MARIO KART 8

Nintendo EAD
SDD No. 1

(30.05.2014)

auch veröffentlicht auf
Switch


Da ist er also! Der Titel, der 2014 praktisch im Alleingang Nintendos völlig am Boden liegende Wii U Plattform retten soll. Der Wii Ableger "Mario Kart Wii" hat sich seit 2008 unglaubliche 35 Millionen Mal verkauft und der letzte Handheld Ableger "Mario Kart 7" ging seit 2011 immerhin noch knapp zehn Millionen Mal über die Ladentheke, weshalb Nintendo meint, dann auch mal eben 10 € mehr als für die meisten anderen Spiele verlangen zu dürfen.

Nachdem was ich so gehört habe, hat sich die Wii U Konsole mancherorts in der Woche des Release von "Mario Kart 8" viermal so gut verkauft wie in der Woche vor dem Release, aber ob das auf lange Sicht schon reicht, wenn wir hier für ganz Europa etwa von 20.000 anstatt 5.000 Konsolen pro Woche für vielleicht einen Monat reden?

Ich geb' Gas! - Ich will Spaß!

Ich habe das erste Mal 1995 auf dem SNES "Super Mario Kart" (1993 in Europa veröffentlicht) gespielt und das Rezept für Spaß ist bis heute geradezu unverändert: Greif Dir mindestens einen Mitspieler und wenn er besser fährt als Du, obwohl dem Spiel kein komplexes Fahrmodell zu Grunde liegt, dann baller ihm die Schildkrötenpanzer um die Ohren und leg Bananenschalen für ihn aus. Durch diesen Eingriff in die Spielmechanik bzw. typischen Rennablauf hat auch ein relativ schlechter Fahrer oder jemand mit geringerer Streckenkenntnis durchaus Chancen hin und wieder zu gewinnen.

Während man Siege, die erst in letzter Sekunde durch einen tragischen Unfall des Führenden möglich wurden, gegen Computergegner lediglich zur Kenntnis nimmt, kommt gegen menschliche Mitspieler Schadenfreude im Minutentakt auf. In dieser Kerndisziplin konnte auch "Mario Kart 8" nicht wirklich scheitern. In fast jeder anderen Hinsicht enttäuscht "Mario Kart 8" mich allerdings.

Brillen für alle, die 1.080p sehen!

Obwohl bei Nintendo das HD (720p) Zeitalter ja ohnehin erst Ende 2012 begonnen hatte, habe ich vor dem Release wiederholt gelesen, dass "Mario Kart 8" in 1.080p bei 60 FPS läuft. Ich bin davon ausgegangen, dass es technisch zumindest nicht unmöglich sein sollte, nunmehr 18 Monate nach der Markteinführung eine Full HD Grafik auf Grundlage der vorhandenen Hardware zu präsentieren, wenn sich Effekte und Polygone etwas im Rahmen halten sollten.

Selten lag ich so falsch. Was hier über den Bildschirm flimmert, hat zwar enorme Weitsicht, aber nie und nimmer eine höhere interne Auflösung als 720p - ja wenn nicht sogar noch weniger, denn das Bild auf dem Touchscreen des Controllers mit 480p sieht haargenau so aus wie das Bild auf meinem Fernseher. Besonders Streckenbegrenzungen mit harten Kontrasten wie Geländer schlagen einem derart riesige Treppen auf die Augen, dass man glaubt, man sieht gerade ein YouTube Video, bei dem sich aufgrund der Kompression Artefakte gebildet haben.

Ebenso unerfreulich ist, dass einige Elemente bei einer Betrachtung aus der Nähe und mit etwas mehr Ruhe (etwa während der Wiederholungen) offenbaren, dass sie gar nicht für eine HD Auflösung angefertigt wurden. Wenn ich 2014 ein brandneues Spiel einwerfe, dann will ich insbesondere um Himmels Willen keine Texturen sehen, denen jeglicher räumlicher Eindruck abgeht (siehe Bodentextur auf dem Bild oben). Solche Grütze habe ich selbst auf dem PC zur Zeit der Starttitel der letzten Konsolengeneration bis so etwa 2009 ausreichend genossen und mir ist diesbezüglich echt nicht nach Wiederholungen.

Bunt wie ein Strampelanzug

Bei Nintendo muss bekanntlich irgendwo einer sitzen, der sagt: "Bunt geht immer", oder "bunt braucht keinen Grund." Und bei Spielen wie "Mario Kart 8" macht es mir persönlich auch nichts aus, wenn die Fahrzeuge und Figuren aussehen, als wenn sie aus einem Überraschungsei stammen würden. Es wäre nur schön gewesen, wenn die Jungs vom Streckendesign sich mal etwas mehr aus der Birne gequetscht hätten, als die - von wenigen Ausnahmen für ein paar Abschnitte abgesehen - überwiegend langweiligen neuen 16 Strecken, denn an den Wänden und Decken entlangzufahren, ist spieltechnisch fast bedeutungslos.

Richtig schlimm wird es dann bei den 16 neu aufgelegten Streckenklassikern. Da Nintendo bereits seit "Mario Kart DS" (2005) die Schiene fährt, jeweils 16 neue und 16 überarbeitete Strecken anzubieten, sind die 48 besten Strecken der Vergangenheit schon verwendet worden. Ergebnis: Strecke 49 bis 64 wie etwa die mittelmäßige "Kuhmuh-Weide" oder der in meinen Augen absolut unterirdische Kurs "Toads Autobahn" sind sowohl optisch - obwohl manchmal ganz schön aufgemöbelt - aber besonders eben spielerisch noch einmal eine ganze Ecke langweiliger als die bereits nicht gerade euphorisch stimmenden neuen Strecken.

