ROUNDGUARD

Wonderbelly Games

(13.03.2020)

auch veröffentlicht auf iOS,
PS4, Windows u. Xbox One


Ich bevorzuge regelmäßig zeitgemäße Spiele mit Handlung, starken Charakteren und einer gewissen Spieltiefe und Spieldauer. Das Attribut "roguelike", das eigentlich auch immer das Attribut "permadeath" mit sich bringt, löst in mir so Assoziationen aus, wie barfuß in einen rostigen Nagel zu treten. Ich lasse mich nur äußerst ungern dafür bestrafen, dass ich nicht gleich geahnt habe, was der Entwickler von mir will. Ich habe mich also an so einigen "roguelikes" versucht, aber einzig und allein das Debut von Wonderbelly Games "Roundguard" habe ich seit April immer wieder und nunmehr schon über 40 Stunden gespielt.

"Peggle"-RPG

Die Entwickler geben unumwunden zu, dass "Peggle" (2007) mit seinem praktisch identisch aufgebauten Spielfeld und seiner Ballphysik, die größte Inspiration war. Doch während ich beim Vorbild nach dem Abschuss des Balls im Wesentlichen nur Zuschauer bin, muss ich bei "Roundguard" im Rahmen seiner seltsamen Theateraufführung auf den mit Gegnern gefüllten Spielfeldern ständig abwägen, ob ich die Überlebenschancen des "Balls" meiner Wahl - Krieger, Gaunerin oder Zauberin - durch den Einsatz von Spezialfertigkeiten, die knappes Mana kosten, zusätzlich erhöhen will. Denn jeder normale Angriff (Berührung) ermöglicht es den Gegnern mir ebenfalls eine zu schallern.

Habe ich hingegen noch genügend Lebenspunkte, kann ich es mir stattdessen alternativ leisten, die Fähigkeiten einzusetzen, um besondere Ausrüstungsgegenstände und besonders viel Gold aus zerschlagenen Goldtöpfen abzugreifen oder etwa Quests zu erfüllen. Etwas überraschend erwies sich "Roundguard" schnell als angenehm komplex, denn jeder Charakter verfügt über mehrere individuelle Fähigkeiten, wie etwa als Krieger gezielt den nächsten Gegner anzuspringen, als Gaunerin ungesehen (ohne Gegenschlag) einen Giftangriff auszuführen oder als Zauberin Blitze zu schleudern. Immer zwei Fähigkeiten können aktiv sein, die sich durch das Aufsuchen bestimmter Räume bzw. Sprung in den richtigen Schatzhaufen relativ gezielt steigern oder tauschen lassen.

Wie es sich für ein richtiges Abenteuer gehört, finde ich außerdem immer bessere Waffen und Rüstungen sowie allerlei Ringe und Amulette, so dass sich für ein und denselben Ausgangscharakter eine ganze Menge verschiedene Möglichkeiten ergeben. So lässt sich etwa bei der Gaunerin die Ausweichchance bezüglich der gegnerischen Schläge stark erhöhen oder die Zauberin wirft mit zusätzlichen Fröschen um sich. Natürlich kann ich auch mal ziemliches Pech haben und nichts will so richtig zusammenpassen, aber dann beiße ich auch eher schnell ins Gras, kann gleich einen Neustart hinlegen und diesmal etwas mehr Glück haben.

Wettstreit

Würde ich "Roundguard" ganz isoliert für mich allein spielen, wäre es am Ende trotz einiger Varianten relativ schnell langweilig, denn selbst ein sehr erfolgreicher, auf Gold sammeln optimierter Durchlauf durch alle 45 Ebenen des Dungeons dauert maximal 90 Minuten. Und in den Ebenen finden sich die immer gleichen drei Bosse und etwa ein Dutzend anderer Gestalten mit entsprechenden Minibossen, die ich dann also auch alle recht bald gesehen hatte. Zwar stellen die Gegner Krieger, Gaunerin und Zauberin vor etwas unterschiedliche Herausforderungen, aber so großartig ist der Unterschied auch nicht.

