THE SIMS 3

EA Maxis

(04.06.2009)

auch veröffentlicht auf
PS3, Wii und Xbox 360


Wenig überraschend veröffentlicht Electronic Arts in der Talsohle seiner Serien und des Aktienkurses (2005 öfter über 50 €, 2009 bisher selten über 15) mit "The Sims 3" die Neuauflage seines größten und sichersten Millionensellers. Die Sims-Serie hat insgesamt über 100 Millionen Einheiten verkauft, was bedeutet, dass wenn man von den Hauptprogrammen jeweils 16 Millionen abgesetzt hat, im Schnitt etwa fünf Millionen Käufer zu jeder der 14 mehr oder minder gehaltvollen Erweiterungen gegriffen haben.

Also... was ist drin?

Entsprechend hilft da auch kein Beschönigen: "The Sims 3" ist klar auf maximalen Gewinn und nicht maximalen Spielspaß optimiert. Natürlich sind dies keine völlig konträren Ziele, aber wenn z. B. Vorkehrungen getroffen werden, dass neue Inhalte nur noch über die extra dafür geschaffene Onlineplattform eingefügt werden können, oder die Anzahl der für viele Sim-Spieler(innen) wichtigen Frisuren der Spielfigur weit hinter den Erwartungen zurückbleibt, Frisuren aber für 1,20 € das Stück online angeboten werden, weiß man: EA - it's in the game!

Letztlich wird aber die Verkauftsversion eines Spiels allein dadurch, dass man fehlende Inhalte sofort oder später nachkaufen kann, nicht automatisch schlechter als sie dies durch das Fehlen des Inhalts sowieso schon ist. Insofern bemühe ich mich im Folgenden die Geschäftspraktiken von EA nicht doppelt negativ einfließen zu lassen. Schließlich waren "The Sims" (2000) und "The Sims 2" (2004) für sich genommen, wenn man mit dem Spielprinzip etwas anfangen konnte, jeweils ihr Geld wert.

Kennt's irgendwer tatsächlich noch nicht?

Für den Fall, dass tatsächlich irgendwer nicht mit den Sims vertraut ist: "The Sims 3" ist eine Mischung aus Seifenoper, Rollenspiel und Strategiespiel im Sandkastenmodus. Als Spieler übernimmt man die Steuerung aller Personen (Sims) eines Haushalts, der nach meinem Wissen aus bis zu acht Sims bestehen kann. Individuell ist dies sicherlich verschieden, aber irgendwo zwischen drei und fünf Sims wird es hektisch.

An Resourcen gibt es Geld und Zeit. Geld verdienen sich die Sims in der Regel durch Berufstätigkeit. Dabei sind die Berufe elf verschiedenen Karrieren wie Journalist, Musiker oder auch Verbrecher zugeordnet. Besonders talentierte Hacker, Maler oder Autoren können aber auch ohne klassischen Beruf größere Mengen Geld verdienen.

Geld wird zu Beginn des Spiels in erster Linie für die (Verbesserung der) Einrichtung des eigenen Hauses verwendet, so dass sich die sechs Grundbedürfnisse Hunger, Harndrang, Sozial, Spaß und besonders Hygiene und Energie schnell wieder auffüllen lassen und der Sim aufgrund netter Umgebung in guter Laune ist. Denn nur wenn alles im grünen Bereich ist, kann sich der Sim ohne negativen Folgen über lange Zeit allen anderen Dingen zuwenden und auch viel leichter berufliche Erfolge feiern.

Charaktereditor

Noch mehr Spaß macht dies mit einer selbst erstellten Spielfigur. Hierzu hat "The Sims 3" einen im Vorfeld viel gepriesenen Editor. Und tatsächlich geht hier deutlich mehr als noch in "The Sims 2", verglichen mit den individuellen, geradezu echten Gesichtern von "Mass Effect" bewegt sich die Erstellung aber weiterhin auf Barbiepuppenniveau, was aber auch etwas dem mittlerweile etablierten Sim-Style geschuldet wird. Solange das Gesicht, das ich nachbilden wollte, oval und ohne besonders markante Mund- und Kinnpartie war, konnte ich recht gute Ergebnisse erzielen. Soll der Sim aber z. B. aussehen wie Arnold Schwarzenegger, ist Schicht im Schacht, also da geht gar nichts.

Beim Körper beschränkt sich die Auswahl auf die im Spielverlauf veränderlichen Parameter Gewicht und Muskelmasse. Alle Sims sind weiterhin im jeweiligen Alterabschnitt gleich groß. Sehr schade.

