ASSASSIN'S CREED
Director's Cut Edition

Ubisoft Montreal

(08.04.2008)


"Konsolenspieler müssen unglaublich leidensfähig sein!" - Diesen Gedanken hatte ich bis zum dritten Attentat in "Assassin's Creed" wahrscheinlich um die zehn Mal. Nicht nur, dass die armen Schweine anstatt neun nur fünf verschiedene Arten von Vorquests (dazu später mehr) hatten, nein, sie mussten auch noch jedes Mal von der Assassinen-Festung Massyaf zu der jeweiligen Stadt reiten. Und das Reiten ist verdammt öde!
Fast so öde, wie die Szenen, die ich zu Anfang des Spiels mit meinem Alter Ego Desmond erlebe, der von einem sehr unfreundlichem Wissenschaftler gezwungen wird, sich in die Erinnerungen seines Ur-ur-ur...-großvaters im Jahr 1191 zu versetzen.

Aber fangen wir ganz am Anfang an und kommen zu der entscheidenen Frage:
Warum funktioniert ein echter 50er Jahre Fernseher immer störungsfreier als ein Hightechgerät in Film und Spiel?
Weil der Mann für die Spezialeffekte was für sein Geld tun musste. ARGH!!!

Irgendwie biss ich mich also durch den Bildermatsch, der zwischen dem Gerät - genannt Animus - und der Erinnerung auftrat, kämpfte das unausweichliche Tutorial nieder, das wieder einmal ganz am Anfang der Evolution einsetzte, und dürfte als Storybeginn die große Pleite meines Ahnen Altair während des dritten Kreuzzuges nachspielen. Eine große Pleite war auch die Inzenierung an dieser Stelle: Drei Meuchler schleichen in einen baufälligen Tempel, in dem sich bereits ein paar Tempelritter befinden. Die Templer unterhalten sich normal und sind für uns Meuchler gut zu hören. Wir Meuchler schreien uns wegen Meinungsverschiedenheiten fast an und keiner nimmt Notiz... *seufz*

Nun gut, jedenfalls steuere ich durch den Animus Altair und versaue aufgrund meines Hochmuts alles. Als Konsequenz meiner Starallüren greifen die Templer unsere Festung an, was mir, obwohl die Sache gerade noch mal gut geht, natürlich den Unmut meines Meisters einbringt. Konsequenz: Meines Status beraubt muss ich alle Drecksarbeiten vor den Attentaten nun wieder selbst machen. Nachdem das Tutorial endlich durch ist, gibt mir der Meister die Chance zurück an die Spitze zu gelangen: Es gilt neun Leute zu töten und dabei diesmal unser Credo einzuhalten (wie hieß das noch gleich... mach sie alle platt?!?).

Also schwinge ich mich auf ein Pferd und reite durch die komplett ausgestaltete Landschaft - in der es nur leider überhaupt nichts zu tun gibt. Endlich vor den Toren von Damaskus angekommen, sehe ich gleich, wie ein übergewichtiger Herr von drei Wachen drangesaliert wird. Dem muss geholfen werden, das Interface zeigt mir auch gleich die notwendigen Schritte an... aber soll ich hier mitten in der prallen Sonne im Freien kampfen? Wo zum Teufel ist meine Deckung? Ach, die fällt heute wegen anhaltener Trockenheit aus... gut, gut, Schwert gezogen, Halunken zu Hackfleisch verarbeitet, Lob abgeholt und wie aus dem Nichts erscheinen als Belohnung vier Gelehrte, in deren Mitte ich unerkannt in die Stadt wandern kann.
Na, das hatte ich mir ja schwerer vorgestellt...

Bis jetzt klingt das alles nach 'ner 40er Wertung, ich weiß, aber zum Glück kommt jetzt der beste Teil des Spiels zum Tragen: Das Klettern und Rennen über die Dächer! Dies ist wirklich so gut, dass man sich allein damit eine ganze Weile beschäftigen kann. Die Spielfigur Altair ist nahezu perfekt animiert und reagiert so intelligent auf die Umgebung, dass man im Affentempo von einem Ende der Stadt zum anderen kommt, wobei ich anmerken möchte, dass ab dem vierten Attentat dann doch schon einige Bogenschützen auf einen aufmerksam werden und ab dem siebten Attentat die Stadtteile so aufgebaut sind, dass man seine Route mit Bedacht wählen muss.