Zum Glück gibt es aber eine wöchentliche Rangliste in den drei Kategorien "das meiste Gold", "die geringste Zeit" und "die wenigsten Züge", die natürlich ihre ganz eigenen Herausforderungen mit sich bringen - und von mir bisher nie als Erster abgeschlossen wurden. Ich könnte zwar einen Screenshot raussuchen, auf dem ich gerade erster bin, aber leider ist auch zu sehen, dass der Wettbewerb noch vier Tage dauert. Die erste Hürde in allen drei Kategorien besteht logischerweise darin zu überleben, nur lässt sich damit allein eben noch kein Blumentopf gewinnen.

So muss ich - um beim Beispiel Gold zu bleiben - für eine besonders hohe Goldausbeute, die Räume der Kategorie Schatzkammer, in denen ich gezielt Ausrüstung abgreifen kann aber die immer nach zwei Abschüssen enden, eher meiden oder aber neben einem großen Manavorrat eine Fähigkeit besitzen, mit der ich sehr schnell sehr viele Goldtöpfe zerschlagen kann. Möchte ich hingegen in möglichst wenigen Zügen durchs Dungeon kommen, erscheinen Schatzkammern erst einmal optimal, wenn mir nur nicht die Erfahrungspunkte fürs Töten der Gegner und damit die Stufenaufstiege und potentiell die Nehmerqualitäten für die Bosse fehlen würden.

Technik

Normalerweise lassen sich größere Abstriche bei der Grafik bei kleinen Teams praktisch nicht vermeiden. Während für große Produktionen wie z. B. aktuell "Assassin's Creed Valhalla" (2020) allein an der Grafik hunderte von Leuten werkeln, gibt es bei Wonderbelly Games eben nur drei Leute für alles. Und oft wird dann - ganz verstärkt in den letzten Jahren - als Ausweg auf einen extrem pixeligen Retrostil gesetzt, wie er mir aktuell "Ikenfell" (2020) wieder auf die Augen gegeben hat. Retrostil hatte ich persönlich aber schon lange genug auf dem C64 und dem Amiga und brauche da echt keine weitere Zugabe.

Von daher bin ich extrem froh, dass "Roundguard" in einer genügend hochaufgelöste 2D Grafik präsentiert wird, in der sich Spinnen, Skelette und Riesen auch zweifelsfrei als solche erkennen lassen. Deutlich schlechter ist es um die Musik bestellt, die so etwa bei den drei immer gleichen Musikstücken liegen muss - und naja, Sprachausgabe, also abgesehen von "Au!", "Uff!" und "Grr!", gibt es schon mal gar nicht. Folgerichtig sind die Versuche mit lediglich etwas Text und hilflosen Animationen zwischen dem Kernspiel zu unterhalten, dann auch - je nach Geschmack - ganz nett oder von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Fazit:

Die 20 € für "Roundguard" waren die am besten investierten des ganzen Jahres. Eigentlich waren es sogar nur 18 €, weil das Spiel für einige Tage im Nintendo eShop günstiger zu haben war, aber ich habe den Kauf für die Nintendo Switch ein Bisschen bereut, denn in 4K Ultra HD (und ohne gelegentlichen Joy Con Drift) wäre es auf meiner Xbox One X sicherlich noch etwas schöner gewesen. Sei's drum, "Roundguard" tut sein Bestes um mit Physikspielereien und knuddeligen Monster zu unterhalten. Und das auch noch sehr familiengerecht - also ich habe echt keine Ahnung was die USK 12 Einstufung soll.

Natürlich ist das Drumherum ausbaufähig, aber irgendwo muss ein so kleines Studio wie Wonderbelly Games Abstriche machen, um sein Werk bei Zeiten zu veröffentlichen. Wer will kann über sog. Relikte, von denen jeweils eines zufällig nach einem erfolgreichem Durchlauf freigeschaltet wird, das Spiel vor Beginn noch weiter modifizieren. Und sich so den einen oder anderen Vorteil gezielt für eine der Spielarten verschaffen. Doch Vorsicht! Im ersten Moment stechen einem immer nur die offensichtlichen Vorteile eines Relikts ins Auge, es gibt aber keines, dass nicht auch ziemliche Nachteile mit sich bringt - gerade wenn es mal nicht so läuft, wie es laufen soll.



  POSITIV:
  - gute Ballphysik
  - knuddelige Typen
  - verschiedene Skills
  - viel Ausrüstung


  NEGATIV:
  - immer gleiche Musik
  - keine Sprachausgabe
  - wiederholt sich