DIABLO III

Blizzard

(15.05.2012)

auch veröffentlicht auf
PlayStation 3 und Xbox 360


Wie schon bei "StarCraft II" (2010) hat sich Blizzard mit "Diablo III" mal eben zwölf Jahre Zeit gelassen, um einen Nachfolger zu produzieren - nur um dann zwei Wochen nach der Veröffentlichung mitzuteilen, dass man nicht genug Zeit gehabt habe, um die höheren Schwierigkeitsgrade, die Charakterklassen und das Handwerkssystem bzw. den Schmied auszubalancieren.

Realistisch gesehen, handelte es sich hierbei zunächst um kein Drama, denn laut firmeneigener Statistik hatten nach zwei Wochen 80 % der Spieler maximal Charakterlevel 30 von 60 erreicht und nur 1,9 % der Charaktere (wohlgemerkt nicht Spieler) hatten den höchsten Schwierigkeitsgrad Inferno überhaupt freigeschaltet. Das Zetern und Geheule wurde also mal wieder von denen erzeugt, die kein Leben haben. Für etwa 80 % aller Spieler würde der "Balance"-Patch 1.03 vermutlich so rechtzeitig kommen, dass sie wenig bis gar nichts davon mitbekommen. Dachte ich jedenfalls...

Schwer einzuschätzen

Sicherlich kann man den normalen Schwierigkeitsgrad in weniger als fünf Stunden bewältigen und auch den nächsten mit viel Kaffee ähnlich schnell durchknattern. Dem durchschnittlichen Spielerlebnis (siehe vorheriger Absatz) entspricht dies aber nicht. Anders als die meisten hauptberuflichen Schlauberger wollte ich deshalb erst gar nicht den Anschein erwecken, dass man innerhalb von bestenfalls zwei Dutzend Spielstunden zu einer finalen Wertung kommen könnte - und trotzdem muss ich mir im Nachhinein eingestehen, dass ich immer noch viel zu voreilig war.

"Diablo III" entsprach für mich auf den ersten und auch zweiten Blick weitestgehend "Diablo II" (2000). Fünf Charakterklassen, wie zuvor zwei Nahkämpfer und drei Fernkämpfer (einer davon erneut mit Begleitern), kämpfen sich durch drei lange und einen kurzen vierten Akt dem Höllenfürsten Diablo entgegen, aufgelockert wie gehabt durch State of the Art Videosequenzen.

Änderungen bzw. Verbesserungen finden sich eher im Detail wie z.B.:

  • weibliche und männliche Charaktere für jede Klasse
  • gemeinsamer Stauraum für alle Charaktere
  • entschlacktes Inventar, weniger Routineklicks
  • Talentsystem ohne Verskillgefahr (und ohne Tiefe)
  • zeitgemäße, explosive 3D Grafik
  • höhere Questdichte, mehr (aber nicht bessere) Handlung
  • zusätzlicher Schwierigkeitsgrad
  • lebendige, individuelle Begleiter
  • umfassender Statistikteil zu den Charakterwerten
  • faires Resourcensystem (Recycling)
  • extrem fließender Übergang zum Multiplayermodus
  • mehr Bosskämpfe (die wenigsten eine Freude)

Alte Stärken, neue Schwächen?

Beim Spielen wird einem sofort klar, dass das "Diablo"-Spielprinzip unverwüstlich ist. Je nach Vorliebe mit der Axt oder dicken Zaubersprüchen durch Gegnerhorden zu mähen, die wesentlich spektakulärer als früher das Zeitliche segnen, ist eine einzige Freude, die hin und wieder noch dadurch gesteigert wird, dass in den Überresten Ausrüstungsgegenstände zu finden sind, die entweder meine Spielfigur noch mächtiger machen oder einen guten Preis im Auktionshaus einbringen.

