STEAMWORLD QUEST:
Hand of Gilgamech

Image & Form

(25.04.2019)

auch veröffentlicht auf
Stadia und für Windows PCs


Bisher gibt es insgesamt fünf SteamWorld Spiele in vier Genres, in denen alle Protagonisten dampfbetriebene Roboter in einer postapokalyptischen Welt sind. Während "SteamWorld Tower Defense" (2010) ein ganz kleines Spiel im Downloadshop für Nintendo DS war, von dem ich bis eben nie gehört habe, verfolgt mich bereits seit Wii U Zeiten die Werbung für die Plattform-Bergbauabenteuer mit Metroidvania-Einschlag "SteamWorld Dig" (2013) und "SteamWorld Dig 2" (2017), sowie für das 2D XCOM "SteamWorld Heist" (2015) auf den Startseiten diverser Online Stores.

Zu "SteamWorld Quest: Hand of Gilgamech" (2019) habe ich also lustigerweise nicht etwa wegen einem der anderen SteamWorld Spiele gegriffen, sondern weil ein klassisches rundenbasiertes JRPG wie "zuletzt" "Battle Chasers: Nightwar" (2017) mit der Kartenkampfmechanik eines Roguelikes wie "Slay The Spire" (2019) einfach funktionieren musste. Und was soll ich sagen: "SteamWorld Quest" habe ich praktisch nicht mehr aus der Hand gelegt und an vier aufeinanderfolgenden Tagen in insgesamt 24 Stunden durchgespielt.

Helden

Nach all den schönen Schubladen geht es zur nächsten, denn "Quest" beginnt - wie es sich gehört - mit zwei Heldinnen. Die eine mit Namen Copernica möchte als Alchemistin am liebsten der ganzen Menschheit dienen und ist daher auf der Suche nach - was liegt näher - dem blauen Pfefferminz-Bovist (soll in der Lage sein, einen Brunnen zu entgiften). Weil sie befürchtet, dass es im Wald Ärger mit den überall marodierenden Schraubolden gibt, muss ihre Freundin Armilly sie noch vor dem Aufstehen begleiten.

Diese wiederum möchte nicht wie ihre Eltern als Gemüsehändler enden und stattdessen ganz offiziell eine Heldin sein, was in der Welt von "Quest" nur geht, wenn einen die Heldengilde aufnimmt, die aber Standesdünkel zu haben scheint. Jedenfalls begegnen die beiden Freundinnen tatsächlich schon nach wenigen Minuten zwei Schraubolden und ich bekomme sechs Karten in die Hand gedrückt, die für die Fähigkeiten meiner Heldinnen stehen, damit die Damen sich selbst verteidigen bzw. den Bolden ein paar Schrauben lockern können.

Helden- und Team-Kombo

Im Kern gibt es zwei Arten von Karten: Einfache Angriffe oder Upgrades, die zusätzlich Dampfkraft (DK) generieren, und mehr oder minder mächtige Fertigkeiten, die ich nur ausspielen kann, wenn ich eben über genügend DK verfüge - alle Helden haben einen gemeinsamen DK Pool. Einige Fertigkeiten benötigen zwar keine DK und können sofort gespielt werden, generieren jedoch auch keine DK. Hier gilt es klug abzuwägen, welche drei Karten ich in einer Runde ausspiele, bevor die Gegner ihrerseits dran sind.

Nach dem ersten von 19 Kapiteln, das im wesentlichen als Tutorial genutzt wird, besteht mein Team immer aus drei Kämpfern bzw. Kartendecks zu je acht Karten. Zu dieser Kernmechanik stoßen eigentlich nur noch die Helden- und die Team-Kombo dazu. Die häufiger genutzte Helden-Kombo (CHAIN!) wird ausgelöst, indem ich in einer Runde drei Karten eines Helden ausspiele und hierfür als Belohnung eine vierte, aus dem Nichts herbeigezauberte Karte gespielt wird, die von der aktuell geführten Waffe des Helden abhängt.

Nach meiner Beobachtung gibt es je Held mind. vier verschiedene Waffentypen, von denen drei im Shop der fahrenden Händlerin gekauft werden können und eine nur in denen in der Spielwelt versteckten Kisten gefunden werden kann. Die Team-Kombo ist sozusagen das Gegenteil. Einige Karten - am Ende vier Karten je Held, wenn man denn alle in den bereits erwähnten Kisten findet - werden also mächtiger, wenn sie in der gleichen Runde nach einer Karte eines bestimmten anderen Helden gespielt werden.

