MINECRAFT DUNGEONS

Standard Edition

Mojang Studios &
Double Eleven

(26.05.2020)

auch veröffentlicht auf PS4,
Switch und für Windows PCs


Jedem, der das Video zu "Minecraft Dungeons" (MCD) auf der E3 2019 gesehen hat, war sofort klar, dass die Mischung aus Klötzchengrafik und Hack & Slay á la "Diablo III" (2012) funktionieren würde. Die Frage war am Ende nur noch, wie gut genau. Da "MCD" in der Standard Edition lediglich 19,99 € kostet, kamen bei mir vor Release dann schon Zweifel auf, ob es sich überhaupt um ein vollwertiges Spiel handelt, und als ich das erste Mal die kleine Missionskarte mit der Schaltfläche für weitere Schwierigkeitsgrade sah (erster heißt "Default"), rechnete ich mit einer äußerst kurzen Spielzeit.

Wie? Keine Klassen?

Von einem Schock zu reden, wäre sicherlich völlig übertrieben, aber ich war schon überrascht (und uninformiert), dass "MCD" anders als die meisten vergleichbaren Hack & Slay Spiele nicht mit der Wahl der Charakterklasse anfing. Ja, nicht einmal Meisterschaften wie in "Titan Quest" (2006), die meinen Charakter im Lauf des Spiels definieren, oder ein riesiger Talentbaum wie in "Path of Exile" (2013) befindet sich in "MCD".

Stattdessen startet jeder Charakter mit dem gleichen einfachen Schwert, verfügt über zwei weitere Inventarplätze für Rüstung und Fernkampfwaffe, sowie über drei Plätze für sog. Artefakte, die dann tatsächlich so etwas wie Fähigkeiten des Charakters sind. Und dann war ich schon wieder überrascht. Nämlich darüber, wie unglaublich gut dieses Konzept funktioniert.

Anders als ewig und drei Tage auf irgendwelche Level Ups zu warten und sich auf dem Weg zum vollendeten Build wie ein halber Held zu fühlen, wechselte ich in "MCD" praktisch vom ersten Charakterlevel an straffrei verschiedenste Waffen und Artefakte durch. Ich probierte hier, probierte da, und fand so immer wieder Kombinationen, die wenig bis gar nicht zu funktionieren schienen, aber auch nicht selten Zusammenstellungen, mit denen ich die Monsterhorden in Windeseile zerlegen konnte.

Super cooles Kampfsystem

Man möge mir als so gut wie möglich Vermeider - "Nun spiel doch mal mit, Papi!" - des klassischen "Minecraft" (2009) verzeihen, dass ich neben Skeletten nur die Creeper auf Anhieb erkenne, aber egal wie die Monster auch heißen mögen: Sie machen einen astreinen Job. Selbst in meinen Lieblingen "Diablo II" (2000) und "Dungeon Siege III" (2011) setzte mir die KI nicht annähernd mit so scheinbar simplen und fairen Mitteln zu.

Ich kann in "MCD" jedem Geschoss ausweichen und mich hinter Ecken verstecken - oder mich schön doof anstellen, frontal auf Skelette mit Bögen zurennen, zweimal hintereinander fünf Pfeile kassieren und mausetot sein. Das liegt vor allen Dingen daran, dass ich in "MCD" nichts im Überfluss erhalte, insbesondere keine Lebenspunkte oder Heilmöglichkeiten. Mein Vorrat an Pfeilen ist endlich und - auch wenn mir ein zweiter Spieler alle Pfeile überlässt - praktisch nie so groß, dass ich als reiner Bogenschütze unterwegs sein könnte.

Und die Fähigkeiten auf den einzelnen Artefakten haben regelmäßig einen so satten Cooldown, dass ich keine Feuerbälle oder ähnliches spammen kann. Einzig und allein mit Artefakten, die mit den Seelen der getöteten Monster angetrieben werden, und entsprechender Ausrüstung, die mehr Seelen sammelt, konnte ich die hohen Cooldown Timer deutlich drücken.

Ausrüstung

Ausrüstung gibt es klassisch als Zufallsdrops von Monstern, in (manchmal in der Spielwelt gut versteckten) Kisten und beim Händler. Anders als bei vielen anderen Spielen kann ich in "MCD" meine Ausrüstung nicht mit meinen Mitspielern tauschen. Auch beim Waffen-/Rüstungshändler bzw. Artefakthändler im Camp kann ich nicht gezielt Ausrüstung kaufen, sondern setze einen von meinem Level abhängigen Festbetrag an Emeralds, der Spielwährung, für ein zufälliges Item ein.

Die einzige Einflussnahme besteht darin, dass ich für jeden Stufenaufstieg einen Enchantment Punkt bekomme, den ich dafür verwende, meinen Waffen und meiner Rüstung weitere oder bessere Eigenschaften in drei Stufen zu verpassen. Die erste Stufe kosten einen Punkt, die weiteren dann zwei bzw. drei Punkte, es sei denn die Fähigkeit gilt als "powerful", dann sind es zwei, drei u. vier Punkte. Sollte ich eine Waffe oder Rüstung irgendwann shreddern, erhalte ich alle Enchantment Punkte zurück und ein paar Emeralds obendrauf.