Womit ich dann auch schon bei der größten und entscheidnen Neuerung wäre: Dem Auktionshaus. Im Vorfeld wurde bereits lang und breit über das gebührenpflichtige Echtgeldauktionshaus gestritten, was auch jetzt noch in meinen Augen ein absolut unsinniger Streit ist. Einfach z.B. bei eBay nach "Diablo III" suchen und schon sieht man, dass der Handel von Gold und Gegenständen gegen echtes Geld tatsächlich stattfindet und der Service somit von einigen erwünscht ist, ob ich das persönlich nun mag oder nicht.

Kleider machen (B/L)eute

Lange Zeit war ich mir sicher, dass für die große Mehrheit das Spielgoldauktionshaus ohnehin das wesentlich interessantere ist und einen ganz entscheidenen Nachteil des Vorgängers behebt: Da Handel nun sehr einfach möglich ist, muss ich endlich nicht mehr ewig farmen, um passende Ausrüstung für meine Charakterklasse zu finden. Die Sache hat nur zwei Haken: Der erste sind Bugs, die es findigen Spielern immer wieder erlauben, sowohl die Auktionen selbst als auch das Spiel bzw. die Itemdroprate so zu ihren Gunsten zu manipulieren, dass sie fantastische Reichtümer anhäufen können, was zu ebenso fantastischen Preisen im Auktionshaus führt, die normale Spieler nicht bezahlen könne.

Der zweite ist, dass Blizzard ganz konsequent die Spielweise eines Charakter anders als in "Diablo II" viel weniger durch die unumkehrliche Wahl seiner Fähigkeiten bestimmt, sondern die Ausrüstung den weitaus größeren Einfluss hat. Dadurch ist das Talentsystem sehr einfach und restriktiv - um nicht zu sagen platt - und nur durch die wesentlich individuellere Symbiose mit meiner Ausrüstung kann ich versuchen gewisse Fähigkeiten zu ersetzen oder auch übermäßig zu verstärken.

Viel verdienen, wenig ausgeben

Trotzdem hätte es eine ganz tolle Sache werden können, doch irgendwann während der Entwicklung muss man bei Blizzard die Dollarzeichen in die Augen bekommen haben: "Wäre es nicht toll, den letzten Schwierigkeitsgrad so schwer zu machen, dass der durchschnittliche Spieler ohne Cheats und ohne unendlich viel Zeit praktisch gezwungen ist, das Echtgeldauktionshaus zu nutzen, an dem wir so schön mitverdienen?" Und so wurde es dann auch eine ganz tolle Sache - in der Unternehmensbilanz, aber leider nicht für Otto Normalspieler.

Ähnlich unglücklich bin ich (und wohl auch meisten anderen) über den Zwang permanent online zu sein. Da kann Blizzard dann auch gerne noch dreimal so viele Interviews wie bisher geben, in denen irgendwelche seltsamen facebookartigen Vorteile gepriesen werden, denn in allererster Linie handelt es sich hier um den einzigen Kopierschutz, der sich bewährt hat. Und ich sage das ganz klar: Hierfür habe ich vollstes Verständnis. Wer nicht zahlt, soll auch nicht spielen.

Wofür ich wenig Verständnis habe, ist die Serverstabilität, die im Vergleich zum Start von "StarCraft II" schlichtweg lausig war. Geschichten von irgendwelchen "Überraschungen" wie Anzahl der Käufer am Erstverkaufstag haben nun bald einen 15 Jahre alten Branchenbart. Ich persönlich konnte mich in den ersten zwei Wochen an etwa einem Drittel der Tage nicht einloggen. Besonders ans Herz gewachsen sind mir Mitteilungen, dass es um 17 Uhr weitergeht, nur um dann um 17 Uhr zu lesen, dass mittlerweile mit 19 Uhr zu rechnen ist. Um 19 Uhr geht's ganz ohne Begründung trotzdem nicht und erst gegen 22 Uhr wird ein Serverupdate von Mitternacht bis 3 Uhr angekündigt. Dann bin ich längst im Bett...