Dies bedarf deutlich mehr Vorarbeit als die Helden-Kombo, den zum einen müssen die fünf Kartendecks - je nachdem welchen drei Helden aktiv sind - immer wieder angepasst werden, zum anderen musste ich ausgiebig Testen, ob sich die Kombos z. B. in Bezug auf die benötigte DK und die Tatsache, dass man im besten Fall sechs aus 24 spielt, auch tatsächlich relativ verlässlich auslösen lassen.

Wie komplex ist der Kampf?

Ich bitte schon mal um Verzeihung, aber ich muss erneut (und immer noch) "Dragon Age: Origins" (2009) hier als Referenz nennen. Mal abgesehen davon, dass ich meine Charaktere im Kampf nicht bewegen muss, gibt es praktisch alle Möglichkeiten (auch für die Gegner) aus "Origins" also verschiedenste Buffs und Debuffs sei es durch Zauber oder Schläge, Heilzauber, Dots wie brennen, bluten oder Gift, vier Elementarschadensarten und sogar etwas, was spieltechnisch dem Gestaltwandel von Morrigan gleichkommt, auch in "Quest".

Lediglich beim Inventar bzw. der Ausrüstung der Helden kommt "Quest" nicht an die ganz großen Rollenspiele heran und bietet mit einer Waffe und zwei Schmuckstücken den klassischen JRPG Umfang. Trotzdem, weil nämlich bei den Schmuckstücke auch einige ungewöhnliche Fähigkeiten wie Chance auf Vergiftung bei jedem Schlag oder automatische Heilung dabei sind, kann ich mich in Verbindung mit dem richtigen Deck an zahlreichen Builds für die Charaktere versuchen.

Ernstes mit Humor erzählt

Zu Beginn des Spiels konnte ich mich zunächst des Eindrucks nicht erwehren, dass es Image & Form ausschließlich darum geht, im Stil einer Farce von Tom Sharpe verschiedene Charaktere mit gestörtem Verhalten aufeinander prallen zu lassen - und das allein unterhält mit den diversen Rollenspielklischees vermischt schon verdammt gut. Aber je länger das Spiel andauert, desto deutlicher wird, dass diese Verhaltensauffälligkeiten auf Dauer ein Problem sind.

Z. B. der etwas eigenbrötlerische Galleo (das Froschgesicht), sozusagen der Ingenieur der Gruppe, werkelt am liebsten den ganzen Tag im Keller, hasst es Miete zu zahlen und wohnt deshalb bei seiner Mutter. Wer kennt diese Typen im Hotel Mama nicht? Nach den ersten Rückschlägen im Leben bleibt aus subjektiver Sicht nur die Rückkehr ins warme Nest, wo man sich auch mit 45 Jahren noch von seiner 70jährigen Mutter bekochen lässt und in etwa die Verantwortung eines elfjährigen Burschen hat.

Da wird mir sicherlich jeder zustimmen: Das ist jetzt - gerade im Vergleich zu den beiden moralisch wenig gefestigten Waisenkindern Tarah u. Thayne, die auch zu meiner Gruppe stoßen - ein etwas ungewöhnlicher Charakter, den ich hier als Held präsentiert bekomme. Aber nachdem - wie erwartet - so einige gute Witze in Richtung Galleo gefeuert wurden, wird eben auch klar, wie schädlich für ihn selbst dieses Verhalten ist und wie sehr ihn sein derzeitigen Lebensstil für den Rest seines Lebens einengen und limitieren wird.

Fazit:

Wow! "SteamWorld Quest: Hand of Gilgamech" macht ganz viel richtig und praktisch gar nichts falsch. Die Grafik ist technisch einfach, aber wie ich finde sehr klar und stylisch, die Musik mal wichtig, mal unwichtig, aber nie störend und das Kampfsystem ein absoluter Traum. Da die Story ihre emotionalen Momente hat, hätte ich zu gerne eine Sprachausgabe gehabt, aber wie alle anderen SteamWorld Spiele auch, ist "Quest" ein Indiespiel mit kleinem Budget und entsprechenden Umfang.

Trotz der Möglichkeit weitere Ausrüstung in den typischen JRPG Arenakämpfen zu farmen und Kapitel erneut zu spielen, was ich beides tatsächlich kurz tun musste, als ich die Monster gegen Ende auf dem normalen Schwierigkeitsgrad nicht mehr im Griff hatte, lässt sich die Spielzeit für einen Durchlauf kaum auf über 25 Stunden strecken. Im Gegenzug hat aber auch "Quest" selbst am Erscheinungstag keine 60 € sondern schon immer nur 20 € gekostet. Wie ich finde exzellent investiertes Geld.



  POSITIV:
  - Spaß mit Karten
  - spitzen Kampfsystem
  - witzig und ernst zugleich


  NEGATIV:
  - keine Sprachausgabe
  - begrenzter Umfang