MARIO + RABBIDS
Kingdom Battle

Ubisoft Paris & Milan

(29.08.2017)


Zunächst möchte ich drei andere Kritiker zitieren:

  • "Ich will hüpfen, aber es ist ein Taktik Shooter."
  • "Das Spiel ist ab 6. Die Lernkurve ist einfach zu hart. Nicht zu empfehlen für die Kleinen. Zielgruppe mehr als verfehlt."
  • "Alleine schon, dass man sich nicht frei bewegen und nur punktförmige Handlungen vornehmen kann, macht dieses Spiel total sinnbefreit."

Natürlich ist solch fundamentale Kritik wie: "Das Brot ist keine Milch, so ein doofes Getränk", in erster Linie saukomisch, und doch hätte ich es wohl nicht kürzer und besser auf den Punkt bringen können: "Mario + Rabbids Kingdom Battle" (MRKB) ist mit keinem anderen Mario Spiel vergleichbar - und auch mit keinem anderen Rabbids Spiel - sondern im Kern eine astreine Kopie von "XCOM: Enemy Unknown" (2012) - nur eben mit Mario, den Rabbids und ein paar kleinen Rätseln, die durchaus den einen oder anderen ungeduldigen Sechsjährige zur Verzweiflung treiben können.



Ab 6?

Wer ernsthaft glaubt, dass das USK 6 Siegel irgendeine Aussage über eine Zielgruppe trifft, der müsste bei der USK 0 Altersfreigabe von "Project CARS" (2015) eigentlich Amok laufen. "MRKB" setzt lediglich voraus, dass man lesen kann. Wer nicht lesen kann, wird weder die unvertonte Geschichte verfolgen noch den Skilltree der einzelnen Figuren entwirren können. Darüber hinaus ist "MRKB" aber durchaus für Grundschüler geeignet, da vor jedem Kampf die Möglichkeit besteht für die Dauer eines Kampfes in einen sog. "Easy Mode" zu wechseln. Mein siebenjähriger Zweittester kann Zahlen erkennen aber noch nicht lesen, bewies nicht immer taktisches Geschick und ist trotzdem an keinem Kampf im Normalmodus dauerhaft gescheitert.

Richtig ist, dass "MRKB" ohne jede Frage eine Lernkurve besitzt, die in meinen Augen mit mehreren Stunden nicht wirklich besonders steil ausfällt, aber es ist natürlich schon ein sehr großer Unterschied, ob ich in einem Spiel im Wesentlichen nur laufe und hüpfe. Oder ob ich innerhalb einer zerstörbaren Umgebung und Gegnern mit ähnlichen Fähigkeiten rundenbasiert laufen, rempeln, hüpfen, schlagen, schießen, die Zugreihenfolge durchbrechen, Gegner anziehen oder abstoßen, sowie buffen und debuffen mit verschiedenen Cooldowns kann und nicht jede meiner drei aus acht Figuren alle Fähigkeiten hat, sondern jede für sich eine eigene Charakterklasse darstellt.



Am Rande des technisch Machbaren

Der Grafikstil von "MRKB" erinnert stark an "Super Mario 3D World" (2013) und unterscheidet sich damit deutlich von "The Legend of Zelda: Breath of the Wild" (2017), das der Switch um einiges mehr entgegenkam. Wenn "MRKB" immer mal wieder wegzoomt, werden die klaren Strukturen sehr schnell so verschwommen, dass ich mir anfangs an die Brille gegriffen habe. Und auch einige Kamerafahrten mit wilderen Schwenks verenden im niedrigen zweistelligen Bereich. Den ganz überwiegenden Teil der Spielzeit gibt es aber keine wesentlichen Einschränkungen, so dass ich nicht denke, dass dies irgendwen großartig nerven könnte.

Ansonsten hat Ubisoft gerade auf der optischen Seite sehr gute Arbeit geleistet und vier wunderschöne (okay, die letzte Welt erinnert teilweise eher an die Hölle oder zumindest an einen Hochofen, also wunderschön ist dann doch eher etwas anderes), abwechslungsreiche Welten gestaltet, die sich alle unterschiedlich anfühlen. Mir persönlich gefällt die zweite mit ihrem Kontrast zwischen Wüste und Eis und dem Schneegestöber am besten. Auch die Hasengegner sind Klasse, die ordentlich durchgeknallt aussehen und so charakteristisch gestaltet sind, dass Sohnemann und ich uns gut merken konnten, welcher Gegner welche Fähigkeiten hat und welche Züge man besser nicht macht, wenn man überleben will.