Um überhaupt die örtliche Attentatszelle ausfindig zu machen und um die Karte mit allen Gebäuden und Straßen zu vervollständigen, gilt es auf Türme zu klettern, da man somit einen direkten Zugriff auf die Erinnerungen Altairs an diesen Bezirk erhält. Oben angekommen gibt es zusätzlich immer einen schönen Panoramaschwenk als Belohnung. Vor dem ersten richtig hohen Turm hatte ich richtig Bammel, denn "Assassin's Creed" bringt die Höhe der Türme gut rüber. Muss mich aber loben, ich bin nur selten von den Dingern runtergefallen, dann war's aber auch immer tötlich, weil ich in meiner Panik die Taste fürs Nachgreifen nicht gefunden habe.

Neben dem Versteck der Bruderschaft entdeckt man von den Türmen aus auch die Vorquests in der näheren Umgebung, sowie Frauen, die von Wachen belästigt werden. Diese Frauen sind ungeheuer wichtig, denn sie haben viele starke und mutige Brüder, die nur darauf warten, dass ich ihre Schwester einmal rauspauke, um mir danach unbewaffnet im Kampf gegen beliebig viele Wachen beizustehen. Ganz ehrlich: Ohne die Jungs wäre ich mit meinen Gichtgriffeln bei den späteren Kämpfen nicht weit gekommen.

Um es etwas abzukürzen: Man besucht also das Versteck und bekommt einen Tipp, wo man sich nach der Zielperson umschauen muss. Dann erledigt man gegen Informationen mind. zwei oder drei Vorquests wie Meucheln von einigen Ritter/Wachen mitten auf der Straße unter Zeitdruck, Befragen (Schnauzeeinschlagen) von Demagogen, Belauschen des Gegners, unter Zeitdruck eine weite Strecke (über Dächer) zurücklegen, Eskorte eines anderen Assassinen, Flaggen auf Zeit auf den Dächern sammeln, Bogenschützen unauffällig beseitigen, Marktstände von Preistreibern unter Zeitdruck zerstören und Briefe per Taschendiebstahl erhalten.

Ist dies erledigt, gibt's das GO für das große Attentat vom Versteckbetreiber. Zwar sind die Zielpersonen sowohl charakterlich als auch optisch alle sehr unterscheidlich gestaltet, die Attentate unterscheiden sich dabei nur marginal. Zu Gunsten einer filmreifen Inszenierung und, um mein Opfer überhaupt kennenzulernen, habe ich nicht die Möglichkeit wirklich aus dem Hinterhalt zuzuschlagen. Vielmehr läuft immer vorher eine automatische Sequenz ab, die erst startet, wenn ich mich an einem bestimmten Punkt befinde. Letztlich schlage ich mich entweder vor, nach oder während der Eliminierung mit reichlich Soldaten (mind. fünf gleichzeitig), bis es mir irgendwann gelingt die Zielperson zu Boden zu werfen und ihr meine versteckte Klinge in den Hals zu rammen.

Im Moment des Todes der Zielperson macht sich das Spiel vollkommen lächerlich: Der Hintergrund blendet weg, alle Soldaten gehen in die Frühstückspause und ich unterhalte mich ungestört vor der blauen Wand ein paar Minuten mit meinem Opfer darüber, warum ich denn ausgerechnet einen so guten Menschen wie ihn töten musste. Mit Nichtwissen behaupte ich, dass man verdammt schlecht spricht, nachdem einem 20cm Stahl in den Hals gestochen wurden. Aber okay, anders konnten die Entwickler unter Beibehaltung ihres einfachen Spielkonzeptes wohl die Story nicht unterbringen...

Frisch gestärkt nehmen die Wachen den Kampf dann wieder auf. Da die ganze Stadt nun in Aufruhr ist, ist der Rückweg eine angenehm hektische Angelegenheit. Um das Versteck zu erreichen, kämpft man sich am besten unter Ausnutzung der starken Brüder (siehe oben) durch die Straßen oder versucht sein Glück über die Dächer. Mit etwas Glück geht's dann recht schnell weiter zum nächsten Attentat oder man darf sich in der vergleichsweise verdammt schäbig wirkenden Gegenwart im Schneckentempo schlafen legen, bevor man am nächsten Morgen weiterspielen darf.

