STAR OCEAN:
Integrity and
Faithlessness

tri-Ace

(01.07.2016)

auch veröffentlicht auf
PlayStation 3 in Japan


Aller guten Dinge sind drei - nee, Moment, das ergibt in diesem Fall mal gar keinen Sinn, denn "Xenoblade Chronicles X" (2015) und "Tales of Zestiria" (2015) waren ja nicht gut. Also besser jedes Genre bekommt drei Chancen. In diesem Fall ist dies also die dritte Chance für JRPGs mit Kämpfen in quasi Echtzeit, die mich auf der current gen noch nicht so überzeugen konnten und eher eine böse Formschwäche zu haben scheinen.

Jedenfalls ist der Vorgänger aus dem Jahr 2009 "Star Ocean: The Last Hope" (TLH) zusammen mit "Killzone 3" und "Bulletstorm" das Spiel, für das es mich am meisten schmerzt, dass ich damals keine Rezension geschrieben habe, denn es war für mich der erste Kontakt mit dem Genre im 3D Zeitalter und hat über fast die gesamte Spielzeit Spaß gemacht. Es gab also mehr als genug persönliche Gründe, um "Star Ocean: Integrity and Faithlessness" (IaF) gleich am Erstverkaufstag für die PS4 zu erwerben.

Aber Logo!

Die PS4 stand noch nicht einmal unter Strom, da wunderte ich mich schon, was ich da in den Händen hielt. Das Cover von "IaF" ziert wieder das alte Logo, das bei "TLH" erstmals ausgedient hatte. Nun waren beide Logos in meinen Augen nicht der Bringer und das ursprüngliche Logo zugegeben mittlerweile sogar ein Bisschen origineller, aber - wie man schnell recherchieren kann - ist dies eine bewusste Entscheidung, die aussagen soll: Das hier ist wieder der gute alte Stoff, nicht so ein Dreck wie "TLH".

Nun weiß ich nicht, ob das allein die Menschen, wenn sie 1996 den ersten Teil gespielt haben und nun mindestens mal verstärkt auf die 40 zugehen, zurück zur Herde treiben wird, aber den Fingerzeig konnte ich ja nun gar nicht verstehen und war nur noch umso gespannter, als ich die Disc ins Laufwerk schob. Und was dann kam, ließ mir die Kinnlade herunterklappen: "THL" begann mit einem epischen Video, "IaF" zeigt ein selten langweilig designtes Raumschiff, das irgendwo im Weltraum rumpimmelt - und das auch noch auf PS2 Niveau. WTF!!! Selbst das Introvideo von "Star Ocean - Till the End of Time" (2004) ist besser - riesiges WTF!!!

Porte den Port

Dann beginnt das eigentliche Spiel und der Kloß im Hals will sich nicht lösen. Das ist doch nie und nimmer ein PS4 Spiel. Und tatsächlich ist das Spiel - wie man ebenso schnell recherchieren kann - für die PS3 entwickelt worden, weil die PS4 in Japan noch keine ausreichende Verbreitung erlangt hat. Für den Rest der Welt sieht dies jedoch anders aus und daher ist es hier nun ein PS4 Spiel. Hätte tri-Ace beim erneuten Porten (entwickelt wird sowieso immer auf einem PC) sich richtig ins Zeug gelegt, wäre das sicherlich nicht weiter schlimm, aber auch auf der PS4 rennt man von einer Ladepause zur nächsten, als wenn man lediglich 256 MB RAM zur Verfügung hätte.

Nun gibt es ja gerade PS3 exklusive Spiele, die auch grafisch trotz der RAM Misere zu beeindruckend wissen, aber "IaF" gehört nicht dazu, sondern schlägt mit seinem hochgradig stereotypen - um nicht zu sagen ausgelutschten - Design ziemlich genau in die Kerbe, in die ich vor einem 3/4 Jahr schon bei "Tales of Zestiria" gekotzt hatte. Die Charaktere gehen (technisch) in Ordnung, aber die Landschaft gibt Rätsel auf, warum dafür irgendwer SpeedTree lizenziert haben könnte, denn das da in der Ferne im Screenshot oben ist schon die größte Ansammlung an Bäumen im Spiel.

