war das noch ein Kompliment, 2007 ist das bereits eine Katastrophe. Die Einheiten bewegen sich hölzern, die gepriesenen Effekte (Brandung mal ausgenommen) konnte ich nirgendwo ausmachen und Atmosphäre hat höchstens die Winterlandschaft. Auf der Habenseite: Die Geschwindigkeit. Schon 2002 lief "Age of Mythology" sehr gut auf gängigen PC Konfigurationen.

Fazit:

Wer einen älteren PC mit nur einem CPU Kern sein eigen nennt und Fan des guten, alten Resourcensammels ist, macht mit einem Kauf nicht viel falsch, denn wer durch etwas Try & Error und den großen Aufbauanteil nicht abschreckt wird und - ganz wichtig - einen menschlichen Gegner hat, der in etwa gleichstark ist (ja, ja, Enrico gewinnt fast immer, aber manchmal nur knapp), kann dieses Spiel praktisch ewig spielen. Immer wieder anders kann man gegen den Feind anrennen, bis die Strategie endlich aufgeht und der andere vielleicht umdenken muss.

Aber Vorsicht: Die günstigen Re-Releases von Ubisoft und XPLOSIV haben alle den gleichen CD-Key, so dass man nicht online spielen kann. Mir zumind. hat der deutsche Microsoft Support nicht die Bohne geholfen. Verschiedene Foren berichten darüber, dass der englische Support nach Prüfung der CD-Seriennummer wohl neue CD-Keys aus gibt.



  POSITIV:
  - sehr komplexes RTS
  - unterschiedliche Parteien
  - immer wieder anders
  - Kampagnen im Altertum


  NEGATIV:
  - Grafik stark veraltet
  - grässlicher Sound
  - Handlung so lala
  - viel Micro erforderlich