Bei normaler Ausrüstung kann ich mich regelmäßig nur für eine von meist drei Eigenschaften entscheiden, recht schnell im Spiel verfügbare bessere Ausrüstung bietet dann meist die Wahl aus zweimal drei Eigenschaften und die allerbesten Gegenstände im Spiel (selbst noch nicht gesehen) werden dann, wenn ich dem Interface trauen darf, dreimal drei Eigenschaften haben. Mehr Einfluss kann ich auf meine Ausrüstung und damit auch meine Fähigkeiten nicht nehmen, was aber vollkommen ausreicht, denn...

Die Spielzeit ist sehr gering

Der erste Eindruck hat nicht getäuscht und auf der Missionskarte ohne irgendwelche Erweiterungen befinden sich neben dem Tutorial lediglich neun "Dungeons" und ein verstecktes Level, die je in etwa einer halben Stunde zu bewältigen sind. Zweimal sind Sohnemann und ich zu oft an einem Zwischen- oder Endboss gestorben, so dass wir das Gebiet von vorne starten mussten, aber wer etwas besser aufpasst, sollte dies eher nicht erleben.

Lediglich das letzte Gebiet "Obsidian Pinnacle" ist auch auf der einfachsten wählbaren Stufe so schwer, dass es einen beim ersten Versuch mit ziemlicher Garantie schon lange vor dem Endboss zerlegt - und beim nächsten und beim nächsten. Also darf in den bisherigen Gebieten ein bis zwei Stunden gegrindet werden. Dann kommt der Endboss - und wer nicht gleich die zwei Stellen hinter den Wänden ganz unten rechts im Kampfareal findet, an denen die Attacken einen nicht treffen können, fragt sich sicherlich wie ich auch, ob die Designer noch alle Tassen im Schrank haben.

Vielleicht geht es auch irgendwie anders, aber ich denke eher, dass die Nehmerqualitäten nicht reichen werden. Wie auch immer: Wer den Endboss besiegt, darf nun den Schwierigkeitsgrad "Adventure" spielen. Und das ist dann der Moment, in dem sich die Spieler grob in zwei Lager teilen werden: Diejenigen, die "Diablo III" mit seinen 14 Schwierigkeitsgraden lieben und nun eher weiterspielen, und diejenigen, die viel lieber "Diablo II" mit jeder Charakterklasse einmal durchgespielt haben und nun eher aufhören.

Fazit:

Zum Glück befinde ich mich irgendwo zwischen den Extremen und habe zumindest zwei Gebiete auf "Adventure" gesäubert und nicht gleich aufgehört. Und ich muss sagen, "MCD" gewinnt auf dem höheren Schwierigkeitsgrad enorm - etwas was ich so nicht erwartet habe. Die Anzahl der Monster und vor allen Dingen der Monster mit speziellen Fähigkeiten bzw. gemeinen Buffs hat sich soweit erhöht, dass ich nun um einiges aufmerksamer spielen muss.

Und vor allen Dingen macht "MCD" eben nicht den Fehler, mich gleich wieder aufs Grinden zu verweisen, indem es mich einfach totschlägt, weil meine Ausrüstung noch keine ausreichende Qualität hat. - Kaufempfehlung? Ja, jedenfalls wenn man sich sicher ist, dass man fast auf das ganze Drumherum der Diablo Spiele verzichten kann und auch dauerhaft keine Probleme mit der unspektakulären Klötzchengrafik hat.

"MCD" ist ein kleines, aber wirklich feines Spiel und macht - was wenig überrascht - im Couch Co-op noch einmal eine Menge mehr Spaß als allein. Schon überraschender war, dass es lediglich sechs Ausrüstungsgegenstände braucht, um unterschiedliche Spezialisierungen für unsere Figuren zu realisieren. Ein System, das während der kurzen Spielzeit sofort greift und bei weitem besser als die doch recht belanglosen 70 Level eines "Diablo III" funktioniert.

Bei Hack & Slay von Anspruch zu reden, wäre sicherlich verfehlt, aber wer schlecht "Diablo III" spielt, wird noch schlechter "MCD" spielen - und das vermutlich dauerhaft. Weil in "MCD" zwar im späteren Verlauf einiges von meiner Ausrüstung abhängt, aber diese allein mich nicht mehr über die Ziellinie tragen kann.

Und weil in "MCD" auch so einiges dem Zufall überlassen wird, aber längst nicht in dem Maß wie es viele Titel der letzten Jahre getan haben, bei denen ich in ein und demselben Level einmal zufällig auf Gegner gestoßen bin, die ich im Halbschlaf besiegen konnte, oder ein andern Mal auf unüberwindbare Kreaturen mit völlig wahnwitzigen Fähigkeiten, die mich umgekehrt genauso im Halbschlaf besiegt haben.


  POSITIV:
  - sieht aus wie Minecraft
  - perfekt für Kinder
  - und doch nicht so leicht
  - mit wenig viel erreicht
  - sehr flexibles System


  NEGATIV:
  - sieht aus wie Minecraft
  - sehr wenig drumherum
  - wiederholt sich nach 10 h