Die Welt, in der wir ganz allein leben

Die paar Städte im Spiel sind optisch etwas besser, wirken aber mit ihren paar Häusern und Straßen nie wie Städte und dienen ohnehin nur wie in japanischen Spielen üblich dazu das Gasthaus und die drei Läden zu beherbergen. Der Umfang der Spielwelt ist dann auch ein wahnwitziges Nichts, denn die Distanz zwischen den beiden verfeindeten Hauptstädten beträgt drei Minuten im Dauerlauf. Das Gefühl sich in einer lebendigen Welt zu befinden, guckt nicht einmal unterm Stein hervor. Da hat sich tri-Ace wirklich ganz viel Arbeit gemacht, aber es kommt noch schlimmer!!!

Nämlich dann, wenn man Dungeons betritt. Leerer sinnfreier Raum folgt auf leeren sinnfreien Gang folgt auf leeren sinnfreien Raum. Egal ob es nun Raumschiffe, unterirdische Forschungsstationen oder Burgen sind, es gibt einfach nichts, was darauf schließen ließe, weshalb der Scheiß überhaupt in dieser Form existiert - und in dieser verschwenderischen Größe, die alle Städte des Spiels dreimal aufnehmen könnte. Hauptsache ich finde irgendwen oder irgendwas vor, dem ich ordentlich die Fresse polieren kann oder oft genug auch anders herum.

Dann grinde Dir doch einen!

Der Schwierigkeitsgrad von "IaF" ist nämlich ungewöhnlich hoch und lässt sich außer durch Aufleveln der Charaktere so gut wie nicht knacken, denn regelmäßig sind ausschließlich Nehmerqualitäten gefragt. In der Regel verliere ich die Kämpfe, weil die Gegner und erst recht die Bossgegner mich mit zwei, drei Schlägen töten können, ohne das ich irgendeine Möglichkeit hätte, die entscheidenden Attacken zu unterbrechen, zu blocken oder wenigstens rechtzeitig mit genügend Spielfiguren den gefährlichen Bereich verlassen.

Das wird erst etwas besser, wenn man es schafft, die Zauberzeit von Heilerin Miki deutlich zu drücken, und sowohl Miki als auch Fiore gefallene Kameraden während des Kampfes wiederbeleben können. In der ersten Hälfte des Spiels speichert man daher direkt vor den Bosskämpfen und ergrindet sich ein paar Level, was die Hitpoints deutlich erhöht, scheitert erneut, und grindet sich noch noch ein paar Level usw. usf. - wobei das Grinden manchmal gar nicht so einfach ist, weil das Spiel mir etwa wie vor einem der ersten Bossgegner Pavine keine große Bewegungsfreiheit lässt.

Wo sind die verschlossenen Truhen hin?

Einige elementare Fähigkeiten erhält man - für mich etwas überraschend - ausschließlich durch Nebenquests. Klingt jetzt erst einmal nicht so dramatisch, aber "IaF" handhabt das sehr speziell. Zunächst erhält man Quests nur von schwarzen Brettern in den Städten und die Quests bestehen ausschließlich daraus, Loot abzugeben oder eine bestimmte Anzahl Gegner zu töten, Handlung ist also nicht. Ich wurde stutzig, als bereits über zehn Stunden vergangen waren, ich aber verschlossene Truhen ums Verrecken immer noch nicht öffnen konnte.

Es stellte sich dann heraus, dass oft erfüllte Quests noch einmal ähnliche Quests freischalten, die dann wiederum ähnliche Quests freischalten. Und die Fähigkeit Schlösser zu knacken, war - ohne den Hauch eines Hinweis darauf zu geben - die Belohnung für eine Quest, für die man zuvor fünf andere nichtssagende Killquests absolvieren musste. Aber es kommt noch geiler: Nachdem ich die Fähigkeit endlich hatte, ist mir in den neuen Gebieten, die ich danach betrat, keine einzige dieser verschlossenen Truhen mehr begegnet. SUPER!!!