Die Steuerung während der eigentlichen Aktion schafft man sich schnell drauf und bietet keinen Grund zur Klage. Die Karte lasse ich mir auch noch gefallen. Dämlich wird es aber, wenn man im Versteck oder in der Gegenwart rumeiert wie Falschgeld oder noch viel besser, wenn man durch das Design des Menüs im Stil des Animus seinen Spielstand verliert und ein Attentat zweimal machen darf. Welcher Sadismus bewegt gerade GUI-Programmierer dazu solchen Schwachsinn zu verzapfen oder mich z.B. Dialoge nicht abbrechen zu lassen?

Das Voiceacting fand ich auf Englisch sehr gut, auf deutsch hinkt es wie üblich etwas hinterher. Waffengeräusche und Trittschall sind erste Sahne. Die Musik ist in den Momenten, wo sie nicht weiter auffällt, gut, schlimm wird es aber wenn manchmal zu den Action Jackson Passagen zum Panikinstrumentalbrei noch irgendwelches orientalisches Klingeln dazukommt. Das will ich dann wirklich nicht mehr hören.
Eher übel ist, dass NPCs ihre Sprüche alle drei Sekunden wiederholen, man durch Meter dicke Steinmauer einen Floh husten hören kann, Tote noch in Ruhe das Sample fertig schreien und - wohl im Rahmen einer Sparmaßnahme - Altair für seine Kollegen in den Straßen nicht ein einziges Wort über hat.

Das Wichtigste an "Assassin's Creed" war den Entwicklern die Grafik. Diese spielt auch auf dem PC ganz oben mit, allerdings hat das seinen Preis: Unterhalb einer modernen Zweikern CPU wie dem Intel Core 2 E4500 und einer Grafikkarte wie der Radeon HD 3870 oder GeForce 8800 GT kann man die Details schön runterregeln. Eine GeForce 8600 GTS z.B. tut sich bei 1280 x 720 Pixeln (oben und unten gibt's schwarze Balken, Bild ist immer 16:9) und mittleren Details bereits sehr schwer. Auf der Habenseite stehen enorme Weitsicht, knackige, unverbrauchte Texturen auf den Gebäuden, die großartige Animation der Hauptfigur und die gute Animation der NPCs, von denen es aber zu wenige verschiedene Modelle gibt.

Da man kaum ein Gebäude betreten kann, gibt es aber außer Straßen, Dächern und Blumenbeeten nichts zu sehen. Das mag realistisch sein, aber da das Spiel in keiner Weise realistisch ist, warum auf einmal hier? Am 16:9 Bild habe ich mich nicht gestört, aber warum sind die ganzen Einblendungen soweit in der Bildmitte? Ich spiel mit meinem PC nicht am Fernseher, ich kann bis an den Rand gucken. Etwas unglücklich wirkt es auch, wenn die Spielfigur hin und wieder in der Wand verschwindet oder die Perspektive ohne Ankündigung wechselt und sich alles hinter einem Stein oder einem Gebüsch abspielt. Die übertriebenen Unschärfeeffekte und besonders die Gitternetzmarkierung für den angewählten Gegner finde ich selten hässlich, die Markierung macht praktisch jeden Screenshot mit Kampfhandlung durch Atmosphäreverlust unbrauchbar.

Zu Anfang dreimal dumm durch die Gegend zu reiten war eine Tortur. Ich werde das Gefühl nicht los, dass hier nur gezeigt werden sollte, dass das Land aus mehr besteht als den drei Städten. Hier hätte es Wunder gewirkt, wenn eine der Zielpersonen vielleicht mit einer Karawane gereist wäre. Schleichspiele wie "Thief" waren nur mäßig erfolgreich, also verpasst der Entwickler Altair lieber eine ganze Reihe von Fertigkeiten, die es ihm erlauben, mit mehreren Gegnern auf offener Straße fertig zu werden, obwohl es sich für einen Assassinen gehört hätte, viel taktischer und unauffälliger vorzugehen. Zwar sind die Kämpfe und Aufgaben nicht immer ganz leicht, aber prinzipiell neunmal das Selbe in Grün abzuspulen ist 'n Bisschen zu mager für höhere Weihen. Altair kann sich nicht verkleiden und läuft von Anfang bis Ende in den gleichen auffälligen Klamotten und sichtbarer Bewaffnung herum, was die ganze Nummer schwer unglaubwürdig macht.