Einige fragwürdige Entscheidungen

Die Spielmechaniken der acht unterschiedlichen Figuren (von links oben nach rechts unten: Mario, Rabbid Luigi, Peach, Rabbid Yoshi, Rabbid Mario, Luigi, Rabbid Peach und Yoshi) gefallen mir außerordentlich gut. So kann z. B. nur Mario mit Hilfe eines Freundes einem Gegner direkt auf den Kopf springen, während Prinzessin Peach nach einem Sprung alle umstehenden Figuren heilt. Luigi hingegen löst durch seinen Sprung keinerlei Spezialaktion aus, kann aber als einziger zweimal hintereinander also von Freund zu Freund springen. Schade ist nur, dass ich Hauptcharakter Mario innerhalb des Singleplayermodus einfach nicht los werde.

Mario ist immer der Anführer und Teil des Dreierteams, so dass ich mir bei der Wahl meiner Teammitglieder unnötig eingeschränkt vorkomme. Es wäre nun wirklich nicht unmöglich gewesen, Mario trotzdem in den Zwischensequenzen erscheinen zu lassen, auch wenn er gerade nicht mitgekämpft hat. Noch dämlicher ist aber, dass sich Ubisoft schrecklich viel Zeit lässt, alle Figuren einzuführen. Peach erscheint kurz vor der Hälfte der Spielzeit, Rabbid Yoshi taucht erst auf, nachdem bereits 5/8 des Spiels vorbei sind, und Yoshi selbst sogar erst nach 7/8. Da es keine Möglichkeit gibt, das Spiel erneut auf einem höheren Schwierigkeitsgrad zu starten und somit alle Charaktere ausgiebig zu spielen, soll man wohl zum Ausgleich einfach den Season Pass erwerben.



Ein paar Karotten mehr wären nicht schlecht gewesen

Außerhalb der Kämpfe tut sich "MRKB" etwas schwer den Spieler zu motivieren. Die Rätsel innerhalb der Spielwelt sind nicht besonders schwer sondern meist eher unübersichtlich und die Belohnungen in den Kisten für die gelösten Rätsel bestehen nur selten aus besonderen Waffen sondern zu über 95 % aus Kunstwerken (Artwork), Soundtracks, 3D-Modellen und Tarotkarten, die man sich in einem Museum anschauen kann - braucht kein Mensch ohne krankhaftes Sammelfieber (mein Sohn sieht das anders). Die Geschichte beginnt mit den Rabbids, die alles durcheinander wirbeln - zumindest für ein junges und junggebliebenes Publikum - recht vielversprechend, tut sich dann aber mit den üblichen Mario Konventionen schwer.

Bedeutet: Keine Sprachausgabe oder wenigstens halbwegs sinnvolle Äußerungen der eigenen Figuren. Ubisoft macht das Beste daraus und verpasst dem manchmal schrecklich biederen Mario Franchise mit den Rabbids eine kleine aber feine humorige Frischzellenkur, mit der sich die Japaner in den Wii U Jahren so erschreckend schwer getan haben. So macht der Endgegner der dritten Welt sich etwa über Mario lustig und singt: "It's-a-me, let's-a-go! The only words you know", und sowohl die eigenen Figuren wie auch die Gegner fliegen umher oder verformen sich wie in einem alten "Tom & Jerry" Streifen, wenn sie einen besonders harten Treffer einstecken müssen.



Fazit:
Obwohl "MRKB" nicht das rundste Spiel aller Zeiten und für Erwachsene etwas zu einfach ist, wurde ich etwa 30 Stunden sehr gut unterhalten. Für den Fall, dass man absolut alle Kämpfe perfekt und alle Herausforderungen inklusive dem Zwei-Spieler-Coop abschließen will, sind sogar über 40 Stunden drin. Für die Herausforderungen muss man allerdings bereit sein, ziemlich dämlich durch die Gegend zu stapfen, was ich mir nach der ersten Welt dann nicht erneut gegeben habe.

Schon allein, weil es außer jetzt neulich mit "Disgaea 5 Complete" (2017) die Jahren zuvor wenig rundenbasierte Spiele auf den großen Nintendo Geräten gab, ist "MRKB" praktisch ein Pflichtkauf, auch wenn es von einer 90er Wertung weit entfernt ist. Das Ubisoft selbst auch bei einem brandneuem Franchise gleich wieder auf den Season Pass schielt, ist schade, aber Ubisoft wohl nicht mehr auszutreiben und bei der trotzdem ordentlichen Spielzeit zu verkraften. Wer Glück hat, kann das Spiel ja vielleicht demnächst gebraucht von jemanden kaufen, der hüpfen wollte.


Steuerung (15%):
Grafik (15%):
Balance (15%):
Handlung (15%):
Sound (10%):
Zugänglichkeit (10%):
Komplexität (10%):
Spieldauer (10%):