Dafür stimmen die inneren Werte: Aus 63 verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen kann man nun für einen erwachsenen Sim bis zu fünf wählen. Einschränkungen gibt es lediglich in der Form, dass gegenteilige Merkmale wie tapfer und feige sich gegenseitig ausschließen. Die meisten Merkmale unterscheiden sich innerhalb des Spiels hauptsächlich dadurch, dass die Spielfigur von einer Reihe vergleichbarer Handlungen eine bevorzugt oder besonders gut kann. Wer die Herausforderung sucht, sollte zu stärkerem Tobak greifen und etwa mit einer flirtfaulen, bindungsphobischen, wahnsinnigen und bösen Spielfigur, die dazu noch keine Kinder mag, versuchen eine Großfamilie zu gründen.

Bedienung neu lernen

Die Menüstruktur außerhalb des eigentlichen Spiels ist zum Weglaufen. "Das ging doch früher auch", dachte ich mir ständig, während ich z. B. danach suchte, wie man den aktiven Haushalt wechselt - um dann zu entdecken, dass sich das Symbol hierfür nicht rechts bei allen anderen befindet sondern klein, allein und nichtssagend ganz links. BRAVO!

Innerhalb des Spiels funktioniert die Bedienung gewohnt gut, besonders wenn man sich ein paar Shortcuts draufschafft. Lediglich die Kamerasteuerung ist im Freien oder bei der Motivwahl eines Stillebens öfter mal etwas bockig und kostet dann Nerven. Innerhalb der Häuser - und dort befindet man sich immer noch die meiste Zeit über - fällt dies jedoch nicht weiter ins Gewicht.

Guter Ton, schlechter Ton

Neben einigen schönen Liedern ist die Musik in "The Sims 3" wie schon in der Vergangenheit oft platt und manchmal einfach nur Terror. Kombiniert mit kreischenden Fernsehern, Videospielen und Stereoanlagen, die die Sims gern von selbst alle gleichzeitig einschalten, raubte mir die Klangkulisse hin und wieder dermaßen den Nerv, dass ich das Spiel komplett stumm schalten wollte.

Aber dann würde ich wiederum auch die vielen gut gemachten und meist leiseren Geräusche und die eigens entwickelte Kunstsprache Simlish, die Brocken aus Ukrainisch, Französisch und Tagalog enthält, verpassen. Simlish ist wirklich ein kluger Schachzug, denn immer gleiche deutsche oder englische Sätze während einer Party oder verzweifeltem Angraben würden mir ja nur auf die Eier gehen.

Die guten ALTEN Animationen

Was hat EA im Vorfeld mal wieder für geschickt arrangierte Screenshots an die Presse gestreut. Ich stand wie unter Schock, als ich die Grafikengine in Aktion sah, die zwar objektiv (z. B. Schatten, Weitsicht) der aus "The Sims 2" weit überlegen ist, aber subjektiv für mich 2009 wesentlich schlechter aussieht als "The Sims 2" damals 2004. Die Darstellung von Gras, Straßen und der Fahrzeugphysik lässt doch sehr zu wünschen übrig und Texturen werden, egal wieviel RAM zur Verfügung steht, so langsam nachgeladen, dass man zugucken kann.

Und was - um Himmels Willen - haben alle immer mit den Animationen. Das sind doch haargenau die gleichen Animationen wie schon in "The Sims 2". Animation abspiel, zuck zuck, nächste Animation abspiel. Da ist kein Übergang, kein nichts. Die Sims stelzen so hilflos wie eh und je umher, wenn sie mal aneinander vorbei müssen, dass man nur noch in den Monitor schlagen will. Altair in "Assassin's Creed", der ist gut animiert, nicht das hier!!!

Sieg und Niederlage und alles dazwischen

Im Hinblick auf den Schwierigkeitsgrad entzieht sich die Sims-Reihe nicht nur klassischen Kriterien, sondern bringt das fertig, woran praktisch jedes Echtzeitstrategiespiel scheitert: Es bietet sowohl eine offene, konsistente Welt als auch die Möglichkeit egal wie gut ich abschneide weiter zu spielen. "The Sims 3" kennt eben nicht nur Sieg und Niederlage, sondern auch alles dazwischen. Das Spiel verläuft anders, wenn ich in die Scheiße greife, aber es läuft und läuft und läuft...