Für die Handlung war kein Geld mehr da

Wenn tri-Ace eine Sache komplett unwichtig war, dann war es die Handlung. In "IaF" wird für die allermeisten Gespräche nicht in eine Perspektive geschaltet, in der man Gestik und Mimik auch wahrnehmen kann, sondern man präsentiert mir den MMO Standard von vor etwa 15 Jahren (siehe oben). Das soll - Achtung! - die Immersion erhöhen!!! *heul* Ich kann sogar einfach die Wand während der Gespräche angucken, was bei vielen der Gespräche echt eine gute Alternative ist, denn das Gebrabbelt ist - mit Verlaub - Sülze: "Wenn Du nicht an Dich selbst glauben willst, dann kannst Du stattdessen immer noch an mich glauben" oder schon mal den Müll raustragen.

Und wenn das kleine Mädchen Relia (soll 12 sein, ist wohl kleinwüchsig) dann doch lieber quiekt wie ein Schwein, dann reicht es echt. Dieses geistige Vakuum wird in der internationalen Version sogar noch gesteigert, indem die Synchronstimmen klischeehafter und vor allen Dingen die Art des Vortrags wesentlich pathetischer als im japanischen Original sind. Besonders die Stimme von Victor, dem gefühlt ältesten (soll nur 26 sein) und größten Teammitglied, den es ganz ähnlich, nur mit besserer Ausarbeitung des Charakters, und eben mit der gleichen Stimme mindestens schon in "Tales of Symphonia" (2003) und "Tales of Graces f" (2012) gab, habe ich doch mittlerweile ziemlich satt.

Jetzt mit sieben Kämpfern

Es gibt kein JRPG, von dem nicht im Vorfeld behauptet wird, dass sich das Kampfsystem gegenüber dem Vorgänger verbessert hat. Schade nur, dass dies bei einem Drittel zutrifft und bei zwei Dritteln eben nicht. Und "IaF" stinkt gegenüber seinem Vorgänger auf diesem Gebiet richtig ab. Die Kämpfe sind exakt wie in "Tales of Zestiria" hochgradig unübersichtlich, das Tutorial bezieht sich ausschließlich auf den Einzelkampf mit dem Hauptcharakter Fidel und die Steuerung der KI Charaktere über die Zuteilung von Rollen streift einen wie ein Omnibus.

Die Ultimates - in der Star Ocean Serie Rush genannt - sind als Zugabe hochgradig lahm (also die sitzen im Rollstuhl, echt) und werden von genuschelten Äußerungen begleitet, als wenn ein Politiker frisch nach seiner Rücktrittserklärung auf dem Weg zur Limo ein Diktiergerät hingehalten bekommt. Und vor allen Dingen ist in keinem einzigen Kampf auch nur ansatzweise irgendeine Taktik gefordert, sondern jeder - ABER WIRKLICH JEDER - Bossgegner wird qualvoll zu Tode gestreichelt, während er mich droht mit nur drei Schlägen zu töten.

Fazit:

Ich weiß noch ganz genau, wie schlecht ich "Final Fantasy XIII" (2009) und ein paar Jahre später "Final Fantasy X/X - 2 HD Remaster" (2014) und "Tales of Symphonia Chronicles" (2014) fand und die beiden Remaster nicht mal besonders lange gespielt habe. Aber da sollte ich vielleicht nun mit etwas Abstand und nach den wiederholt harten Schocks durch die letzten Veröffentlichungen noch einmal dringend die PS3 entstauben und mir wieder den wirklich guten alten Stoff reinziehen.

