DEFENDER'S QUEST
Valley of the Forgotten

Level Up Labs

(14.06.2016)

auch veröffentlicht auf
PS Vita, PS4 und Xbox One


Bevor das kostenlose HD Update zum Original von 2012 untergeht, hier schnell mein Update in Form einer entsprechend angepassten Rezension mit neuen Screenshots zu meinem absoluten Lieblingsindiespiel:

Ein Tower Defense Spiel ist normalerweise nichts, womit ich mich sehr lange aufhalten kann. Aber "Defender's Quest: Valley of the Forgotten" (DQ: VotF) tütete mich gleich mit der lediglich musikalisch untermalten Anfangssequenz ein: "My name is Azra. I am dying. They don't wait. There's not even time to burn the bodies anymore. Just take them outside the city... and throw them in the Pit."

Kaum bin ich hart auf dem Boden der Tatsachen bzw. der Grube aufgeschlagen, wird mir klar, dass ich anders bin als die meisten anderen (vor allen Dingen Zombies) und das mögen die Grubenbewohner und der seltsame Flammenmann, der über sie zu gebieten scheint, überhaupt nicht. Da ich selbst anfangs völlig wehrlos bin, ist es ein großes Glück, dass der Beserker Slak (das ist jedenfalls der vorgeschlagene Name) auftaucht, der zwar mächtig einen am Koffer hat, aber bereit ist die Zombiehorde abzuwehren, weil - nun ja - er eben gerne auf alles einschlägt, was sich bewegt.

Tower Defense heiratet Rollenspiel

Nach dem Kampf gibt's dann die große, positive Überraschung: Während man auch in vielen anderen Tower Defense Spielen während eines einzelnen Levels die Kämpfer/Türme aufwertet, gibt es nämlich in "DQ: VotF" auch zwischen den Leveln reichlich Story und zu tun. So wollen die verschiedenen Charakterklassen gegen die Grubenwährung Kram rekrutiert und ausgerüstet werden, wobei man die einmalige Ausrüstung allerdings nur auf höheren Schwierigkeitsgraden im Kampf erwerben kann, die sich dann wiederum genialerweise nach dem ersten Durchspielen im "Spiel+" genannten Modus zu einer ganz besonderen Waffe und Rüstung aufwerten lässt.

Der entscheidene Kniff ist jedoch, dass die insgesamt sechs Klassen (Berserker, Waldläufer, Heiler, Eis-Magier, Ritter und Drache) über Skilltrees verfügen (siehe Bild unten), die zwar unscheinbar daherkommen, aber viele Möglichkeiten bieten. So kann man z. B. den Beserker mit einer so hohen Eigenregeneration ausstatten, dass er auch ohne einen Heiler den Angriff vieler Monster standhalten kann. Oder man stärkt bei einigen Charakteren lediglich die einfachen Fähigkeiten, so dass diese mit weniger Aufwertungen (im Bild ist dies die Angabe "Boost 3") während des Kampfes vergleichsweise mehr Schaden machen, wobei ich mir allerdings immer noch nicht sicher bin, ob sich das tatsächlich bewährt hat, hahaha.

Zum Glück haben die Jungs von den Level Up Labs gut mitgedacht und bestrafen den experimentierfreudigen Spieler nicht mit einem System, bei dem man mit einem verskillten Charakter ewig leben muss, sondern ich kann gegen etwas Kram beliebig oft die Wahl rückgängig machen. Nur einen heißen Tipp möchte ich loswerden: Investier erst in die Rekrutierung weiterer Mitstreiter bevor Du Deinen letzten Kram für Ausrüstung ausgibst, denn selbst Charaktere, die nicht am Kampf teilnehmen, steigen im Level auf. Ansonsten enteilen einem die Monster im Level später zu sehr.