Entwickler im Sparmodus

Auch sonst hat Nintendo die Zeichen der Zeit massiv verpennt und bietet mit den üblichen Splitscreen- und Multiplayermodi etwa den 2005er Inhalt, also einen Umfang wie ihn auch jedes bessere free-to-play Spiel heutzutage auf die Reihe bringt. Richtig lachen musste ich darüber, dass für den Modus "Battle", in dem man sich gegenseitig drei Luftballons wegballert, sogar die Arenen der Vergangenheit gestrichen wurden und man sich stattdessen auf den normalen, für den Spielmodus viel zu weitläufigen Strecken bekriegen soll. Spiel "Battle" und der Satz, der am häufigsten fällt, ist: "Wo bist Du eigentlich?"

Natürlich ist die "Mario Kart"-Serie seit über 20 Jahren am besten mit mehreren vor einem Bildschirm, aber das gilt praktisch für jedes Spiel und daher hätte ich gerne auch von "Mario Kart 8" einen Singleplayermodus, der sich wesentlich von dem Multiplayermodus unterscheidet. Scheiße was, ich darf vier Strecken hintereinander fahren und dann beginnt das Spiel von vorne. Das ist so unglaublich arm, dass weniger gar nicht mehr vorstellbar ist. Wäre es so unendlich schwer gewesen, eine Karriere basierend auf einer Mindestplazierung zusammenzustricken und zwischendurch die Mariocharaktere durch die Boxengassen zu jagen?

Da passt es dann nur zu gut, dass man mit der Zeit durch das Aufsammeln von Münzen verschiedene Karts, Reifen und Gleitschirme freischaltet, die die Geschwindigkeit, die Beschleunigung, das Gewicht, das Handling und die Haftung des Karts verändern, aber nicht einmal in der integrierte elektronische Anleitung verraten wird, was ich denn überhaupt im einzelnen unter diesen Parametern zu verstehen habe. Ich habe mir jedenfalls nicht vorgestellt, dass mich eine hohe Haftung schneller durch Schlamm fahren lässt.

Düdel, düdel, juppie!!!

Wenn "Mario Kart 8" startet, werden sechs Menüpunkte angezeigt. Keiner davon heißt Optionen, so dass man das Gedüdel auch während der Rennen in voller Lautstärke bis zum St. Nimmerleinstag hören darf. Wessen Geschmack Nintendo trifft, hat vielleicht Glück. Ich habe jedenfalls Pech, denn ich habe Musik während Rennen noch nie gemocht und fühle mich daher nicht schlecht bevormundet. Da spielt es schon fast keine Rolle mehr, dass die Charaktere quieken, als wenn man ein Schwein tritt, und die anderen Geräusche allesamt aus der Steinzeit der Videospiele zu stammen scheinen.

Wenigstens funktioniert die Online Multiplayerlobby ganz anders als etwa der Witz in "Gran Turismo 6" (2013) absolut reibungslos. Im Schnitt ist man innerhalb einer Minute im ersten Rennen und von da an beträgt die Wartezeit sogar nur noch 30 Sekunden bis zum nächsten Rennen. Zwar ist der Einfluss des Einzelnen darauf minimal, welche Strecke gegen wen gefahren wird, da die Auswahl einer Kette von Zufällen unterliegt, und keiner weiß, wozu die Wertungszahl gut ist, aber dies ist bei "Mario Kart 8" auch nicht annähernd so wichtig wie in anderen Rennspielen.

Fazit:

Meine größte Befürchtung ist wahr geworden: "Mario Kart 8" ist fast eine 1:1 Kopie von "Mario Kart 7", das wiederum eine Kopie von "Mario Kart Wii" war, das eine Kopie von "Mario Kart DS" war. Es gibt sicherlich Leute, die genau das wollen, aber ich gehöre nicht dazu. Ich habe "Mario Kart 7" auf meinem 2DS Handheld etwa fünf Stunden gern gespielt, aber ein im Wesentlichen identisches "Mario Kart 8" auf einer deutlich leistungsfähigeren Konsole muss ich absolut nicht haben.

Die zwar schnelle und stimmige, aber ansonsten zweitklassige Grafik, die (wie üblich) fehlende sinnvolle Nutzung des Touchscreens, die akustische Folter, die mangelnde Spieltiefe, der geringe Umfang, die fehlende Rahmenhandlung und die lückenhafte Anleitung kotzen mich als Gesamtpaket einfach nur an. 10 € extra für diesen Ripoff? Wie lange glauben Nintendos Presidenten Iwata und Fils-Aime, wird die Kuh noch fliegen? Dies ist das letzte Spiel eines Nintendo internen Studios, das ich am ersten Tag gekauft habe. Und sollten weitere Veröffentlichungen nicht eine ordentliche Schippe drauflegen, dann pack ich die Wii U eben ganz weg.


  POSITIV:
  - butterweiche Grafik
  - gute Weitsicht
  - gute Multiplayerlobby


  NEGATIV:
  - 3. Recycling zum Vollpreis
  - akustische Folter
  - mangelnde Spieltiefe
  - geringer Umfang
  - fehlende Rahmenhandlung
  - lückenhafte Anleitung
  - schwaches Battle