Wer jetzt aktuell in JRPGs macht, scheint sich durch die Bank verdammt sicher zu sein, dass man sowieso keine vernünftige Menge davon international absetzen kann. Halbherzig wird da ein gesichtsloses Spiel zusammengezimmert, was dann zu einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung bezüglich der Verkaufszahlen wird - logischerweise auch in Japan selbst, denn die wollen doch auch keinen Dreck spielen. Das kann man jetzt ewig so weiterführen, aber vermutlich ist das nicht mal finanziell sinnvoll, egal wie klein das Budget ist. In diesem Fall hier jedenfalls kam nicht weniger als die ultimative Arschbombe heraus: "IaF" bietet nicht einmal deutsche Schrift bzw. Untertitel und ist eines dieser seltenen Spiele, das in jeder Hinsicht schlechter ist als sein Vorgänger.

"Wie? Bei der Grafik auch", mögen jetzt einige fragen. Klar, technisch ist die Grafik natürlich etwas besser, aber etwa bei Design, Cutscenes, Abwechslung und Lesbarkeit des Kampfgeschehens - mit anderen Worten den wirklich wichtigen Sachen - enteilt das sieben Jahre alte "THL". Auch hat die wunderbare Anleitung der Xbox 360 Version von "THL" mal eben 48 prall gefüllte Seiten, die PS4 Box von "IaF" ist hingegen leer - und das, obwohl die Benutzerführung ingame mal locker Marke unterirdisch ist. Man hat mir nicht mal das Crafting beigebracht, weil ich die richtige Nebenquest nicht gemacht habe, was jetzt, erm, ziemlich schräg ist?!?

Aber eigentlich sollte einen bei diesem Wrack von Spiel gar nichts mehr wundern: Nach etwas mehr als der Hälfte dreht es die bis dahin ohnehin schon extrem klischeehafte und dünne Handlung total durch den Fleischwolf. Hektisch, weil es ja irgendwie mein Trupp sein muss, und ohne sich viel darum zu scheren, was bisher geschah, wird der Endgegner aufgebaut, irgend ein Typ einer Splittergruppe. Sobald man den Heini von seiner Midlife Crisis erlöst hat, verendet das Spiel nach nur insgesamt etwas mehr als 20 Stunden abrupt in pangalaktischem Friede, Freude, Eierkuchen. Damit dürfte "IaF" gute Chancen haben, das kürzeste JRPG aller Zeiten zu sein. Na, so hat tri-Ace am Ende wenigstens schon mal eine Auszeichnung sicher.

Statt wenigstens mal ordentlich value for money zu liefern, hat tri-Ace im Vorfeld der weltweiten Veröffentlichung lieber Korrekturen am Charakterdesign von Miki vorgenommen, weil ihr Rock für einen Teenager zu kurz war, oder hat etwa eine Szene mit einer Geste angepasst, in der Miki dem Kind Relia den Kopf tätschelt. Das wäre halb so lächerlich, wenn nicht weiterhin dutzende Szenen der Marke "only in Japan" das Vorurteil befeuern würden, dass Japaner völlig durch sind und weder Streit- noch Gesprächskultur besitzen, oder wenn Fiore keine extragroßen Brüste in ihrem hautengen und hautfarbenen Catsuit inkl. Schwänzchen zur Schau stellen würde.

Zurück bleibt die Gewissheit, das schlechteste JRPG der letzten Jahre gespielt zu haben. Es gibt nicht einen Aspekt des Spiels, den ich ohne Einschränkungen als positiv bezeichnen könnte. Hier wurde einfach nur die minimale Menge der Standardzutaten, die sich zudem bereits vor gut 15 Jahre herauskristallisiert hatten, mit unausgegorenen möchtegern Verbesserungen zusammengerührt und zu heiß gebacken, um schneller fertig zu werden. Wenn die Jungs von tri-Ace (besonders Producer Shuichi Kobayashi, der besser mal beim Marketing geblieben wäre) und vom Publisher Square Enix tatsächlich glauben, dass dieser Oberschrott in der Lage ist, der Serie neues Leben einzuhauchen, dann brauchen eine Menge Herren dringend einen Sanatoriumsaufenthalt von unbestimmter Dauer.



  POSITIV:
  - stürzt nicht ab


  NEGATIV:
  - ultimative Arschbombe
  - Wrack von Spiel
  - Handlung bricht einfach ab
  - üble japanische Klischees