Diese Abstriche muss man machen

"DQ: VotF" ist ein kleines Indiespiel, ist von einem kleinen Team mit entsprechend kleinem Budget auf die Beine gestellt worden und hat eben auch entsprechend einige Defizite. Während die musikalische Untermalung im Bereich der Komposition sogar fast mit einigen großen Produktionen, die zwingend jedes Jahr auf den Markt geprügelt werden müssen, mithalten kann, gibt es etwa keine Sprachausgabe für die wirklich gut geschriebenen Texte, die sehr schamlos beworben werden: "Featuring a story written by an actual English Major", aber Ehre, wem Ehre gebührt.

Außerdem wurde das ursprüngliche Spiel 2012 nicht für Breitbildschirme optimiert und sah auf großen TFTs mit 800 x 600 Pixeln (etwas unerklärlich für ein 2D Spiel, das auch damals schon keine Performanceprobleme haben sollte) doch ziemlich bescheiden aus. Gab es da echt die Masse an Leuten, die sich keinen modernen TFT Bildschirm leisten können, aber Geld für Indiespiele ausgeben? Umso schöner ist es nun, dass das kostenlose HD Update - quasi um die Wartezeit auf den zweiten Teil "Defender's Quest II: Mists of Ruin" zu verkürzen - das Geschehen wesentlich ansehlicher macht.

Kleine Fehler beim Balancing

Die Waldläuferklasse ist viel zu stark, allein schon deshalb, weil der Angriffsradius riesig ist. Die anderen Charakterklassen decken im Schnitt etwa fünf Felder ab, der Waldläufer kommt locker auf über 25, bei günstigem Levelaufbau sogar auf über 40 Angriffsfelder. Hinzukommt, dass erst im "Spiel+" Gegner auftauchen, die weniger Schaden aus Pfeilbeschuss nehmen, so dass während des normalen Spiels eine differenzierte Taktik meist nicht gefordert ist. Es wäre daher schön gewesen, wenn die Bögen weniger Schaden machen würden, die man im Spiel erwerben kann. So kann man nichts falsch machen, wenn man sofort die maximale Anzahl von sechs Waldläufern rekrutiert.

Außerdem werden die verschiedenen Charakterklassen etwas zu langsam eingeführt. Drachen gibt es in größeren Mengen etwa erst, als lediglich noch 14 der insgesamt 47 Schlachten auszufechten sind und mehr als einen Ritter gibt es auch erst für die letzten 18 Karten. Das ist in meinen Augen eindeutig eine völlig falsche Designentscheidung und ändert sich leider auch nicht im "Spiel+", da weiterhin die gleichen Klassenrestriktionen für die einzelnen Karten gelten.

Fazit:

"Defender's Quest: Valley of the Forgotten" schafft es trotz ein paar kleiner Patzer bereits mit dem normalen Durchlauf für gut 25 Stunden an den Bildschirm zu fesseln - auch dank der gut erzählten Geschichte. Der deutschen Übersetzung fehlt es leider teilweise an Sorgfalt (Du und Sie wechseln bunt bei der Anrede der gleichen Person), ist aber insgesamt brauchbar. Und da sich im "Spiel+" Modus tatsächlich eine ganze Menge tut und der Anspruch anzieht, kann man auch 50 Stunden mit dem Spiel um die Ecke bringen.

Jenseits der Grafik sind die Änderungen bzw. der neue Heldenmodus, in dem man lediglich einen Held jeder Klasse einsetzen darf, jetzt nicht wirklich spektakulär, aber wer mal ein überteuertes Remaster für PS4 oder Xbox One gekauft hat, der möchte sofort einen Präsentkorb an Level Up Labs schicken. Bessere Werbung für sein nächstes Spiel kann man eigentlich nicht machen, das hoffentlich noch 2021 veröffentlicht wird. Aber wenn's nun doch 2022 wird, ist das auch nicht der Untergang...



  POSITIV:
  - super Genremix
  - klasse Geschichte
  - tolle Musik


  NEGATIV:
  - sehr mäßige Grafik
  - Balancing Probleme
  - Charakterklassen zu spät