Nicht ganz so glücklich ist der repetitive Spielablauf ohne echte Höhepunkte. Viel Zeit verbringe ich damit meine Sims täglich immer wieder die gleichen Sachen machen zu lassen, sei es, um die Grundbedürfnisse zu erfüllen, Fähigkeiten zu verbessen, im Job voranzukommen oder auch andere Sims besser kennen zu lernen. "The Sims 3" sorgt mit besseren und interaktiveren Zufallsereignissen z. B. während der Arbeit und seinen Gelegenheiten - vergleichbar mit Quests in anderen Spielen - zwar für etwas mehr Abwechslung im Spielalltag, aber insgesamt ist mir das noch zu wenig. Es wäre auch schön gewesen, wenn man wirklich alle Gebäude in einer Innenansicht bespielen könnte.

Immer diese technischen Anleitungen...

Wer schon ewig und drei Tage mit den Vorgängern verbracht hat, sagt natürlich: "Flutscht doch alles!" Wenn ich aber versuche mit den Augen eines Neulings auf das Spiel zu blicken, bleiben für mich doch viele Fragen offen. Das Handbuch hat zwar über 30 Seiten, ergeht sich jedoch ausschließlich in technischen Erklärungen, was denn nun welcher Knopf des Userinterfaces tut. Und wer jetzt dachte: "Hey, da gibt's ja ein Tutorial", der bekommt gleich nochmal den selben Sack technischer Erklärungen.

Detaillierte Informationen welche Zusammenhänge zwischen Wert X und Aktion Y bestehen und wie ich am schnellsten Ziel Z erreichen kann, bleibt Anleitung, Tutorial und auch die Hinweissammlung schuldig. Weil es sicherlich auch Teil des Spielprinzips ist, genau dies selbst herauszufinden, möchte ich hier nicht übermäßig Punkte streichen, aber manchmal will ich nur mal schnell eine bestimmte Sache geschissen bekommen und nicht zu meiner Lebensaufgabe machen - und dann nervt's.

Fazit:

Seifenopern haben keine oscarreife Handlung und schleppen sich so langsam dahin, dass man auch mal zwei, drei Folgen verpassen kann und trotzdem sofort wieder im Bilde ist. Vor dem Totalabsturz rettet da nur die Tatsache, dass ich die Handlung - wenn auch nur innerhalb gewisser keimfreier Vorgaben - selbst bestimme, ja mir praktisch schon selbst ausdenke. Je mehr ich bereit bin mir eine Persönlichkeit für die verschiedenen Sims zusammen zu spinnen, desto weniger nehme ich wahr, wie dünn das Gerüst ist, dass EA vorgibt.

"The Sims 3" ist komplex aber nicht überkomplex und drängt mich als Spieler nicht ständig, bis zur Bodenplatte der Spielmechanik weiter zu graben. Wer will, kann sich aber mit 63 Persönlichkeitsmerkmalen, zehn erlernbaren Fähigkeiten und dutzender Stimmungen, hunderter Einrichtungsgegenstände usw. richtig und dauerhaft austoben.

Im Ergebnis führt dies dazu, dass ich mit "The Sims 3" knapp 100 Stunden und damit doppelt soviel Zeit wie mit dem Vorgänger verbracht habe. Dies hat - neben vielen kleinen Detailverbesserungen - einen ganz wesentlichen Grund: Das Spiel läd nicht mehr ewig lange nach, wenn ich z. B. mit meinem Sim mein Haus verlasse und ins Schwimmbad gehe. Die Stadt ist jetzt aus einem Guss, frei begehbar und vermittelt den Eindruck, dass das Leben durchaus in ihr pulsiert.

Ich hatte weniger erwartet. Eigentlich viel weniger. Von der etwas enttäuschenden Grafik abgesehen bietet der dritte Teil endlich genügend Qualität, um mich richtig zu packen. Der ganze Marketingschrott drumherum ist immer noch ärgerlich, aber mir persönlich fehlt, so wie sich das Spiel offline installieren lässt, rein gar nichts. Ob es reicht, um mir in Zukunft eine Erweiterung zu kaufen, weiß ich nicht. Wenn die Erweiterung nicht zu mager ausfällt, würde ich evtl. mal einen Versuch wagen.



  POSITIV:
  - kaum Ladepausen
  - ultra sandboxing
  - kein Können erforderlich
  - 63 Persönlichkeitsmerkmale


  NEGATIV:
  - alle Sims gleich groß
  - Grafik gefühlt veraltet
  - magere Animationen
  - repetitive Spielablauf