Zu viele Serienaltlasten

Sonst gibt es gar nicht so viel zu meckern. Genaugenommen habe ich abseits des Inferno Schwierigkeitsgrades (auch mit Patch 1.04 noch schwer wie eine Druckerpresse) und einigen weiteren Punkten praktisch nur die gleiche Kritik, die ich auch am Vorgänger hatte: Der Umfang und Aufbau vieler Umgebungen ergibt keinen Sinn. Einiges davon ist besonders in Akt 1 Serienaltlasten aus "Diablo" (1997) geschuldet, dessen Story den Serviettenstatus nie verlassen hat, aber es macht mich halt trotzdem nicht glücklich, wenn man mich durch kilometerlange, eintönige Folterkammern irgendwo unter der Erde schickt, in denen die Außenareale dreimal Platz hätten.

Gleiches gilt für die Kanalisation und die Bauten von Zoltun Kulle in Akt 2, die Burg und der Höllenschlund in Akt 3 und besonders Akt 4 ergibt ja mal gar keinen Sinn. Was machen die Engel den ganzen Tag, außer sich die Füße wund zu laufen? Die Designer haben es mit einer Konsequenz geschafft, absolut jedes funktionale Element zu vermeiden, dass man von Planung ausgehen muss. Schön, dass es wenigstens Vasen zum Zertrümmern gibt. Macht Platz, ich bin der Held, ich tret in Deine Keramik...

Enttäuscht bin ich von der Musik, die im Vergleich zum Vorgänger sehr dahinplätschert und nach dem Startbildschirm im eigentlichen Spiel kaum noch in Erscheinung tritt. Ähnlich enttäuscht, bin ich von dem redundanten Handbuch: Was dort abgebildet und geschrieben ist, befindet sich seit langem (teils seit Jahren) exakt so auf der offiziellen Website. Gleiches gilt übrigens auch für viel zu große Teile des Artbooks der Collector's Edition, das ohne diesen Makel ansonsten klar das bisher beste von Blizzard wäre.

Fazit:

"Diablo" und "Diablo II" waren die beeindruckensten Spiele ihrer Zeit. "Diablo III" ist lediglich der König eines Genres, in dem sich außer Blizzard seit 15 Jahren ohnehin niemand mehr so richtig erfolgreich getummelt hat. Das in "StarCraft II" überall deutlich sichtbare Herzblut des Entwicklerteams kann ich in dem routinierten "Diablo III" nicht ausmachen. Es scheint, als wäre man nach dem Weggang des ursprünglichen Teams Mitte 2003 und dem vernichtenden Misserfolg eben dieses Teams und ihren Flagship Studios mit "Hellgate: London" (2007) etwas übervorsichtig mit echten Neuerungen während der Entwicklung gewesen.

"Diablo III" ist, was mich bei seiner Entwicklungsdauer enorm überrascht - allein zwichen Ankündigung und Release sind fast fünf Jahre vergangen - nur etwa halb so lang wie "Diablo II" auf dem gleichen Schwierigkeitsgrad. Wenn man Inferno meiden will, weil man auf andauerndes Sterben nicht so steht, würden sich etwa 50 Spielstunden nur dann ergeben, wenn man mit drei der fünf Charakterklassen jeweils die drei anderen Schwierigkeitsgrade abschließt, aber ich weiß nicht, ob der Durchschnittsspieler wirklich neunmal schnell hintereinander die gleiche Spielwelt sehen will.

Und sehr befremdlich wirkt es auch, dass viele der Skillungen, mit denen sich wenigstens geringe Erfolge auf Inferno feiern lassen, auf Fluchtverhalten setzen. Permanent wegzulaufen ist nicht so meine Vorstellung von heldenhaften Verhalten. Besonders beim Barbaren wirkt es seltsam, wenn er aufgeregt wie ein Hühnchen, das glaubt, sein Leben nimmt jetzt eine entscheidene Wendung, weil es sich gerade das neueste Smartphone gekauft hat, die Gegner umtanzt und dabei die zentnerschwere Zweihandwaffe nur zur Zierde mitführt.



  POSITIV:
  - wuchtige Inszenierung
  - perfekte Bedienung


  NEGATIV:
  - beliebiges Skillsystem
  - Auktionshaus schadet
  - sinnfreie Umgebungen
  - tödliche Zufallsgegner
  - sehr kurz