Wenn man die Menü- und Tutorialscheiße erstmal hinter sich gelassen hat, findet man gut rein in das Spiel. Schon nach ein paar Minuten habe ich nicht mehr alle Tasten gleichzeitig gedrückt. Die Quests waren immer verständlich und wenn ich scheiterte, konnte ich ausmachen, woran es gelegen hat. Das Handbuch braucht kein Mensch, es enthält keine für das Spiel wichtigen Informationen, die einem das Tutorial nicht sowieso versucht zu vermitteln.

Obwohl die Handlung eigentlich nur drei Attentate lang ist, liefert sie letztlich den Grund, warum ich das Spiel durchgespielt habe. Töte ich wirklich die Bösen? Wer ist mein Freund, wer mein Feind? Mit der Zeit werden selbst die Sequenzen in der Gegenwart interessanter. Schade nur, dass ich lediglich Passagier bin und mit meinen Zweifeln allein gelassen werde. Ich kann nur töten, es gibt keine andere Möglichkeiten, kein alternatives Ende, nicht mal zwischendurch gibt es eine einzige Verzweigung. Schade auch, dass die Gespräche mit den Opfern nicht geschickter integriert wurden, die Bevölkerung hätte z.B. nach dem Ableben von der Person schwärmen können, stattdessen wurde das Sterben wie ein einem Hollywoodfilm ausgedehnt. Trotzdem ist das Setting erfrischend und ich verrate sicherlich nicht zuviel, wenn ich vermute, dass "Assassin's Creed" lediglich der Auftakt zu einer Triologie ist. Wer behauptet, dass es hier ein typisches Cliffhangerende gibt, muss vorher gut geschlafen haben.

Ohne den ganzen technischen Schnickschnack (Automap etc.) durch den Animus wäre das Spiel weit komplexer gewesen. So bleibt nicht mehr viel übrig, außer dass das Gesichtsfeld des Spielers nicht weit über das von Altair hinausgeht und daher für die sog. Stealthkills ein Bisschen mitgedacht werden muss. Das Spiel gibt einem streng vor, was zu tun ist, und verrät auch stets welche Aktion, welche Reaktion bewirkt. Klar kann ich mir meinen Weg durch die Stadt selbst suchen, aber ob ich im Supermarkt, der nur eine Sorte Cornflakes hat, die Packung mit der linken oder rechten Hand aus dem Regal nehme, ist doch scheißegal. Gegnertypen gibt es übrigens genau zwei: Bögenschützen und Schwertkämpfer. Die Idee den Jäger zum Gejagten zu machen, wird lediglich kurz in Form von Hinterhalten aufgegriffen.

Fazit:
Gemächlich und ohne Können braucht jemand wie ich an die 20 Stunden. Alle Templer zu töten oder alle Flaggen auch außerhalb der Städte einzusammeln, reizt mich nicht die Bohne. Eine zweite Runde erübrigt sich allein deshalb, weil ich das Tutorial und das Reiten nicht noch mal durchstehen möchte. Die Geschichte ist gegessen und die sehr einfache Spielmechanik gibt auch nicht mehr als vielleicht weitere fünf Stunden her.

Wenigstens ist es eine der besseren Konsolenumsetzungen geworden. Ob 20 Stunden Spielzeit eines lediglich befriedigenden aber nicht genialen Spiels rund 40 € wert sind, muss wohl jeder selbst entscheiden. Nach schlimmsten Befürchtungen zu Anfang habe ich den Kauf nicht bereut. Das Klettern ist stark, die Inzenierung bewusst brutal, das Spiel konsequent ganz auf Aktion getrimmt und nirgendwo sonst kann man die Gegner so raubtierartig mit gezogener Klinge anspringen. Nur vor einem Taskwechsel sollte man sich tunlichst hüten, bei mir stürzte das Spiel dann immer gnadenlos ab.


Steuerung (15%):
Grafik (15%):
Balance (15%):
Handlung (15%):
Sound (10%):
Zugänglichkeit (10%):
Komplexität (10%):
Spieldauer (10%):


Minimale Konfiguration
des Herstellers:

640 x 480 x 32 und
minimale Details

Pentium D 805
GeForce 7600 GT
1 GB RAM
Windows XP

Meine empfohlene
Konfiguration:

1024 x 768 x 32 und
mittlere Details

Core 2 Duo E4300
GeForce 8600 GTS
1 GB RAM
Windows XP
Xbox 360 Controller

Meine empfohlene
Konfiguration:

1280 x 1024 x 32 und
maximale Details

Core 2 Duo E4500
GeForce 8800 GT
1 GB RAM
Windows XP
Xbox 360 Controller